Ortsgestaltung:"Er ist eine Riesenherausforderung"

Für die Gestaltung des neuen Platzes an der Rotter Straße in Grafing schlägt Architekt und Stadtrat Christian Einhellig einen Ideenwettbewerb vor

Interview von Thorsten Rienth

Erst sollte auf den neuen Platz an der Südseite der Rotter Straße ein kleiner Bachlauf entstehen. Als sich dies als zu teuer herausstellte, schlug der Stadtrat einen Brunnen vor. Bei der Präsentation der Entwürfe herrschte dann aber große Enttäuschung. Die SZ sprach mit dem Architekten und Grafinger Stadtrat Christian Einhellig darüber - er ist in dem Gremium so etwas wie der ehrenamtliche Berater in Fragen der Kunstästhetik.

SZ: Herr Einhellig, was macht aus einem Brunnen einen schönen Brunnen?

Christian Einhellig: Das liegt - wie so oft - im Auge des Betrachters. Nehmen Sie zum Beispiel den Brunnen am unteren Marktplatz, bei dem Wasser über einige Scheiben hinunterfließt. Er ist nicht unumstritten. Ich finde ihn nicht schlecht, aber mein persönlicher Stil ist dieser Brunnen nicht. Im Frühling oder Sommer jedoch, wenn auch noch Blumen um ihn herum gepflanzt sind, sehe ich Leute, die ihn leidenschaftlich fotografieren. Sie sind absolut begeistert. Kunst darf und soll immer etwas sein, an dem man sich reiben kann. Etwas, das auch mal Kritik erzeugen darf, weil es sich eben nicht jedem auf die gleiche Weise und auf den ersten Blick erschließt.

Im Stadtrat - ein Gremium mit ganz verschiedenen Leuten und Ansichten - herrschte dennoch Einigkeit: Die Vorschläge für den Brunnen gegenüber der alten Bücherei taugen nichts.

Diese Haltung entstand auch deshalb, weil die Vorschläge recht lieblos und schlecht präsentiert waren. Es geht doch nicht darum, nur irgendeinen Brunnen auszusuchen. Was auch immer am Ende auf diesen Platz kommt - man kann es nicht isoliert betrachten: Gegenüber ist der Brunnenplatz vor dem Pfarrheim. Über Stufen geht es hinunter zur Rotter Straße. Der Platz, über den wir reden, ist genau auf der anderen Straßenseite. Solche Achsen muss man doch in die Planungen einbeziehen! Der Platz wird auf Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte, prägend sein. Ein Blickfang in Form eines Kunstwerks wird dieses Ortsbild unterstützen und verstärken.

Ortsgestaltung: So richtig gemütlich ist er noch nicht, der neue Platz am ehemaligen Grafinger Brauereigelände an der Rotter Straße. Architekt und Stadtrat Christian Einhellig wünscht sich, dass dort ein Ort zum Verweilen entsteht, der auch ästhetisch ansprechend sein soll.

So richtig gemütlich ist er noch nicht, der neue Platz am ehemaligen Grafinger Brauereigelände an der Rotter Straße. Architekt und Stadtrat Christian Einhellig wünscht sich, dass dort ein Ort zum Verweilen entsteht, der auch ästhetisch ansprechend sein soll.

(Foto: Christian Endt)

Ist das alles nicht ein bisschen hoch gegriffen? Nüchtern betrachtet: Mit der Überplanung des alten Brauereigeländes ist ein kleiner Platz neben der Rotter Straße entstanden - nicht mehr und nicht weniger.

Das sehe ich ganz anders! Dieser Platz ist für das gesamte Umfeld wesentlich. Mit der Ostumfahrung ist an der Rotter Straße eine neue Ortseinfahrt geschaffen worden. Wer nun von Osten in die Stadt fährt, der blickt von schräg oben auf den Platz hinunter. Es geht in eine leichte Linkskurve, gleichzeitig weitet sich die Straße auf. Dann ist da links dieser Platz mit diesem markanten Eck, das scheinbar wieder in die Straße hineinragt. Das muss ein schöner Platz werden, einer der außerdem zum Verweilen einlädt, der das Zeug zum Treffpunkt hat.

Was schlagen Sie vor?

Vor allem würde ich gerne vorschlagen, dass da jetzt nicht voreilige Entscheidungen gefällt werden. Wie sieht der Platz im Winter aus, wenn Schnee liegt? Wie wirkt er, wenn im Frühsommer die Bäume blühen? Ich meine außerdem, dass man sich bei der Ideenfindung nicht zu sehr auf diesen Brunnen versteifen sollte. Der ist sozusagen ein Überbleibsel des ursprünglichen Gedankens eines Wasserlaufs, weil sich unter der Erde ein alter Kanal befindet. Auf welches Kunstwerk es auch immer am Ende herausläuft: Es muss sich abheben, es muss einen Kontrast schaffen zum Granit dieses Platzes, etwa über das Material oder die Farbe.

Aber was könnte das konkret sein?

Ich spinne jetzt einfach mal den Gedanken weiter: Man könnte sich ein Mobile überlegen, das zur Statik des Platzes einen beweglichen Kontrapunkt setzt. Oder eine Sonnenuhr. Oder einen Wegweiser in Richtung unserer Partnerstadt St. Marcellin. Man kann sich was Akustisches überlegen, was zum Anfassen. Das kann gerne auch einen starken Lokalbezug haben. Zum Beispiel, indem man einen alten Mühlstein integriert. Gleich daneben fließt doch ein Bach, der für die Entwicklung der Stadt immer ganz zentral war. Vielleicht könnte das, was dort einmal hinkommt sogar namensstiftend für den Platz werden.

Ortsgestaltung: Christian Einhellig, Jahrgang 1960, ist in Grafing aufgewachsen. 1989 stieg er ins Architekturbüro seines Vaters ein, das er 2005 übernahm. Seit 1996 ist Einhellig Stadtrat, seit 1997 auch Vorsitzender der Freien Wähler.

Christian Einhellig, Jahrgang 1960, ist in Grafing aufgewachsen. 1989 stieg er ins Architekturbüro seines Vaters ein, das er 2005 übernahm. Seit 1996 ist Einhellig Stadtrat, seit 1997 auch Vorsitzender der Freien Wähler.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie sollten die nächsten Schritte aussehen?

Ich könnte mir gut einen Ideenwettbewerb vorstellen. Jeder, der möchte, soll mitmachen dürfen. Schüler oder Studenten mit einem Faible für Kunst, Architekten oder Schöpfer im weitesten Sinne, zu denen auch der ganz normale Grafinger gehört. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass dieser Platz künstlerisch eine Riesenherausforderung ist.

Dann wird man wieder bei den verschiedenen Geschmäckern landen.

Die Öffentlichkeit - und auch die Entscheidungsträger im Stadtrat - werden sich wahrscheinlich an jedem der Vorschläge reiben. Die Wirkung von Kunst ist immer auch eine Persönliche. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir tolle Ideen bekommen werden.

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