Ortsumfahrung:Die Qual der Fragewahl

Die Kirchseeoner sollen im Juli entscheiden - nur worüber? Bisher zeichnet sich im Gemeinderat keine Mehrheit für eine Umgehungsstraßen-Variante ab.

Inga Rahmsdorf

Die Umgehungsstraße ist in Kirchseeon so umstritten, dass die Gemeinderäte nicht alleine darüber entscheiden wollen. Die Einwohner sollen im Juli über eine Trasse abstimmen. Doch bei der Sitzung am Montagabend zeigte sich, dass das Thema sogar so umstritten ist, dass sich möglicherweise nicht einmal der Gemeinderat auf eine Frage für den Bürgerentscheid einigen kann.

Es war eine ungewohnt hitzige Diskussion in einem gut besuchten Rathaussaal. Dabei hatten die Gemeinderäte bereits in der Sitzung zuvor entschieden, dass die Kirchseeoner selbst über die große Frage abstimmen sollen: ob die Gemeinde eine Umgehungsstraße braucht und - die viel umstrittenere Frage - wo sie entlang führen soll. Doch in einem Bürgerentscheid können nicht mehrere Alternativen zur Abstimmung stehen. Die Frage muss mit ja oder nein zu beantworten sein. Daher muss sich nun zuerst der Gemeinderat auf eine Trasse einigen.

Die SPD-Fraktion sprach sich für eine Südvariante aus. Kirchseeon brauche dringend eine Ortsumfahrung, sagte der Vorsitzende Thomas Kroll. Eine Tunnellösung halte er für ebenso unrealistisch wie eine nördliche Trasse durch den Eberberger Forst. Den genauen Streckenverlauf wollen die Sozialdemokraten allerdings nicht festlegen, sondern dem Straßenbauamt überlassen. Peter Seitz (SPD) schlug sogar vor, im Bürgerentscheid nur ganz allgemein zu fragen, ob die Kirchseeoner überhaupt eine Ortsumfahrung wünschen.

Das kritisierte Bürgermeister Udo Ockel (CSU) heftig. "Wir werden keinen Persilschein ausstellen, dass irgendwo im Süden gebaut wird. Die Leute müssen wissen, worüber sie abstimmen."

Auch die Freien Wähler sprachen sich für eine Umfahrung im Süden Kirchseeons aus. Alles andere sei nicht realistisch und würde darauf hinauslaufen, dass es wieder keine Ortsumfahrung gebe, sagte Klaus Seidinger, der FW-Fraktionsvorsitzende. Er lehnte allerdings eine ortsnahe Trasse ab und plädierte für die weitläufige Südumfahrung. Die Gemeinde werde sich noch weiter entwickeln, dafür brauche es ausreichend Spielraum.

Im Süden geht es um Landwirte und deren Existenzen. Die Trasse würde Wälder, Wiesen und Felder durchschneiden", hielt die CSU-Fraktionsvorsitzende Barbara Burgmayr-Weigt dagegen. Die Natur dort sei nicht weniger schützenswert als die im Ebersberger Forst. Die vernünftigste Lösung sei daher eine Untertunnelung des Ortes oder des Forstes, so Burgmayr-Weigt. Auch wenn die meisten Gemeinderäte der CSU eine Südtrasse ablehnten, gab es von der Fraktion keine einheitliche Stellungnahme oder Forderung.

Bei der Diskussion in Kirchseeon geht es nicht nur um die Frage, welches die favorisierte Trasse wäre, sondern auch, ob die Gemeinde mit der Variante überhaupt eine Chancen hätte, vom Bund finanziert zu werden. "Wir müssen endlich einsehen, dass der Norden nicht machbar ist. Mit der Trasse werden wir beim Straßenbauamt gar nicht erst angemeldet", sagte Herbert Blöchl (SPD). "Der Kostenfaktor ist mir egal", hielt Maria Wollny (CSU) dagegen. Entscheidend sei, ob die Straße gut für die Menschen sei. Auch das Argument, dass eine Nordtrasse wegen der Flora-und-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) rechtlich schwer durchzusetzen sei, lehnte Wollny ab. "Vieles spricht für die Nordtrasse. Warum soll es in Kirchseeon nicht möglich sein, durch FFH-Gebiete zu bauen?" fragte sie. Die Trasse im Süden werde zudem billig gerechnet, sagte Josef Fuchs (CSU). "Warum sollen wir einknicken, nur weil das Straßenbauamt sagt, es sei schwierig?"

Die einzige Partei, die am Montag eine konkrete Trasse vorschlug, waren die Grünen. Sie lehnten sowohl die Nord- als auch die Südtrasse ab und plädierten weiterhin für einen Tunnel. In Anlehnung an die bereits untersuchte Variante 2 (siehe Grafik) schlugen sie vor, die Straße unter den Ort zu verlegen. So soll die B 304 im Osten vor dem Spannleitenberg in einem Tunnel verschwinden und ab dem Eglhartinger Bahnhof wieder oberirdisch verlaufen. Anders als bei der ursprünglichen Variante 2 soll die Straßen dort direkt parallel zur Bahn verlaufen. "Die Variante hat den Vorteil, dass sie niemanden die Straße vor die Nase setzt", sagte der Fraktionschef der Grünen, Frank Költerhoff. Da die Trasse schon weitgehend geprüft sei und die Änderungen nur klein seien, werde es damit wohl auch keine Schwierigkeiten beim Bauamt geben, so Ockel.

Der Gemeinderat will sich bis April auf eine Trasse einigen - eine große Mehrheit zeichnet sich bisher aber nicht ab.

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