Open-Air Konzert in Zorneding:Wie das Leben so spielt

Unter freiem Himmel weckt das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham die Freude an Livemusik und macht Lust auf mehr

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Auftritte unter freiem Himmel sind nichts Neues für das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham. Diese gibt es etwa bei den jährlichen Serenaden im Hof von Schloss Elkofen zu sehen - wer einmal dort zu Gast war, wird die stimmungsvolle Verbindung von Raum, Natur und Musik so schnell nicht vergessen. Doch während diese Auftritte ein freiwillig gesetzter Akzent im Konzertkalender waren, ist es an diesem Samstagnachmittag im Garten des Zornedinger Rathauses die einzig realisierbare Option, um überhaupt auftreten zu können: Die Bedingungen dort erlauben auch unter Corona-Regeln die Begegnung eines größeren Orchesters mit einem größeren Publikum.

"Größer" bedeutet in diesem Fall: Streicher, aber keine Bläser. Deren Teilnahme an den Proben sei nicht im erforderlichen Maß möglich gewesen, erklärt Dirigent Andreas Pascal Heinzmann, als er vor dem letzten Programmpunkt das Wort an die Zuhörer richtet. Er nutzt die Gelegenheit, um bewegt und bewegend den Zustand des Kulturlebens in Deutschland anzusprechen, die Last der unsicheren Zukunft, die weitgehende Wahrnehmung als Luxus, auf den man halt eine Zeitlang verzichten müsse. Für das Ensemble sei es kein Luxus, wieder miteinander Musik zu machen - "Wir haben uns nur gefreut" - und für das Publikum sei die Gelegenheit an einem live aufgeführten Konzert teilhaben zu dürfen auch keiner, sondern ein Beitrag zu Lebensfreude, ein Kraftspender. Selbst wer nur nüchtern den Wirtschaftsfaktor betrachte, dem genüge ein Blick nach Bayreuth, um die schwerwiegenden Folgen schweigen müssender Künstler und Instrumente zu erkennen. Es ist nichts Neues, was Heinzmann da sagt, aber man hat den Dirigenten in seinen 16 Jahren am Zorneding-Baldhamer Pult selten so berührt, so eindringlich erlebt. Sein Appell an die Anwesenden, die Forderung nach Wiederbelebung des Kulturbetriebs laut und offensiv nach außen zu tragen, gleicht der Ansage "Fortissimo" beim Dirigat. Sein Verweis auf vermeintliche Alternativen darf unwidersprochen stehen bleiben: "Digital ist eine der größten Ausreden, die es gibt."

Open-Air Konzert in Zorneding: Im Sommer konnte das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham seine Serenade im Park spielen. Im Advent ist das leider keine Option.

Im Sommer konnte das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham seine Serenade im Park spielen. Im Advent ist das leider keine Option.

(Foto: Christian Endt)

Mit dem Concerto Grosso op. 6/4 von Georg Friedrich Händel zu Beginn des Konzerts hat Heinzmann eine überraschende Wahl für einen Sommernachmittag getroffen. Keine in weiße Folie gehüllte Kokospraline wird da kredenzt, sondern ein zeitweise recht förmlicher "High Tea", angerichtet mit großer Akkuratesse und nur wenigen Verzierungen. Gleichwohl ist es die richtige Wahl für das reduzierte Orchester und die eingeschränkten Probemöglichkeiten. Man merkt es dem Ensemble an, wie es mit dem Werk sympathisiert, allen voran Celli und Bass werfen reichliche Emotion in die Waagschale. Auch die Geschlossenheit des Ensembles lässt, nach einem suchenden ersten Satz, nichts zu wünschen übrig. Heinzmanns Vorliebe für ausgefeilte, präzise Spieltechnik mag manchmal sehr fordernd erscheinen, in Momenten wie diesen gibt sie seinem Orchester genau die Sicherheit und Zuversicht, die es nach einer längeren Pause braucht.

Beim Kernstück des Nachmittags, dem d-Moll Violinkonzert des 13-jährigen Felix Mendelssohn, macht sich eine Schwäche des Spielorts bemerkbar: Einige der subtilen, gedankenvollen Momente des Werks verlieren sich buchstäblich im Blätterwald der umgebenden Sträucher und Hecken. Sie wirken wie die Schallschlucker eines Aufnahmestudios, verhindern das Reflektieren der Schallwellen und machen den Klang des Orchesters damit unnötig stumpf. Der Dialog mit der kraftvoll, in Aufbruchstimmung aufspielenden Solistin Franziska Magdalena Padberg bleibt unter diesen Umständen ein angedeuteter Versuch. Da wird der Wunsch nach einem Konzertpavillon wach, einer Klangmuschel für solche Veranstaltungen - die es brauchen könnte, sollten die Strategien zur Infektionsvermeidung noch länger nach Freiluft-Alternativen verlangen.

Open-Air Konzert in Zorneding: Kein Bankräuber, sondern Zornedings Bürgermeister Piet Mayr, der sich das Konzert vor seinem Rathaus nicht entgehen lassen wollte.

Kein Bankräuber, sondern Zornedings Bürgermeister Piet Mayr, der sich das Konzert vor seinem Rathaus nicht entgehen lassen wollte.

(Foto: Christian Endt)

Dirigent und Orchester ließen sich davon nicht beirren, widmeten sich aufmerksam dem gedankenvollen Frühwerk, das - schöne Anspielung - einst bei einer Sonntagsmusik im Berliner Gartenhaus der Mendelssohns uraufgeführt wurde. Die anspruchsvollen Passagen, die der Komponist in seiner Verehrung für Bach eingeflochten hat, führten das Orchester zwar mitunter so tief in die Konzentration auf die Ausführung, dass die Dynamik dahinter zurückstehen musste. Aber, Stichwort!, fast eineinhalb Stunden im Stehen zu musizieren, ist nicht nur ungewohnt, sondern auch körperlich kräftezehrend, weshalb diese kleine Schwäche unter "menschlich" zu akzeptieren und zu verzeihen ist.

Mit der beschwingten, lebensfrohen Aufführung von Mozarts "Kleiner Nachtmusik" zum Ausklang setzen Dirigent und Orchester einen starken, emotionalen Akzent. Sich selbst belohnen sie damit für ihre konzentrierte Arbeit an den beiden vorausgehenden Werken. Im Publikum wecken sie mit den leidenschaftlich intonierten, vier charakteristischen Sätzen die Lust auf mehr. Sie sind die Motivation, um mehr Verständnis und Kreativität für lebendige Musik einzufordern. Der lebhafte, lang anhaltende Beifall spricht Bände.

Weitere Aufführung am Samstag, 1. August, im Amphitheater der Grund- und Mittelschule Vaterstetten. Beginn um 16 Uhr. Bitte Campingstühle oder Decken mitbringen. Bei Schlechtwetter gibt es jeweils am Sonntag einen Ausweichtermin.

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