Orientierung im Ort:Farbenfrohe Herzensangelegenheit

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Ist begeistert von den Kinderwünschen, die stets von globaler Tragweite seien: Roland Günther. (Foto: Christian Endt)

"Integration durch Kunst": Sechs Menschen mit Behinderungen, ein Künstler und Passanten gestalten gemeinsam einen kreativen Stadtplan Ebersbergs

Von Anja Blum, Ebersberg

Viele erstaunte Passanten verlangsamten ihre Schritte, als neulich, mitten unter der Woche, am Ebersberger Marienplatz ein Zelt und eine Riesenleinwand aufgestellt, Töpfe mit bunten Farben geöffnet und Malutensilien auf zwölf Anwesende verteilt wurden. Doch damit nicht genug: Zufällig Vorbeigehende wurden herzlich aufgefordert, sich ebenfalls mit einem Pinsel zu wappnen, um mit dem gut gelaunten Grüppchen ein Gemälde zu gestalten. Das Ergebnis ist die nächsten drei Wochen lang im Treppenhaus des Ebersberger Rathauses zu bestaunen.

Die Aktion ausgedacht hatten sich drei Auszubildende der Fachschule für Heilerziehungspflege in Altenhohenau bei Wasserburg, Matthias Just, Thomas Malgrab und Jakob Schuur. Unter dem Motto "Integration durch Kunst in der Öffentlichkeit" wollten sie ihre Schützlinge, Menschen mit Beeinträchtigungen, auf kreative Weise mit Passanten zusammenbringen. "Uns ging es vor allem darum, unverkrampft Kontakt herzustellen", sagt Schuur. "Hallo, ich bin der Christoph! Magst Du mit mir ein Bild malen?" Nicht gerechnet hätten sie damit, dass dies derart gut funktionieren würde: An der Staffelei gab es zeitweise kein Durchkommen mehr, "da war einfach eine super Energie!"

Beim Malen fachmännisch unterstützt wurden die sechs Betreuten der Stiftung Attl von Haus Ebrach und der Offenen Behindertenarbeit Ebersberg/Erding von dem Erdinger Künstler Harry Seeholzer, der auch sämtliche Materialien spendete. Gemeinsam mit seinen Schützlingen und Passanten gestaltete er einen bunten, kreativen Stadtplan Ebersbergs. "Zunächst haben wir nur die Umrisse der Stadt skizziert", erklärt dieser bei der Vernissage im kleinen Kreis, eine Vorgabe, die sich dann schnell mit Leben und Farbe füllte: "Wir haben die Menschen einfach gefragt, was ihnen wichtig ist an Ebersberg, wo ihre Lieblingsplätze sind, und diese Punkte dann herausgearbeitet", so Seeholzer. Da war also jede Menge Fantasie gefragt.

Der grüne Wald, die blauen Weiher, gelbe Felder, der Marktplatz - all dies ist nun in dem abstrakten, farbenfrohen Abbild der Kreisstadt zu erkennen. Und Seeholzer trug mit sicher gesetzten Pinselstrichen, die unverkennbar seine Handschrift tragen, zur glücklichen Vollendung bei. Insgesamt erinnert die Darstellung stark an ein Herz: Wie Adern durchziehen Straßen die rote Fläche, schier meint man, das Leben pulsieren zu sehen. "Das Herz Ebersbergs", tauft ein sichtlich stolzer Seeholzer denn auch das gemeinsame Werk.

Dass es sich dabei tatsächlich um ein bemerkenswertes Bild handelt, beweist der spontane Ankauf der noch nicht ganz trockenen Leinwand seitens eines Kunstkenners aus Ebersberg. "Ein Freund hat mir gesagt, dass da am Marktplatz was los ist", erzählt Roland Günther strahlend, "also bin ich gleich hin". Lange habe er den Akteuren zugesehen und sich mit ihnen unterhalten - und am Ende den Entschluss gefasst, das Ergebnis der Aktion gleich zu erstehen. Außerdem kontaktierte der neue Eigentümer Antje Berberich, die Kunstbeauftragte der Stadt, und fand bei ihr sogleich offene Ohren für sein Ansinnen, das Bild der Öffentlichkeit im Ebersberger Rathaus zugänglich zu machen.

"Das Werk ist jetzt in besten Händen", freut sich Schuur, denn Günther hat Feuer gefangen für die Idee der Integration durch Kunst. "Das Projekt muss weiter gehen, größer werden", sagt er, deswegen habe er bereits Kontakt aufgenommen zu diversen Einrichtungen. Beim Ebersberger Kunstverein zum Beispiel gebe es "sowohl Interesse, als auch Platz und fachmännische Unterstützung". Insofern ist Günther überzeugt: "Das Herz von Ebersberg schlägt weiter".

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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