"Opern auf Bayrisch":Ironie statt Pathos

Opern auf Bayrisch

Sternstunde im Ebersberger Alten Speicher: Die Schauspieler Gerd Anthoff, Conny Glogger und Michael Lerchenberg erfüllen die bayerischen Verse von Paul Schallweg mit Leben, das Orchester pfeift, trötet, schmeichelt und wütet dazu, dass es eine Freude ist.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Paul Schallwegs "Opern auf Bayrisch" brechen "Zauberflöte" und Co. mit sinnlichen Versen und archaischer Musik - das Ebersberger Publikum im voll besetzten Alten Speicher ist hingerissen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Opern mit ihren oftmals absurd-abwegigen Libretti waren von jeher eine Fundgrube für Dichter und Musiker, sich lustig zu machen über das ewige Gewese und Gerenne um Liebe, Leid und Lust. Johann Nestroy machte sich einen Jux aus Wagners Mythenwelt. Und auch der bayerische Schriftsteller Paul Schallweg, der 1998 starb, hat die Literatur gründlich geplündert, hat unter anderem "Carmen", "Die Zauberflöte" und "Der Fliegende Holländer" in Mundartverse übersetzt und etliche der Geschichten nach Bayern verlegt, nach Berchtesgaden und an den Starnberger See.

Am Samstag konnte das Publikum, viele Besucher kamen in Janker und Dirndl, im voll besetzten Alten Speicher in Ebersberg Schallwegs "Opern auf Bayrisch" genießen. Veranstalter war der Kulturkreis Ebersberg, dessen Vorsitzende Angelika Kratzer dem Trachtenverein für die Unterstützung bei der Möblierung der Bühne mit rustikaler Sitzecke dankte.

Dort nahmen die Schauspieler Gerd Anthoff, Michael Lerchenberg und Conny Glogger Platz, ein Trio, das höchsten klanglichen Genuss garantiert. Zwar wird nicht gesungen, zumindest fast nicht, aber der farbenreiche Singsang des Dialekts, begleitet von ein paar Brocken Hochdeutsch, die sich zwischen saftigen Vokalen und rumpelnden Konsonanten anhören wie trockener Husten, macht das Fehlen von Sopran und Tenor allemal wett. Zumal die sinnlichen Verse Schallwegs alles Hochtrabende auf den Punkt bringen, sozusagen auf den Erdboden zurückholen.

Das Drama um Carmen lässt sich da kurz so beschreiben: "Wohin des führt, wenn oana sein' Verstand verliert." Sie war halt die "Todsünd' in Person" und Don Jose, der hier Sepp heißt, hat gleich ganz "batzlaugert g'schaut", als er sie gesehen hat. Der Rest, man weiß es, ist "vui zvui Gfui", das Ende grauslig. Daran ändert auch Escamillos triumphaler Auftritt, schön gebrummt von Anthoff, nichts. Fazit von Lerchenberg: "Die Gschicht is gar, schad', dass gar so traurig war!"

Traurig? Da sind die Musiker anderer Meinung. Das Bläser-Orchester mit Zitherspieler rührt ein hinreißendes Potpourri aus Elementen der Opernmusik und allerlei Schlagern, Operettenarien und Volksliedern zusammen. Kaum beginnt man zum Klang von Bratpfanne und Kastagnetten im Rhythmus der andalusischen Stadt Sevilla mitzustampfen, schert das Ensemble aus und spielt das Lied "Im Wald und auf der Heide" oder "Ja, ja der Chiantiwein". Mal schmuggelt sich das Lied vom "Alten Peter" in den Satz, mal ein Zwiefacher, mal eine Passage, die jazzig klingt so wie Begräbnismusik in New Orleans. Herrlich archaisch sind diese Arrangements von Friedrich Meyer und Rolf Wilhelm. Höhepunkt der schrägen Opernmusik aber ist Werner Hofmeister, der mit allerlei bäuerlichem Gerät die Percussion gestaltet und daraus kleine amüsante Spielszenen baut.

Szenisch überaus fantasievoll ist Schallwegs Version der "Zauberflöte". Er hat sie nach Berchtesgaden verlegt und "Das Wunder vom Königsee" genannt. Tamino, das ist hier der Förster Ignaz Eberle, der intensiv auf Brautschau ist, Vogelfänger Papageno tritt auf in Gestalt des depperten (lispelnden) Bene, wunderbar gestammelt von Gerd Anthoff, Sarastro heißt natürlich König Watzmann und die "Blaueiskönigin" tritt anstelle der Königin der Nacht aus donnernder Dunkelheit. Die Geschichte ist fast ebenso verwickelt wie das Original. Fazit: Der Ignaz kriegt am Ende die "Preißin", die er nie wollte. Dazu pfeift, trötet, schmeichelt und wütet das Orchester. Zwischen Bayernhymne, Kuhglockengeläut, dem Panflötenhit aus den Anden "El Condor pasa" und einer Passage aus der "Fledermaus" geht es dahin, Ignaz träumt von Touristenhorden aus Norddeutschland, die die Watzmann-Ostwand erklettern. Und der König fordert von ihm: "Du musst dich auch mit Preußen verstehen!" Das ist nun fast der Prüfungen zu viel. Doch das Happy End, wie hinlänglich bekannt, belohnt Tamino und schließlich auch den wackeren Berchtesgadener.

Da trägt Hofmeister auch schon ein Porträt von König Ludwig II. herein, damit ist klar: Nun wird es gleich wagnern. Der Holländer ist es, der auf dem Starnberger See umherkreuzt auf der Suche nach einer Jungfrau, die sich für ihn opfert. "Des Geisterleb'n is barbarisch, a Weib muaß her, sonst wer' i narrisch!" Der dazugehörige Sturmwind, den die Musiker entfachen, wird begleitet von einem Pfeiferl, wie es der Vogeljakob auf der Wiesn verkauft. In der ironischen Brechung von Pathos und Drama, sowohl im Text als auch in der Musik, liegt auch beim dritten und letzten Teil der Reiz der Aufführung. Bereichert wird diese auch von Conny Glogger mit ihrer mal scharfkantig, mal kätzchenweich artikulierenden Moderatorenstimme. Nachdem Zenzi/Senta im See ertrunken und der Holländer erlöst ist - unweit der Stelle, wo Ludwig II den Tod fand - bricht das bayerische Paradies mit Wucht herein: Aus München alle Glocken klingen, das Edelweiß leuchtet, die Hirsche röhren im Silberwald, die Alpen glühen, Kammerfensterl tun sich auf, Cindy lässt Kevin herein... - "und da bin i dahoam!" heißt es zum Schluss. Der Saal tobt.

Aus der frenetisch erklatschten Zugabe der "Butterfly" von Puccini erfährt man zu Musik aus dem "Land des Lächelns" und amerikanischem Yankee-(Ge)doodle auch noch vom traurigen Los der japanischen Geisha. Das Publikum will die drei Opernstars immer noch nicht gehen lassen, muss aber dann doch einsehen: Aus is, gar is! Schee wars!

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