Süddeutsche Zeitung

Ortsgestaltung Zorneding:In der Mitte ein Pavillon

Die Gemeinde diskutiert seit Jahren über ein fehlendes Zentrum. Wie bekommt man wieder mehr Leben dorthin? Studenten der TU München präsentieren sechs Entwürfe - und überraschen jene, die darüber entscheiden

Von Korbinian Eisenberger, Zorneding

Ein Pavillon, ein Café, eine Co-Working-Werkstatt, ein Yoga-Raum, Platz für Konzerte, viel Holz wenig Beton - und deutlich weniger Verkehr. Sieht so Zornedings Zukunft aus? Geht es nach den Plänen von Architekturstudenten der TU München, könnte die Gemeinde auf diese Weise ein Ortszentrum erhalten, das den Namen verdient hat. Am Dienstagabend stellten die jungen Männer und Frauen ihre Entwürfe dem Zornedinger Gemeinderat vor, der hierfür eine Sondersitzung einberief. Ergebnis: Die Gemeinderäte und aller zuvorderst Bürgermeister Piet Mayr (CSU) kamen aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Die Studenten hätten "Blickwinkel eingenommen, die wir alle nicht hatten", so Mayr. Er sei "überwältigt".

Seit Jahren wird in Zorneding über die Verschönerung des Herzogplatzes im Osten der Gemeinde diskutiert. Nun ging es um jenen Teil, der einst der Ortskern war, wie man alten Fotos entnehmen kann: Jener Bereich, wo bis heute die Katholische Kirche St. Martin, die Alte Post, eine Schleiferei und das "Haus der Vereine" ihren Platz haben. Sonderlich belebt ist es dort allerdings nicht. Wie auch anderen Ortschaften in Bayern ist der Dorfcharakter durch Zuzug, Neubauten und Verdichtung abhanden gekommen. Der Auftrag des studentischen Projekts lautete nun: Wie kann dem Ort vor den Toren Münchens die Renaissance gelingen?

Die Pläne der TU-Studenten eint, dass solche Ideen innerhalb der Zornedinger Gemeindegremien bisher nicht im Entferntesten zur Debatte standen. Fünf der sechs Entwürfe sehen etwa vor, dass sich im Zusammenspiel mit der Kirche, der sogenannten Schleiferei und dem Haus der Vereine ein weiteres Gebäude einfügt. Weitestgehend einig sind sich die Nachwuchs-Architekten darin, dass im Erdgeschoss ein Café das Zusammenleben fördern würde. Weitere Ideen, um das mehrstöckige Haus zu füllen: Besprechungsräume, Platz für Yoga-Kurse, Zimmer, in denen junge Handwerker einen Platz zum Werkeln finden oder ein großer Veranstaltungsraum im Obergeschoss.

Thema im Ort ist längst auch die Verkehrsbelastung. Das fiel Laura Traub auf, die am TU-Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren wie ihre Kommilitonen drei Monate mit dem Projekt beschäftigt war. ihr Resümee: Die in ihrer Wahrnehmung dicht und schnell befahrene Anton-Grandauer-Straße für den Verkehr sperren. Ergebnis: Mehr Platz für neue Elemente.

Traubs Entwurf unterscheidet sich als Einziger wesentlich von den anderen fünf. Sie verzichtet auf den Bau eines zusätzlichen Gebäudes, orientiert sich stattdessen stark daran, was die Zornedinger Ortsmitte einst ausmachte. Sie erinnerte etwa daran, dass es hier früher einen Löschteich gab, den würde sie in Form eines Brunnens wieder aufgreifen. Gleichermaßen würde sie den einstigen Holzofen samt Bäckerei wieder fest an diesem Platz installieren. Ohne Verkehr, so ihre Berechnungen, wäre nun zudem ausreichend Platz für einen Christkindlmarkt oder Umzüge.

Den Spitzenplatz beim abschließenden Votum verpasste Traub mit ihrem Entwurf, sie wurde vierte. Gold aus Zorneding ging in diesem olympischen Sommer an das Team von Anna Maria Brendel und Theresa Mayr. Wie Laura Traub stellen sie sich einen Leichtbau-Pavillon zentral zwischen den Gebäuden vor, etwa um drunter Biertisch-Garnituren aufzustellen oder - die sportlichere Variante - eine Tischtennisanlage. Denkbar sei auch, die Fläche unter dem Pavillon-Dach als Konzertbühne oder für Ausstellungen zu nutzen. Der Entwurf von Brendel/Mayr zeichnet sich zudem dadurch aus, dass in dem neuen Zusatzbau ihrer Vorstellung nach der Austausch der Generationen gefördert werden soll.

Vor nicht allzu langer Zeit, war ein möglicher Abriss des unweit der Kirche gelegenen "Haus der Vereine" zumindest Thema in Zorneding. Und auch den Teilnehmern des Projekts am Lehrstuhl von Architekt und Professor Florian Nagler stand diese Option offen. Gewählt hat sie jedoch keiner. Naglers Einschätzung hierzu: "Da haben Sie ein sehr besonderes Haus, das es so nicht oft gibt. Wenn Sie das herrichten, haben Sie ein Schmuckstück." Sein Fazit: "Das dürfen Sie nicht abreißen."

Der Applaus der Gemeinderatsmitglieder war den Studenten da längst gewiss, deren Arbeit zudem mit Prämien und Materialgeld zwischen 1000 und 2000 Euro honoriert wurde. "Wir werden Ihre Ideen sicherlich aufgreifen", erklärte Bürgermeister Mayr. Gäbe es da nur nicht das "Finanzproblem", wie er es nannte. Gerade in Zorneding, wo die schwarze Null traditionell verfochten wird. "Es ist nicht billig, eine Ortsmitte zu gestalten", so Mayr. Es sei denn vielleicht, man beschränkt sich auf einen Pavillon.

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SZ vom 29.07.2021
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