Neues Portal "Topf Secret":Transparenz in Küchen und Backstuben

Küche des "Tantris" in München, 2013

Bei jeder vierten Hygienekontrolle gibt es Beanstandungen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Berichte von Lebensmittel- und Hygienekontrollen können jetzt einfach per Mausklick angefordert werden. Das nutzen auch im Landkreis viele - und freut nicht jeden

Von Jonas Wengert, Ebersberg

Die Ebersberger sind offenbar interessiert daran, wie es in Küchen, Backstuben oder Metzgereien im Landkreis zugeht. Über das Online-Portal "Topf Secret" haben von Mitte Januar bis Mitte Februar 45 Interessierte beim Landratsamt aktuelle Berichte von Lebensmittel- und Hygienekontrollen angefordert, den größten Ansturm gab es in den ersten zwei Wochen.

Als Reaktion auf die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre hat der Verein Foodwatch in Zusammenarbeit mit der Webseite "fragdenstaat.de" die Online-Plattform "Topf Secret" entwickelt. Auf einer virtuellen Landkarte sind Betriebe wie Restaurants, Bäckereien oder Supermärkte vermerkt. Nach der Auswahl generiert die Plattform ein formell korrektes Anschreiben an die zuständige Behörde. Als zusätzliche Angaben des Antragsstellers sind lediglich Name, Mailkontakt sowie eine Postadresse erforderlich, an welche die Berichte letztendlich geschickt werden. Seit Mitte Januar stellt Foodwatch die Funktion zur Verfügung.

Doch wer das Portal nutzt, muss etwas Geduld beweisen. Im Landratsamt Ebersberg etwa kann nach Angaben von Sprecherin Evelyn Schwaiger eine Bearbeitung bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Neben der Antragsprüfung werde auch der betroffene Betrieb über die Anfrage informiert und bekomme die Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Die Übermittlung der Prüfberichte könne aber nicht verhindert werden.

"Seit 2008 ist im Verbraucherinformationsgesetz gereget, dass Kontrollergebnisse öffentlich zugänglich sein müssen, nur weiß das niemand", sagt Andreas Winkler, Pressesprecher von Foodwatch. Mit "Topf Secret" sei an diesem Punkt nun eine einfache Möglichkeit geschaffen worden. "Amtliche Behörden beanstanden jede vierte Kontrolle", so Winkler. Kunden müssten wissen, wo sie bedenkenlos essen und einkaufen können.

Franz Schwaiger ist Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands in Ebersberg und zeichnet folgendes Szenario: Eine Wurstschneidemaschine wird nach Ende des Frühstücks um 10.30 Uhr nicht mehr benutzt, jedoch erst um 12 Uhr zusammen mit anderen Gegenständen vollständig zerlegt und gereinigt. Sollte in der Zwischenzeit eine Hygienekontrolle erfolgen, zöge das eine Beanstandung nach sich. Er habe nichts dagegen, wenn Berichte öffentlich gemacht würden, so Schwaiger. "Bei den Kontrollen handelt es sich um ein transparentes System. Es ist für die Kunden da." Auch in diesem Fall wäre die Beanstandung gerechtfertigt, nur stünde sie eben nicht mehr in direktem Zusammenhang mit der Verarbeitung von Lebensmitteln. Es sei daher wichtig, dass Betriebe die Möglichkeit haben, sich zu äußern. "Grobe Verfehlungen gehören an den Pranger gestellt", sagt Schwaiger, nur sei Mangel eben nicht gleich Mangel.

Generell kritisch beurteilt er hingegen den Aufruf von Foodwatch, wonach Antragssteller die an sie geschickten Berichte online stellen sollen: "Wer haftet für gefälschte Berichte?" Foodwatch entgegnet, dass es sich bei der Plattform eben gerade nicht um private oder anonyme Beurteilungen handle, sondern es einzig um offizielle amtliche Prüfungen gehe. Man räumt jedoch ein, dass einzelne negative Stichproben das Bild verzerren könnten. "Es ist nicht optimal", sagt Winkler, "wir streben deshalb eine Regelung wie in Dänemark an. Dort veröffentlichen Betriebe die letzten vier Kontrollberichte direkt an der Ladentür." Bis dahin sei die jetzige Plattform "Notwehr". Winkler meint, dass die vielen Veröffentlichungen auch der großen Mehrheit zu Gute kämen, die sich an alle Vorgaben halte. Insgesamt wurden bisher knapp 20 000 Berichte über "Topf Secret" beantragt.

Auch Metzger Peter Heimann sieht in der Veröffentlichung im Internet ein Problem. "Selbst wenn die Mängel in der Zwischenzeit längt behoben sind, wird ein negativer Bericht dort nie wieder gelöscht", so der Obermeister der Metzgerinnung Ebersberg. Der Vorschlag, eine Anzahl aktueller Berichte dauerhaft zu veröffentlichen sei zu überdenken. Damit bekämen die Kunden einen Überblick und nicht nur eine Stichprobe. "Wir haben nichts zu verbergen", so Heimann. Er stört sich an dem Generalverdacht, der bei "Topf-Secret" in seinen Augen mitschwingt. Wenn Mängel auftreten, würden diese selbstverständlich abgearbeitet und das Ergebnis den Behörden übermittel. Schließlich wolle man den Ansprüchen der Kunden gerecht werden.

Speziell auf seine Branche bezogen, geht Martin Rieger, Obermeister der Bäckerinnung Ebersberg, mit "Topf Secret" hart ins Gericht. "Der Vorsatz von Foodwatch ist, mehr Transparenz zu erzeugen - bei uns ist das Gegenteil ist der Fall", kritisiert Rieger. Handwerker die in ihren Bäckereien produzieren, würden kontrolliert, deutsche Lebensmittelkontrolleure könnten jedoch nicht die Produktion von Teiglingen in Osteuropa oder China überwachen, die teilweise in hiesigen Backshops verkauft würden. "Da werden Äpfel mit Birnen verglichen", sagt Rieger. Die größten Hygienerisiken gebe es nun einmal in der Produktion.

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