Süddeutsche Zeitung

Nominiert für den Tassilo:Das musikalische Erbe lebendig erhalten

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Seit zehn Jahren holt der Pianist Oliver Triendl für den Kulturverein Zorneding-Baldham Spitzen-Ensembles, junge Talente und zeitgenössische Musik in den Martinstadl.

Von Rita Baedeker

Von Rita Baedeker

Ebersberg - Die erste Nachricht auf die Anfrage zum Interviewtermin kommt aus Amsterdam, die nächste aus Paris, die letzte aus Triest. In den Niederlanden hat Oliver Triendl eine CD aufgenommen, in Triest ein Konzert gespielt. Das Zuhause des 44-jährigen Pianisten ist seit einem Jahr in Ebersberg - wo er nicht so selten anzutreffen ist, wie man das aufgrund des Konzertkalenders glauben könnte. "Es gibt Tage, da denkt sich der Briefträger wahrscheinlich, ich hänge nur rum", sagt Triendl.

Reisen bedeutet für ihn Genuss, weil er sich auf der ganzen Welt zu Hause fühlt, weil er als Kammermusiker überall Freunde hat, stets "in bester Gesellschaft" ist, wie er sagt, und weil er nun einmal der Typ ist, der sich leicht anpasst an Zeitverschiebung, Klimaänderung, an neue Gegebenheiten, an Konzerthäuser und -flügel. "Von dem Moment an, in dem ich in den Zug oder ins Flugzeug steige, bin ich entspannt, denn da kann ich nichts mehr tun."

Spannend ist es eher daheim. Da spielt er, bereitet sich auf Konzerte vor und konzipiert Programme für den Kulturverein Zorneding-Baldham, dessen künstlerischer Leiter er ist. Weil Triendl sein weltumspannendes Netzwerk dazu nutzt, Jahr für Jahr renommierte Kammermusikensembles, talentierte Nachwuchsmusiker und spannende zeitgenössische Musik in den Zornedinger Martinstadl zu holen, wurde er für einen Tassilopreis der SZ nominiert.

Eingefädelt hat Triendls Engagement der ehemalige Vorsitzende des Kulturvereins, Heinz Küspert. Einer von Triendls ersten Konzertauftritten fand in Straubing statt, in der Nähe seines Heimatorts Mallersdorf. Anlass war der runde Geburtstag eines Sparkassendirektors, der, so erzählt Triendl, junge Musiker förderte. Zu diesem Konzert sei auch Küspert eingeladen gewesen. "Bei dieser Gelegenheit wurde er auf mich aufmerksam", berichtet Triendl.

Viele Jahre später, als es um ein Gastkonzert Triendls in Zorneding ging, habe Küspert ihn gefragt, ob er künftig die Planung des Programms übernehmen wolle. "2003/2004 war meine erste Saison", sagt Triendl. Der Kulturverein, das sei für ihn ein "gemachtes Nest" gewesen. Er müsse sich zwar im gegebenen Budgetrahmen bewegen, aber der Abonnentenstamm war da, "ich leg da alles rein, was ich kann." Das ist eine ganze Menge. Triendl, der als gefragter Pianist und Kammermusiker die Besten der Zunft kennt, will aber Zorneding nicht zum Podium der Stars machen, wie er sagt. "Wenn ein Zuckerl dabei ist, schön, aber ich suche lieber abseits des Mount Everests, ich möchte die ganze Vielfalt unseres musikalischen Erbes abdecken." Kein "Volkshochschulprogramm", sondern Ort der Begegnung solle ein Kammermusikabend sein. Der Martinstadl, in dem Bühne und Publikum einander sehr nahe sind, ist dafür wie geschaffen. Künstler lernen einander kennen, Besucher treffen Musiker in der Pause, stellen Fragen, schauen sich Instrumente und Partitur an. Er sei stets sehr zufrieden, wenn er sehe, dass die Leute nicht übers Wetter und die Politik, sondern über die Aufführung diskutieren. "Man ist nah dran an den Künstlern und sieht: Das sind keine schrecklichen Biester", sagt Triendl und lacht.

Es kommt vor, dass bei einem zeitgenössischen Stück, einer Uraufführung der Komponist anwesend ist und über sein Werk spricht. Musik hat hier nichts Elitäres. "Wenn Instrumente wie Saxofon, Schlagzeug oder Bandoneon dabei sind", sagt Triendl, "sitzen viele jüngere Leute im Saal." Und die erleben dann, dass klassische Musik kein Museum ist, dass auch all die jungen Musiker, die verteufelt gut Violine oder Querflöte spielen, nicht von gestern sind. Mit viel Engagement schöpft Triendl aus dem Vollen des musikalischen Reigens, beschreitet neue Wege. Zuhörer aller Generationen schätzen das.

Der Verein lässt ihm da freie Hand. "Das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun", sagt Triendl. Auch mit dem Vertrauen von Seiten des Publikums. Ein Mensch, dem man vertraut, der darf auch mal aus dem Gewohnten ausscheren und Überraschendes präsentieren, in seinem Fall zeitgenössische Musik, Uraufführungen, Musik aus aller Welt, Schräges, Buntes. Erlebnis statt Berieselung, das ist, was Triendl vermitteln will, wenn er zum Beispiel Werke verschiedener Epochen und Komponisten zueinander in Beziehung setzt oder durch seine Programmauswahl die Kontinuität einer musikalischen Gattung betont.

Zuweilen sitzt er bei Konzerten im Landkreis selber am Klavier. Seine liebste Musik, sagt er, sei die, die gerade auf dem Notenpult liege, dabei sei es egal, ob dieses Pult in Paris oder Zorneding stehe. Gegenüber Paris hat Zorneding allerdings einen Pluspunkt: Es bietet ihm eine vertraute, familiäre Atmosphäre. "Ich kenne dort viele Gesichter. Bei Konzerten komme ich aus dem Grüß-Gott-Sagen nicht heraus."

Seine Mission als künstlerischer Leiter sieht er darin, das reiche musikalische Erbe am Leben zu erhalten. Die Lebendigkeit ist es, die als Motto über seiner Vereinsarbeit stehen könnte. "Solange ich den Eindruck von Frische habe, ist mir die Arbeit für den Kulturverein eine Freude."

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Quelle:
SZ vom 24.05.2014
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