Offener Brief an den Stadtrat:Augenmaß statt Flächenfraß

von-Hazzi-Strasse Grafing - Alter Bauhof

Auf dem früheren Bauhof-Areal in der Von-Hazzi-Straße sollen bezahlbare Wohnungen entstehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grafinger Arbeitsgemeinschaft Heimatkunde kritisiert das "immense Wachstum" der Stadt

Von Thorsten Rienth, Grafing

Normalerweise dokumentiert die Grafinger Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde die Geschichte im engen Radius um die Stadt. Sie kartografiert vergessene Feldkreuze oder organisiert Bildungsfahrten, im vergangenen Jahr etwa zur Gegenreformation in München. Jetzt aber wendet sich die ARGE mit einem offenen Brief an den Stadtrat. Das Bündnis mit seinem neuen Vorsitzenden Josef Höhl treibt die "Sorge um unsere schöne Heimatstadt" um.

Die ARGE würde sich "nicht parteipolitisch in den beginnenden Kommunalwahlkampf einmischen", beginnt ihr Vorstand seinen "Offenen Brief" an den Stadtrat. "Angesichts der gegenwärtig immensen Bautätigkeit und Neuansiedlung ist unseres Erachtens dringend Augenmaß geboten, um den ländlichen Charakter Grafings nicht zu zerstören." Andernfalls drohten negative Auswirkungen auf die künftige Stadtentwicklung. "Wir bürden uns diverse Nachfolgelasten an der Infrastruktur, finanzielle Risiken und soziale Spannungen auf." Am 16. Mai war das Schrieben in Briefform ans Rathaus gegangen, später folgte eine Pressemitteilung.

"Die Rasanz am Baumarkt wird sich nicht ständig fortsetzen, ist nicht so schicksalhaft hinzunehmen, sondern erfordert kommunalpolitische Gestaltungskraft", geht der Brief weiter. "Erinnert sei auch an die schwierigen Jahre nach 1972 (Olympische Spiele in München), als nach der vorausgegangenen Euphorie längere Absatzstockungen und nach dem sogenannten Schneeballsystem mehrfach wirtschaftliche Pleiten folgten." Solche Probleme drohten sich zu wiederholen.

Die ARGE schließt mit der Bemerkung: "Wir wünschen den Damen und Herren des derzeitigen und des 2020 neu zu wählenden Stadtrats eine maßvolle Hand für eine positive Entwicklung unserer Heimatstadt Grafing." Letzteres kommt im Kontext freilich mehr einer Forderung, denn einem Wunsch gleich.

Tatsächlich fällt das Schreiben in eine Zeit, in der sich in Grafing ein nächstes großes Bauvorhaben abzeichnet. Auf Initiative des CSU-Landtagsabgeordneten und Stadtrats Thomas Huber überplant die Stadt gerade das Gelände des alten Bauhofs in der Von-Hazzi-Straße. Ermöglichen soll dies ein bereits angeschobener Grundstückstausch mit dem Freistaat.

Schlägt Bayerns Bauminister Hans Reichhart (CSU) ein, könnten auf einer Fläche von bis zu 3600 Quadratmetern Wohnungen entstehen. Vorsorglich hatte der Bauausschuss erst vergangene Woche mit breiter Mehrheit die ersten Planungsskizzen gebilligt.

In mehreren Riegeln und bis zu drei Vollgeschosse hoch, könnten - zum Beispiel über das Gemeinsame Kommunalunternehmen des Landkreises oder die Zusammenarbeit mit dem staatlichen Wohnungsbauunternehmen Bayernheim - Dutzende neue Wohnungen entstehen.

Der Grundzug der Bebauung steht bereits fest, und zwar in Form einer deutlichen Nachverdichtung. "Die Schaffung von kleineren, barrierefreien Mieteinheiten kommt besonders den Menschen zugute, die auf dem überhitzten Wohnungsmarkt sonst keine Chance mehr haben", hatte Huber seinen Antrag begründet. Die Stadt müsse massiv in bezahlbaren Mietwohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten investieren, da ließe sich nicht drumherum reden.

Eine Einzelmeinung ist das nicht. Denn auch eben diesen Beschluss fasste der Stadtrat einstimmig - inklusive weiteren 5600 Quadratmetern, die zusätzlich noch am Aiblinger Anger ausgewiesen werden sollen.

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