Kultur im Landkreis:Künstlerisches Multitalent

Kultur im Landkreis: Auch als versierte Musikerin studiert Nirit Sommerfeld immer wieder ihr aktuelles Konzertprogramm.

Auch als versierte Musikerin studiert Nirit Sommerfeld immer wieder ihr aktuelles Konzertprogramm.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nirit Sommerfeld ist im Landkreis vor allem als Musikerin bekannt. Doch sie macht viel mehr - so produziert sie darüber hinaus Videos und ein Schreibprojekt ist auch in der Pipeline. Am 2. März sind sie und das "Orchester Shlomo Geistreich" im Alten Kino Ebersberg zu sehen und hören.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Kalt ist es draußen, an diesem unwirtlichen Februarmittag. Daher ist der Tee mit frischem Ingwer und Zitrone hochwillkommen, den die Hausherrin in der mollig warmen Küche am blank gescheuerten Holztisch serviert. Was aber vor allem guttut, ist das Lächeln, mit dem man von Nirit Sommerfeld begrüßt wird. Es fühlt sich an wie eine warme Umarmung und zwar immer - egal, ob die Künstlerin ihr Publikum beim Auftritt begrüßt oder die Reporterin an der Haustür. Diese Frau gibt jedem das Gefühl, wirklich willkommen zu sein. Das ist ihr Markenzeichen - und das macht ein Gespräch mit ihr leicht, auch wenn es um schwere und traurige Themen geht. Doch davon später mehr.

Denn der Anlass für das Treffen ist in erster Linie ein sehr schöner: Zur Freude der vielen Fans im Landkreis kommt die Vollblutmusikerin endlich wieder ins Alte Kino nach Ebersberg. Am Donnerstag, den 2. März, präsentiert sie dort zusammen mit dem Orchester Shlomo Geistreich ihr Programm "Nicht ganz kosher!".

Im vergangenen Jahr hat sich die Musikerin einem Buchprojekt gewidmet

Der Auftritt ist seit längerer Zeit der erste, da sich Sommerfeld im vergangenen Jahr eine Auszeit genommen hatte, um an einem Romanprojekt zu arbeiten. Die Details sind noch nicht spruchreif, darum möchte sie darüber noch nichts verraten. Umso lieber geht sie aber auf den Prozess des Schreibens ein, der sie immer wieder überrascht hat.

"Ich hätte nie erwartet, trotz eines relativ klaren Konzepts von meinen Figuren und ihrer Entwicklung so überrascht zu werden", gibt die 61-Jährige zu Protokoll. Zwar verfasst sie seit Jahrzehnten Bühnenprogramme und seit 2015 immer länger werdende Blogtexte, zuletzt in Form von "Briefen" an jene, die ihren Newsletter abonniert haben. Aber ein ganzes Buch, noch dazu fiktiv, das ist eine ganz neue Erfahrung. Eine so schöne, dass sie sagt: " Je älter ich werde, umso mehr wird das Schreiben mein Medium."

Kultur im Landkreis: Sie hat viele Talente - beim Schreiben faszinieren sie die ungeplanten Entwicklungen ihrer Figuren.

Sie hat viele Talente - beim Schreiben faszinieren sie die ungeplanten Entwicklungen ihrer Figuren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lebhaft erinnert sie sich an jene Nacht in der einsamen Hütte im Bayerischen Wald, in die sie sich für ihre Schreibklausur zurückgezogen hatte. "Morgens um drei schreckte ich aus dem Schlaf und wusste plötzlich ganz genau, dass eine meiner Figuren einen Abschiedsbrief an seine Geliebte schreiben musste." Auch eine andere Szene wird sie nicht vergessen, nahm diese doch auf einmal eine so unerwartete Wendung, dass es am Ende einen Toten gab. Alles nicht geplant.

Überhaupt lässt sich Nirit Sommerfeld oft von den Dingen inspirieren, die sie umgeben, und nimmt Gelegenheiten wahr, die sich plötzlich auftun. So ist im Prinzip auch die Basis des Videos entstanden, das sie Anfang 2023 auf ihrem Blog veröffentlicht hat. Es besitzt nicht nur eine ganz große Bedeutung für sie selbst, sondern sorgt auch für extrem viel Resonanz. "Die Menschen sind berührt und wünschen sich, dass ich diese Arbeit fortsetze." In "Say Their Names" geht es um im Jahr 2022 getötete palästinensische Kinder und Jugendliche, gefunden auf der Israel-Palestine Timeline.

Die Fotos der Opfer allerdings liegen über einer Szene, die gegensätzlicher nicht sein könnte: Fußball spielende Jugendliche auf einem Schulhof in Jerusalem. Einer Szene, herausgegriffen mitten aus dem Leben, wie es jeden Tag stattfindet: Hier hört man den Muezzin, dort fährt ein Bus vorbei, ein Auto hupt - und unbekümmerte Kinder treiben Sport. "Man muss sich die Frage stellen, was läuft schief, dass sie nicht friedlich zusammenleben können?"

Für einige Zeit lebte Sommerfeld selbst in Israel - ihr persönlicher Sehnsuchtsort

Das ist, was Sommerfeld beschäftigt, seitdem sie von 2007 bis 2009 selbst in Israel gelebt hatte, jenem Land, das ihr ganzes Leben lang ihr persönlicher Sehnsuchtsort gewesen war. Die Realität vor Ort allerdings machte diesen Traum zunichte, weswegen sie wieder nach Oberbayern zurückkehrte, wo sie aufgewachsen war. Nach Israel allerdings reist Sommerfeld nach wie vor regelmäßig.

Bei einer solchen Gelegenheit sah sie durch Zufall die Gruppe durch den von Blumenmuster durchbrochenen Zaun und zog das Handy aus der Tasche. "Da war noch gar keine Rede von dem Filmprojekt, ich hatte keine Ahnung, wofür ich es brauchen würde. Aber das mache ich oft: Lange Einstellungen filmen und dann warten, was kommt."

Die Fahrt war jedoch weder privater noch touristischer Natur, sondern ein Auftrag. Die Israelkennerin wird regelmäßig von Gruppen und einzelnen Meinungsmachern für Begegnungs-, Aufklärungs- und Bildungsreisen gebucht. Seinerzeit war sie unterwegs mit Autor Daniel Speck, der in "Terra Mediterranea" auch die kulinarischen Aspekte der unterschiedlichen Schauplätze seiner Trilogie zusammenfließen lassen wollte.

Kultur im Landkreis: Nicht nur hat sie die Recherchereise von Daniel Speck als Facilitator begleitet - bei der Entstehung dieses Fotos von 'Qatayef' (Süße Teigtaschen) war sie aktiv beteiligt.

Nicht nur hat sie die Recherchereise von Daniel Speck als Facilitator begleitet - bei der Entstehung dieses Fotos von 'Qatayef' (Süße Teigtaschen) war sie aktiv beteiligt.

(Foto: Michaela Pelz)

"Ich war Organisatorin, Reiseleiterin, Dolmetscherin oder kurzum Facilitator, also: 'Mädchen für alles', aber das klingt nicht so nett", fasst sie die vielfältigen Aufgaben lachend zusammen. Beim Arrangement für das Foto ihres Lieblingsrezepts "Qatayef" (Süße Teigtaschen) war sie sogar aktiv beteiligt. Zudem hat das Thema auch ganz viel mit der privaten Nirit Sommerfeld zu tun, denn sie kocht und backt für ihr Leben gern, liebt es, Gastgeberin zu sein. "Mein Herz schlägt für die Gastronomie," verrät die Frau, die bis zu ihrem achten Lebensjahr als "Hotellerie-Kind" aufgewachsen ist - zuletzt in einer Hotelanlage in Kenia, geleitet von ihrem Vater.

Während der Pandemie hat sie sogar eine Zeitlang in einem Restaurant gekocht, war für die vegetarischen und veganen Vorspeisen zuständig. Doch weil sie weiß, wie anstrengend dieses Geschäft ist, wird die Idee, irgendwann selbst einmal ein eigenes Lokal zu haben, sicher ein Traum bleiben. Außerdem gibt es zu viele andere Dinge, die die Allrounderin sonst noch bewegen. Sie will künstlerisch umsetzen, was sie zu sagen hat. Will auch mit denen im Gespräch bleiben, die anderer Meinung sind.

Darüber hinaus gibt die quirlige Grafingerin neben ihrer Arbeit als Musikerin und Autorin auch Kurse für Bühnenpräsenz. "Das Schönste daran ist, das Potenzial aus den Leuten zu holen. Sie wegzubringen von aufgesetzten Gesten und Mimik." Sie selbst in Aktion erleben kann man demnächst in Ebersberg, wenn sie mit ihrer Band auf der Bühne steht.

Kultur im Landkreis: Nirit Sommerfeld mit ihrem "Orchester Shlomo Geistreich".

Nirit Sommerfeld mit ihrem "Orchester Shlomo Geistreich".

(Foto: Jens Heilmann/Veranstalter(oh))

Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, habe doch die Corona-Zeit "Wunden hinterlassen". Nach dem komplett ausverkauften Jubiläumskonzert im Gasteig (Oktober 2019) hatte sie für Weihnachten 2021 das Prinzregententheater gemietet. Nicht ahnend, dass es drei Monate später eine Pandemie geben würde. Was folgte, war eine Achterbahnfahrt der Gefühle und Organisation. "Erst sah alles gut aus, dann stellte sich heraus, dass das 1000 Plätze fassende Theater nur zu einem Viertel besetzt werden durfte. Im Endeffekt also ein finanzielles Fiasko."

Kultur im Landkreis: Auch wenn sie Großvater Julius Sommerfeld nie kennengelernt hat, weil er lange vor ihrer Geburt im KZ Sachsenhausen ermordet wurde, hat dieser Mann große Bedeutung für die Künstlerin.

Auch wenn sie Großvater Julius Sommerfeld nie kennengelernt hat, weil er lange vor ihrer Geburt im KZ Sachsenhausen ermordet wurde, hat dieser Mann große Bedeutung für die Künstlerin.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch Sommerfeld ist von Natur aus Optimistin, mit der Devise: Ich bereue nichts. Darum findet sie auch in diesem Auftritt etwas Gutes, hat er doch zur Produktion einer DVD von "Jiddische Weihnacht" geführt. Jenem Programm, das sie Großvater Julius gewidmet hat, der 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet wurde. Vielleicht wird man ja den einen oder anderen der berührenden Texte auch auf der Bühne des Alten Kinos hören. In jedem Fall wird Nirit Sommerfeld dort moderieren, singen, lesen und auch Kostproben ihrer Schauspielkunst zum Besten geben.

Am Ende, während draußen die Dunkelheit schon fast hereingebrochen ist, muss in der heimeligen Küche unbedingt noch eine Frage gestellt werden: In Anbetracht der Tatsache, dass Nirit Sommerfelds Blog "Kultur, Politik, und gutes Leben" heißt: Was macht ein solch "gutes Leben" aus? Die Antwort kommt mit unverändert strahlendem und warmem Lächeln: "Friede, Freundlichkeit und eine gesunde Umwelt. Mehr Vertrauen und die Fähigkeit, auch mal Widersprüche auszuhalten und stehenzulassen. Das kann man im Nahen Osten lernen."

Nirit Sommerfeld & das "Orchester Shlomo Geistreich" am Donnerstag, 2. März, im Ebersberger Alten Kino, Beginn ist um 20.30. Tickets gibt es im Vorverkauf ab 18 Euro auf der Website des Alten Kinos oder unter Telefon (08092) 2559205.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKultur im Landkreis
:"Bei mir soll jeder eine gute Zeit haben"

Nachdem vor zwei Jahren seine geplante Tour wegen Corona ausgefallen ist, wird sie eben jetzt nachgeholt: Von Mai an ist "Monaco F" mit seinem bairischen Mundart-Rap unterwegs, die erste Station ist im Glonner Marktblick. Ein Gespräch über kleine Inseln und ein Telefonat mit der Druckerei.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: