Inklusion:Lachen, reden, kreativ sein

Lesezeit: 4 min

Die Zwillinge Monica und Gabi kommen schon seit vielen Jahren zur Kreativwerkstatt. Gemeinsam mit Katharina Antoni basteln sie an ihrem Blütenkranz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 1990 bietet die Offene Behindertenarbeit in Ebersberg Freizeitaktivitäten für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen. Vor allem die Kreativwerkstatt ist ein beliebter Treffpunkt - für manche schon seit Jahrzehnten.

Von Karlotta Hohmann, Ebersberg

Auf dem Tisch stehen bunte Farben und Pinsel, Glitzer, Pappteller und Eierkartons. Gabi Meier und Katharina Antoni haben schon alles vorbereitet, denn heute ist in der Offenen Behindertenarbeit in Ebersberg, kurz OBA, Basteln angesagt. Nur die Teilnehmer der Kreativwerkstatt fehlen noch. "Hier ist es einfach immer lustig", sagt Katharina Antoni. Sie und Gabi Meier sind zwei alte OBA-Hasen. "Gabi ist schon so lange dabei, da müsste man schon ins Archiv hinabsteigen, um ihre Akte noch zu finden", scherzt Florian Kraemer. Er leitet zusammen mit Judit Nánási die Offene Behindertenarbeit in Ebersberg, die seit 1990 Menschen mit Behinderung und deren Angehörige unterstützt. Der Zivildienst führte Kraemer damals zu seinem heutigen Beruf des Sozialpädagogen. Auch Gabi Meier kam über den Zivildienst zur Offenen Behindertenarbeit, hier waren es aber ihre Söhne, die dort ihren Zivildienst leisteten und sie mit der Offenen Behindertenarbeit vertraut machten.

Gabi Meier und Katharina Antoni sind das Herz der Kreativwerkstatt

Einmal im Monat begleitet Gabi Meier die Kreativwerkstatt, früher leitete sie noch die Gruppe für meditativen Tanz. "Eigentlich habe ich als Erzieherin im Kindergarten gearbeitet", erzählt sie. Katharina Antoni ist Fachlehrerin für Werken und Gestalten an der Grund- und Mittelschule in Ebersberg. Sie kam über ihre Tochter zur Offenen Behindertenarbeit, die dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr machen durfte. "Mama, die Gabi ist ganz alleine, die braucht Hilfe", hatte sie ihrer Mutter pädagogisch wertvoll vorgeschlagen, mit Gabi Meier zusammen die Kreativwerkstatt zu begleiten.

Begeistert zeigen die beiden Florian Kraemer Fotos von dem letzten kreativen Treffen, bei welchem die Teilnehmer Faschingsbilder malen durften. "Was für ein irres Bild", staunt Katharina Antoni . "Er hat sich hingestellt, ganz finster dreingeschaut und mit Leib und Seele gemalt, es ging scheinbar unheimlich tief." Wie viel kreatives Schaffen in den Teilnehmenden auslösen kann, sei jedes Mal aufs Neue sehr berührend, stimmt Gabi Meier zu. Mit viel Herz und Feingefühl gehen die beiden Frauen die Arbeit mit den behinderten Menschen an. Nach einem lange Arbeitstag würden sie abends zwar auch manchmal einfach nur gern auf dem Sofa sitzen bleiben, dennoch sei es die Kreativwerkstatt jedes Mal aufs Neue wert, wieder aufzustehen und in das Gebäude des Bayerischen Roten Kreuzes in Ebersberg zu fahren.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Plötzlich hört man von draußen laute Stimmen und aufgewecktes Geplauder. Die Teilnehmer sind da, es kann losgehen - was für ein freudiges Hallo! Heute sind Katharina, Ernst, Lena und die Zwillinge Monica und Gabi zum Basteln gekommen. Lena ist zum ersten Mal bei dem kreativen Treffen der Offenen Behindertenarbeit dabei, die Zwillinge hingegen gibt es schon so lange, wie es die OBA gibt, so Florian Kraemer lachend. Monica und Gabi sind 53 Jahre alt und eineiige Zwillinge, unterscheiden kann man die beiden aber dennoch, denn Gabi trägt den i-Punkt in ihrem Namen in Form eines Muttermals auf der Wange. "Heute haben wir gleich zwei Gabis und Katharinas in einem Raum, zwei Betreuer und zwei Teilnehmer", scherzt Katharina Antoni. Das allein verspricht schon Verwirrung und einen lustigen Abend.

Karton-Hände als Gestaltungselement: Katharina (links) mit der ehrenamtlichen Helferin Gabi Meier. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Ernst gestaltet den Eierkarton mit Farbe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Fertig ist die Maske: ein prachtvolles Kunstwerk, das Monika gestaltet hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele Fragen werden nun gestellt, schließlich kann man mit den Utensilien, die auf dem Tisch bereit stehen, noch nicht erahnen, was heute gebastelt werden soll. "Ihr habt euch wahrscheinlich schon gefragt, warum wir euch heute Eierkartons mitgebracht haben", sagt Katharina Antoni und erklärt, dass daraus die Blumen für den Blumenkranz geschnitten werden sollen. Sofort wird spekuliert, was man mit diesem Blumenkranz alles anstellen und wohin man ihn hängen könnte. "Das darf jeder selber entscheiden", erklärt Katharina Antoni. Aber so weiß, wie die Kartons noch sind, können sie nicht bleiben - sie müssen angemalt werden, bemerkt Lena. Katharina Antoni zeigt, wie es gemacht werden soll und jeder bekommt einen Klecks Farbe in den Eierkarton. Die Zwillinge nehmen - natürlich - dieselben Farben "das ist doch völlig klar!", erklärt Monica.

Alle erzählen viel: von der Arbeit, von der Familie, vom Urlaub

Neben dem Basteln wird gequatscht - und das sehr viel. Über die Kinder der Betreuer, über das Wohnheim, die Taufe von Monicas und Gabis Nichte im Sommer, die kommende Faschingsfeier in der Arbeit. Und auch über die Arbeit wird sich ausgetauscht. Lena arbeitet in Steinhöring und klebt dort Aufkleber. Katharina hat mit Schrauben zu tun, erzählt sie. Gabi und Monica arbeiten mit Holz in einer der Werkstätten in Eglharting.

Kaum sind die Eierkartons angemalt, ist Zeit für eine kleine Pause. Es gibt Kekse und Gummibärchen, die von Gabis und Monicas Mutter beigesteuert wurden. Während des Händewaschens erzählt Katharina, dass sie die Offenen Behindertenarbeit gerne und oft besuchen kommt. "Am liebsten tanze ich", erklärt sie. Das tue sie auch gerne in ihrem eigenen Zimmer im Wohnheim. Monica erzählt, dass sie und ihre Schwester Gabi zuhause bei ihrer Mutter wohnen. "Da ist es schön und da bleib ich auch", sagt sie.

Nach der Pause geht es schließlich weiter. Während die Eierkartons trocknen, werden die Faschingsmasken angefertigt. "Damit könnt ihr dann alle erschrecken", sagt Gabi Meier. Aber die Zwillinge schütteln vehement die Köpfe. Jemanden erschrecken, das wollen sie auf gar keinen Fall. Daher werden die Masken ganz fröhlich und bunt gestaltet. Man paust die eigenen Hände auf Kartonpapier und schneidet sie aus - es ist gar nicht so einfach, genau auf der Linie zu schneiden. Und natürlich dürfen sowohl ein großer lachender Mund als auch eine Menge Glitzer auf den Masken nicht fehlen.

Mehr ehrenamtliche Helfer wären willkommen

Da die Zeit knapp ist, stellt Katharina Antoni die Blumenkränze für die Teilnehmer fertig. "Die Zeit rennt doch immer im Flug", seufzt Gabi Meier und legt letzte Hand an die Masken an, schließlich fehlt noch der Gummizug, um sie auch tatsächlich tragen zu können, stellt Monica fest.

Und schon ist der kreative Abend der Offenen Behindertenarbeit vorüber, fürs Erste zumindest. In den kommenden Monaten werden sicherlich noch viele schöne Dinge in der Kreativwerkstatt entstehen. Willkommen ist jeder bei den Veranstaltungen der Offenen Behindertenarbeit, auch Menschen, die keine Behinderung haben, "schließlich arbeiten wir integrativ und inklusiv", erklärt Fabian Kraemer.

"Für uns sind die ehrenamtlichen Helfer wirklich sehr wichtig", betont Kraemer am Ende noch einmal. Denn nicht nur für für die Teilnehmer sei es schön, neue Gesichter kennenzulernen, gemeinsam etwas zu schaffen und sich auszutauschen, auch jedem ehrenamtlichen Helfer wird durch die Offene Behindertenarbeit die Möglichkeit gegeben, noch etwas mehr auf seinem Lebensweg mitzunehmen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTierischer Schulhelfer
:Dackel Eddie geht zur Schule

Schulsozialarbeiterin Sabine Plefke bildet ihren Rauhaardackel zum Therapiehund aus. Er nimmt Kindern die Angst - und hilft sogar beim Lesen.

Von Michaela Pelz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: