Verhaftet bei Termin im Landratsamt:"Es hat für alle Beteiligten nur Nachteile"

Verhaftet bei Termin im Landratsamt: Riaz Khan ist bei der Gärtnerei unter anderem dafür zuständig, täglich mehrere hundert Blumenschalen für die Kunden vorzubereiten. Seit Montag sitzt der 31-Jährige in Abschiebehaft. Seine Chefin Sonja Ziegltrum-Teubner hat einen Anwalt eingeschaltet.

Riaz Khan ist bei der Gärtnerei unter anderem dafür zuständig, täglich mehrere hundert Blumenschalen für die Kunden vorzubereiten. Seit Montag sitzt der 31-Jährige in Abschiebehaft. Seine Chefin Sonja Ziegltrum-Teubner hat einen Anwalt eingeschaltet.

(Foto: Viktor Strasse)

Nach fünf Jahren als Mitarbeiter einer Gärtnerei soll Riaz Khan nach Pakistan abgeschoben werden. Seine Chefin, Mitarbeiter und Politiker kämpfen um ihn. Doch bereits am Donnerstag geht sein Flug.

Von Korbinian Eisenberger, Vaterstetten

Riaz Khan war bisher der Mann für die Schale. Eine dreistellige Zahl an Blumenschalen hat der 31-Jährige pro Tag zusammengestellt. "Davon verkaufen wir täglich mehrere hundert", sagt die Frau, die den Mann aus Pakistan seit fünf Jahren in ihrer Gärtnerei beschäftigt. Sonja Ziegltrum-Teubner ist die Geschäftsführerin und muss nun umdisponieren. Seit Montag, erzählt sie, habe sie niemanden mehr, der ihr die Schalen herrichtet. Ihr Mitarbeiter Riaz Khan sitzt in einer Zelle und wartet auf seinen Abschiebeflug.

Ein Mann aus Pakistan findet bei der Gärtnerei Ziegltrum in Parsdorf eine Wohnung und Arbeit in einer Branche, in denen es den Firmen an Personal mangelt. Die zuständige Ausländerbehörde sorgt dafür, dass dieser Mann entgegen des Willens von Arbeitgeber und -nehmer das Land verlassen soll. Um dies zu verhindern, macht die Gärtnerei den Fall öffentlich und hat einen Anwalt beauftragt, die Abschiebung zu verhindern.

Ihren Schilderungen zufolge hat Sonja Ziegltrum-Teubner einen ereignisreichen Wochenstart hinter sich. Begonnen habe es mit einer Whatsapp-Nachricht am Montagfrüh. Riaz Khan entschuldigte sich bei seiner Chefin. Er komme später weil er einen Termin bei der Ebersberger Ausländerbehörde wegen Papieren habe. Kurz nach diesem Termin kam die nächste Whatsapp. Er sei vor dem Landratsamt festgenommen worden, so Ziegltrum-Teubner. Seiner Nachricht zufolge, durfte er noch seine Sachen holen. "Irgendwann hat er einen Standort geschickt auf dem Weg nach Hof auf der Autobahn." Von dort meldete er sich am Dienstag. Er sitze im Abschiebegefängnis und warte auf seinen Abschiebeflug. Laut Bayerischem Flüchtlingsrat ist für Donnerstag ein Sammelflug von München nach Pakistan geplant.

SPD-Politikerin Doris Rauscher nennt das Vorgehen"heimtückisch"

Die Ebersberger Behörde äußert sich auf Nachfrage am Dienstagabend zum Fall. "Dass Abschiebungen von Personen, die einer Beschäftigung nachgehen, für die Arbeitgeber leider einen gravierenden Einschnitt darstellen, ist nachvollziehbar", heißt es. Gemäß dem Aufenthaltsgesetz mache es "bei dieser Aktenlage jedoch keinen Unterschied, ob der Ausländer im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachgeht oder nicht. Insofern raten wir Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, freiwillig ins Heimatland zurückzukehren, um dort bei der deutschen Botschaft ein Visum für die Wiedereinreise zur Beschäftigung (. . .) zu beantragen." Anders wäre der Fall, wenn jemand eine Berufsausbildung absolvieren würde.

Die Behörde handelt hier im rechtlichen Rahmen. Riaz Khans Antrag wurde wie bei vielen pakistanischen Asylsuchenden abgelehnt. Er hatte Aufforderungen zur Ausreise erhalten, war diesen aber nicht nachgekommen. Die Gärtnerei wusste von seinem abgelehnten Asylantrag, war aber davon ausgegangen, dass er weiter befristet geduldet werde. Dass er nun beim Amtstermin verhaftet wurde und drei Tage später in einen Flieger steigen soll, sei nicht abzusehen gewesen, so Ziegltrum-Teubner. "Ich und die Mitarbeiter sind entsetzt."

CSU-Mann Thomas Huber sieht Fehler im Asyl-Gesetz

Der Fall erinnert in Ansätzen an den Nigerianer Zika Oni, dem auf Dringen selbiger Behörde ebenfalls die Abschiebung drohte. Der Nigerianer arbeitet bis heute bei einer Ebersberger Kunstschmiede. Für seinen Verbleib kämpften sein Chef und die Ebersberger Landtagsabgeordneten Doris Rauscher (SPD) und Thomas Huber (CSU). Letztlich sprach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hier ein Machtwort für eine Härtefallregelung. Zika Oni durfte bleiben.

Auch im jüngsten Fall meldet sich Rauscher am späten Dienstagnachmittag zu Wort. Die SPD-Abgeordnete erklärt, dass die Ebersberger Behörde aus ihrer Sicht "die Spielräume nicht angemessen ausnutze". Rechtlich sei das zwar gedeckt. Jemanden mit dem Vorwand von Papierkram ins Amt kommen lassen und dann abzuführen, halte sie aus menschlicher Sicht für eine "heimtückische Vorgehensweise". Besonders bei jemandem, so Rauscher, der integriert sei und seinen Teil beitrage.

Zur Wahrheit zählt, das Khan seine Ausbildung vor zwei Jahren zwar beendete, die Abschlussprüfung aber bestand er nicht. Laut seiner Chefin hatte das sprachliche Gründe. Für seinen Asylantrag war dieses Scheitern entscheidend - in der Folge wurde Khan abgelehnt. Für seine berufliche Zukunft im Betrieb hingegen waren praktischen Fähigkeiten und die Zuverlässigkeit entscheidend, so Ziegltrum-Teubner. Es habe außer Frage gestanden, ihn trotz versemmelter Prüfung zu übernehmen.

Der Grafinger CSU-Sozialpolitiker Thomas Huber äußert sich spät am Dienstag deutlich. "Solche Fälle sind bedauerlich", sagt er. Das Beispiel Khan zeige, "dass der Mann gebraucht wird in der Gesellschaft". Wenn entscheidend sei für eine Abschiebung, dass man die Abschlussprüfung einer Lehre wegen Sprachdefiziten nicht schafft, dann laufe etwas verkehrt, so Huber. "Das Asyl-Gesetz hat auf Bundesebene Lücken, da muss man nachjustieren."

Wie sehr wäre der Gesellschaft durch die Abschiebung Khans geholfen? Sonja Ziegltrum-Teubner fasst die Dinge aus ihrer Sicht zusammen: "Es hat für alle Beteiligten nur Nachteile", sagt sie. Ihre Analyse: Ein drei Jahre lang in einer Gärtnerei ausgebildeter Mann verliert seine Anstellung. Und ein 70-Personen-Betrieb verliert bei schwieriger Personallage einen Mitarbeiter. Ersatz habe sie keinen, sagt Ziegltrum-Teubner. Die Blumenschalen, die Riaz Khan anfertigte, müsse sie nun aus dem Ausland kaufen. "Wahrscheinlich vom Band irgendwo aus Holland."

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