Palliativabteilung an der Kreisklinik:Endstation

Wenn keine Heilung möglich ist: Ärzte und Pflegekräfte versuchen, Sterbenden die letzten Tage so angenehm wie möglich zu machen. Ein Besuch in der Palliativabteilung an der Kreisklinik Ebersberg.

Inga Rahmsdorf

Eis ist beliebt am Ende des Lebens. Manche Patienten essen acht bis zehn Eis am Tag. Anna Bresele öffnet das Gefrierfach, es ist gefüllt mit Eiscremepackungen. Manchmal frieren die Ärztin und ihre Kollegen auch Prosecco oder Bier zu Eiswürfeln ein, wenn ihre Patienten es wünschen. "Sie mögen sonst häufig nichts mehr essen", sagt die Ärztin. "Eis aber ist erfrischend, und die Patienten haben oft einen trockenen Mund."

Auf der Palliativstation im ersten Obergeschoss der Kreisklinik Ebersberg liegen schwerstkranke Menschen, die Schmerzen haben. Menschen, die keine Hoffnung mehr haben auf eine Heilung. Menschen, die im Sterben liegen und sich vom Leben verabschieden. Bei der Arbeit der beiden Ärztinnen Anna Bresele und Barbara Esser geht es nicht mehr um Leben oder Tod. Es geht nur noch darum, den Menschen das kurze Leben, das ihnen noch bleibt, zu verbessern, es ihnen so angenehm wie möglich zu machen, und die Schmerzen zu nehmen - "den Patienten zu ermöglichen, dass sie diesen letzten Lebensabschnitt auch als wertvoll und sinnvoll betrachten können", wie Esser sagt. Deshalb gibt es auf der Station ein Wohnzimmer mit Sofa, Bücherregal und Aquarium, das nicht einfach nur der Dekoration dient.

"Unruhezustände kann man mit den Fischen therapieren", erklärt Bresele. Häufig können die Patienten nicht mehr lesen, nicht mehr fernsehen, sich nur schwer auf etwas konzentrieren. Für sie kann das Beobachten der Fische entspannend sein. Das Aquarium sei beliebt, sagt die Ärztin. "Nicht nur bei den Patienten und Angehörigen, sondern auch beim Personal."

Station für Sterbende - das verbindet man mit Trostlosigkeit und Leid. Genau dem will aber die Palliativstation etwas entgegensetzen. Palliativmedizin ist ein relativ neues und junges Fach. In Deutschland sterben die meisten Menschen weitgehend unsichtbar für die Gesellschaft. Doch bei weitem nicht jeder schläft friedlich und ohne Schmerzen oder lange Qualen im Bett ein. Die beiden Ebersberger Ärztinnen haben Zusatzausbildungen für die Betreuung schwerstkranker Menschen gemacht und vorher in anderen Bereichen der Klinik gearbeitet. An ihrer jetzigen Tätigkeit schätzen sie die engen Beziehungen, die sie zu ihren Patienten entwickeln, und dass sie sich mit ganz anderen Themen befassen als sonst in der Medizin üblich.

Zeit, Geduld und Vertrauen

Bei der Palliativmedizin entwickle man eine ganz andere Einstellung zum Patienten, sagt Esser. "Und mehr Demut vor dem Leben", ergänzt ihre Kollegin. Wichtig sei auch, dass es nicht nur um den Patienten gehe, sondern auch um deren Angehörige. "Die Patienten wissen meist ganz genau wie es um sie steht. Sie wollen aber ihre Angehörigen nicht belasten, und die wiederum haben Angst, den Kranken zu belasten, und dann kann kein richtiges Gespräch mehr zustande kommen. Manchmal braucht es da einen Mittelsmann, der außen steht", erklärt Bresele. "Wir versuchen ihnen die Angst zu nehmen." Ihre Patienten beschäftigen oft ganz existenzielle Fragen. Alles andere, all die Probleme des Alltags, sind Sorgen, die angesichts des nahen Todes unbedeutend werden.

Warum trifft es mich? Was kommt nach dem Tod? Was ist der Sinn des Lebens? Solche Frage kann man nicht zwischen Tür und Angel besprechen. "Das ist etwas anderes als ein Leistenbruch", sagt Bresele. Es erfordert mehr Zeit, Geduld und Vertrauen. Die Betreuung zwischen dem Krankenpersonal und den Patienten sei enger und intensiver als auf anderen Stationen, sagt Esser. Dafür stehe ihnen auch viel mehr Zeit zur Verfügung. Andererseits können sie ihre bedrückenden Erfahrungen nicht wie den Arztkittel abends in der Klinik lassen.

Die jüngste Patientin etwa, die Bresele und Esser auf der Station betreuten, war gerade erst 28 Jahre alt. Acht Patienten können auf der Palliativstation der Kreisklinik Ebersberg betreut werden. Mehr als 200 Patienten waren es im vergangenen Jahr, und die Zahl der Anfragen steigt. Viele stehen auf der Warteliste. "Wir haben mit zwei Zimmern angefangen", schildert der ärztliche Direktor der Kreisklinik, Hans-Leonhard Schneider.

2008 wurde dann die Palliativstation gegründet. Schneider geht davon aus, dass der Bedarf noch weiter steigen und die Klinik ausbauen wird. Er hofft auch, dass ein ambulantes Palliativ-Team im Landkreis zustande kommt, wie es der neue Verein "Ambulantes Hospiz- und Palliativnetz des Landkreis Ebersberg" plant. Es könnte die Arbeit der Palliativstation der Klinik gut unterstützen. Dann könnten Patienten schneller entlassen werden.

Viele der Patienten, die bei Bresele und Esser auf der Station liegen, sterben auch dort. 40 Prozent werden noch entlassen, nach Hause, in ein Pflegeheim oder in ein Hospiz. Im Krankenhaus dürfen sie nur begrenzte Zeit bleiben. Das nächste Hospiz ist in München. "Unser Wunsch ist ein Hospiz hier im Landkreis", sagt Esser. Gerade für ältere Menschen sei es ein weiter Weg, wenn sie bis nach München fahren müssen, um ihre Angehörigen zu besuchen.

Einen Menschen am Ende des Lebens zu begleiten, ermögliche meist eine sehr enge Beziehung, sagen Esser und Bresele. Davon zeugen auch die drei Gästebücher, die Angehörige ehemaliger Patienten gefüllt haben und die im Wohnzimmer ausliegen. Dankeskarten, Todesanzeigen und Fotos sind dort eingeklebt.

"Wir waren sehr dankbar, wenn wir unsere Mutter abends besuchten, und ihr Gesichtsausdruck entspannt war", hat die Angehörige einer Patientin dort hinein geschrieben. "Wie die Menschen sterben, bleibt im Gedächtnis der Menschen, die weiterleben", sagt Bresele. Schließlich sei Sterben ebenso wie die Geburt ein wichtiger Zeitpunkt im Leben.

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