Süddeutsche Zeitung

Wohnmobile aus Oberpframmern:Reisen mit dem Häuschen huckepack

Die Oberpframmerner Firma Bimobil baut hochklassige Expeditionsfahrzeuge auf Bestellung. Ihre Kunden sind von Fernweh befallen und legen großen Wert auf Individualität

Von Franziska Langhammer, Oberpframmern

Die längste Reise in einem Bimobil, von der Stefan Christner weiß, dauerte drei Jahre. Drei Jahre lebte und reiste einer seiner Kunden mit seiner Familie in einem Allrad-Wohnmobil durch die Welt und schickte später Fotos von überall her: Einmal sitzt ein Känguru auf der Straße, ein andermal nähern sich Schafe unweit einer zerklüfteten Felsenlandschaft dem mächtigen Gefährt. Bimobil, so werden die Großfahrzeuge genannt, in denen man reisen, wohnen und fahren kann, und so heißt auch die Firma, deren Geschäftsführer Stefan Christner ist.

Der Name rühre von der zweifachen Verwendbarkeit der Pick-Up-Camper, für welche die Marke besonders bekannt ist, erklärt er: "Ich habe ein Auto - und ich habe ein Reisemobil." Neben den Pick-Ups fertigt die Oberpframmerner Firma auch weitere Expeditionsfahrzeuge wie fest montierte Reisemobile oder Caravans. Wer sich ein Bimobil zulegen will, muss Geld mitbringen - und Zeit. Die Kosten für einige Sprinter belaufen sich auf 120 000 Euro aufwärts, und schnell mehr als 300 000 Euro zahlt, wer sich für den Unimog entscheidet - ein Universalmotorgerät, das vorwiegend bei Militär oder in der Forst- und Landwirtschaft genutzt wird. Zwei Jahre dauert es in der Regel, bis das gewünschte Gefährt auf Bestellung geliefert werden kann. Das liege an der hohen Auslastung, sagt Christner: Etwa 100 Fahrzeuge im Jahr produziert Bimobil.

Begonnen hat alles im München der 1970er Jahre. Der Maschinenbau-Student Raimund von Liebe - Christners Onkel - bastelte aus zwei beschädigten VW-Bussen einen funktionsfähigen zusammen, um mit seiner Freundin zu verreisen. Nach dem Studium, erzählt Stefan Christner, habe von Liebe einen Job beim TÜV angenommen und schnell gemerkt, dass das nicht seine Arbeitswelt war. "Er wollte etwas schaffen", so Christner. "Wenn er eine Idee hat, wird die auch umgesetzt." Wie so viele machte Raimund von Liebe schließlich sein Hobby zum Beruf, gründete 1977 die Firma von Liebe Wohnmobile und baute fortan in einem kleinen Zuschneidebetrieb in Höhenkirchen VW-Busse aus. Bald hatte er einen, dann weitere Mitarbeiter, das Geschäft mit den fahrbaren Wohnungen boomte. Im Jahr 1988 zog das Unternehmen ins Gewerbegebiet nach Oberpframmern, wo Büro, Ausstellungshalle und Werkstatt unter einem Dach untergebracht waren.

2003 stieg dann Stefan Christner mit ein ins Geschäft. Ursprünglich ist er Flugversuchs-Ingenieur, arbeitete bei Testflügen mit Testpiloten zusammen. Die Idee, in der Firma seines Onkels zu arbeiten, habe ihm schon immer gefallen, erzählt Christner. Schon während des Studiums reist er viel, ist mit Zelt und Rucksack unterwegs. In der Firma seines Onkels kann er seiner Leidenschaft Raum geben. Dieser will sich künftig auf die Neuentwicklung konzentrieren, das Standardgeschäft abgeben. Anfangs ist Christner für die Technik zuständig, merkt aber schnell, dass ihm der Vertrieb viel mehr liegt. 2017 übernimmt Christner mit seiner Frau Sabine Rentsch das Unternehmen von seinem Onkel Raimund von Liebe, der nun in Bad Aibling wohnt und immer noch als Bastler in seiner Werkstatt unterwegs ist. Mittlerweile hat das Unternehmen mehr als 70 Mitarbeiter, zwei Werkhallen und eine Ausstellungshalle; derzeit wird eine weitere Service-Halle errichtet. Die Basis-Fahrzeuge werden von Automobil-Herstellern wie Toyota, Mercedes oder Iveco geliefert und in Oberpframmern dann mit der selbst produzierten Kabine und deren gesamter Innenausstattung bestückt.

Die meisten Bimobil-Käufer stammen aus Deutschland oder der Schweiz, derzeit wartet aber auch beispielsweise ein mongolischer Käufer auf sein Fahrzeug. "Unsere Kunden haben alle gemeinsam, dass sie aktive Reisende sind", sagt Christner. "Entweder waren sie mit dem Rad, dem Motorrad oder einfach nur mit dem Rucksack unterwegs." Diesen Virus, erklärt er und meint damit ausnahmsweise den Reisevirus und keinen anderen, den werde man nicht mehr los. Meistens seien es ältere Menschen auf dem Endspurt vor der Pensionierung, die sich ein komfortables Reisefahrzeug anschaffen wollen. Leute, die gut verdient haben, sagt Christner. "Sie müssen nicht nur das Geld für das Auto haben, sondern sich auch die Zeit zum Reisen leisten können."

Seit einigen Jahren lässt sich nun auch immer häufiger eine weitere Käufergruppe von Christner und seinen Mitarbeitern beraten: die Generation Erben. "Ich habe diesen Trend schon länger in der Schweiz beobachtet, jetzt kommt er zu uns", erklärt Christner. Menschen Mitte, Ende 30, die auf Grund eines hohen Familienvermögens keine Miete zahlen müssen und deshalb in den vergangenen Jahren einen großen Teil ihrer Einkünfte zur Seite legen konnten. "Bevor ihre Kinder in die Schule kommen, machen viele ein Sabbatical", sagt Christner. Bei der Beratung komme es auf die individuellen Reisepläne der Kunden an: Jemand, der in ein Südland fährt, braucht etwa eine Klimaanlage; ein Nord-Reisender sollte sich Gedanken über eine zweite Heizung machen. Richtig teuer wird es für Weltreisende, die dann beides brauchen.

Was er selbst für ein Reisender sei? Stefan Christner überlegt nicht lange. "Norden", sagt er knapp. Erst im vergangenen Jahre waren seine Frau und er mit ihren Wolfshunden vier Wochen in Russland unterwegs, auf Offroad-Strecken zwischen Murmansk und Sankt Petersburg. "Fantastisches Reiseziele", findet Christner. Gerne ist er auch in den skandinavischen Ländern unterwegs. Bis auf Norwegen - denn dort sind Wolfshunde verboten.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2020
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