Nicht zum Prozess erschienen:"Reichsbürger" auf der Flucht

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Amtsgericht Ebersberg erlässt Haftbefehl gegen 53-Jährigen, der einen Polizisten angefahren hat

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Zur nächsten Verhandlung wird der 53-Jährige wohl mit einem Streifenwagen am Amtsgericht vorfahren. (Foto: Christian Endt)

Wer mit dem Auto fahren möchte, braucht einen Führerschein, so weit, so bekannt. Aber der sollte auch von einer richtigen Führerscheinstelle stammen und nicht selbstgemacht sein. Doch genau ein solcher selbstgebastelter Schein hat einen 53-Jährigen aus dem Raum Passau nun auf die Fahndungsliste der Polizei gebracht.

Die Geschichte begann vor ein paar Jahren in Pliening, genauer im Ortsteil Landsham. Denn, was viele nicht wissen, dort liegt der unabhängige "Bundesstaat Bayern" - jedenfalls in der Vorstellung der Bewohner eines Hauses in dem Ort. Dieses hatten sie vor einiger Zeit zum unabhängigen Staat erklärt, ob aus Überzeugung oder Geschäftemacherei, ist nicht ganz klar.

Mit ihren "Dokumenten" verdienen die Fälscher viel Geld

Denn zwar klingt der "Bundesstaat" - dessen Bewohner auch mehrmals versuchten, beim Passamt der Gemeinde Pliening ihre Ausweise zurückzugeben - nach einem klassischen "Reichsbürger"-Projekt. Andererseits hatten sich die Plieninger "Bundesstaatler" damit auch eine lukrative Einnahmequelle erschlossen: Sie produzierten und verkauften "Staatsangehörigkeitsausweise" ihres Fantasielandes und stellten auf dessen Namen Führerscheine aus. Gut 50 Euro pro "Dokument" wechselten dabei den Besitzer und das offenbar nicht selten: Bei zwei Hausdurchsuchungen im Jahr 2017 stellte die Polizei jedes Mal größere Bargeldbestände sicher.

Auch ein 53-Jähriger aus der Gegend um Passau hatte sich in Pliening mit "Ausweispapieren" eingedeckt, die er bei einer Verkehrskontrolle vorzeigte - was ihm eine Anzeige wegen Urkundenfälschung und Amtsanmaßung einbrachte, sowie wegen Fahrens ohne Führerschein. Denn seinen echten Führerschein hatte das Landratsamt Passau 2017 einkassiert. Das Ebersberger Amtsgericht verurteilte den Mann in einer turbulenten Verhandlung - der Angeklagte erklärte, da er "Staatsangehöriger" des "Bundesstaates Bayern" sei, sei das Gericht für ihn nicht zuständig - zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 80 Euro.

Der Polizist wurde am Unterarm verletzt

Damit hätte die Sache erledigt sein können, doch der frisch Verurteilte stieg nach der Verhandlung in sein am Volksfestplatz geparktes Auto und wollte sich damit auf den Heimweg machen. Was man seitens der Polizei damals wohl für nicht ganz ausgeschlossen hielt: Er wurde nämlich von Zivilbeamten der Ebersberger Inspektion dabei beobachtet. Diese forderten ihn daraufhin zum Anhalten auf, ein Polizist versuchte noch durch das offene Autofenster den Schlüssel abzuziehen. Was der 53-Jährige indes dadurch verhinderte, dass er Vollgas gab und davonfuhr, wodurch der Polizist am Unterarm verletzt wurde.

Weit kam der Flüchtige indes nicht, eine Polizeistreife stoppte ihn bei Fischbach an der Landkreisgrenze zwischen Rosenheim und Mühldorf. In der Folge wurde nicht nur das Auto des 53-Jährigen beschlagnahmt, sondern dieser erneut angezeigt, neben Fahrens ohne Führerschein diesmal auch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Körperverletzung.

Wegen des ungebührlichen Verhaltens des Passauers beim vergangenen Prozess hatte das Amtsgericht diesmal Vorsorge ergriffen. So war eine strenge Einlasskontrolle verfügt und das Mitbringen von Handys untersagt worden, außerdem nahmen - neben den vier als Zeugen geladenen Polizisten - zwei weitere zur Sicherheit im Saal Platz. Nur wer nicht kam, war der Angeklagte. Was ihm eine Verhandlung aber nicht erspart - das Gericht erließ nämlich Haftbefehl. Zum nächsten Termin wird der Mann daher in einem Fahrzeug des Freistaates Bayern anreisen - des echten diesmal, und einen Führerschein braucht er dazu auch nicht.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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