Neues Angebot gegen die Sucht:Willkommen im Behandlungszimmer

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Eröffnung mit (v. links) Gabriele Althammer-Radan, Lena Müller-Lorenz, Ursula Sponar, Ulrich Schneider, Emanuel Fendl, Ulrich Zimmermann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zwei Jahre nach Inbetriebnahme einer Ambulanz für Drogenersatztherapien gibt es bei der Caritas in Grafing nun eigene Räume für die Betreuung der Patienten. Bei der Eröffnungsfeier zeigen Kollegen ihre Anerkennung

Von Johanna Feckl, Grafing/Haar

Gabriele Althammer-Radan hält einen Bericht in die Höhe. Genau dort, so erzählt die Geschäftsführerin des Ebersberger Caritas-Zentrums und Fachdienstleiterin im Bereich Suchterkrankungen, sei ein Wunsch zum ersten Mal schriftlich aufgetaucht: Die Behandlung von drogenabhängigen Menschen mit Ersatzstoffen - Substitutions- oder Drogenersatztherapien nennt sich so etwas - sollte auch im Landkreis Ebersberg möglich sein. Der Bericht stammt aus dem Jahr 2000. Mittlerweile hat sich ein kleines Netz an substituierenden Arztpraxen etabliert. Und sogar mehr: Bereits seit 2018 betreibt die Caritas zusammen mit der Haarer Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie eine Substitutionsambulanz in Grafing. Am Donnerstag nun wurden dafür die eigenen Räume eingeweiht. Mit etwa 35 geladenen Gästen war der Vortragsraum in der Ambulanz fast bis zum letzten Platz besetzt.

Das Konzept einer Drogenersatztherapie sieht folgendermaßen aus: Unter ärztlicher Aufsicht erhalten Menschen, die schwer abhängig von Opiaten oder Opioiden sind - meistens ist es Heroin - einen Ersatzstoff, wie Methadon, Polamidon oder Buprenorphin. Welches Mittel zum Einsatz kommt, hängt vom bisherigen Suchtverlauf und -mittel ab. In jedem Fall stillt der Ersatzstoff, das Substitut, das körperliche Verlangen nach der Droge, von der ein Betroffener abhängig ist, allerdings ohne Rauscheffekt. Verpflichtend für jeden Patienten einer solchen Therapie ist eine psychosoziale Begleitung (PSB) durch Wohlfahrtsvereine. Im Landkreis Ebersberg ist dafür die Caritas zuständig.

Die Versorgungslage für Betroffene war im Grunde genommen schon immer schwierig. Das wird deutlich, als Althammer-Radan bei der Eröffnungsfeier von den Anfängen der Substitutionstherapien berichtet. Als die Behandlungsmöglichkeit vor gut 20 Jahren in Bayern eingeführt wurde, habe sich die Ebersberger Caritas sehr bemüht, ein Versorgungsnetz aufzubauen. Sie hätten alle niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen im Landkreis angeschrieben und gefragt, ob sie künftig Betroffene substituieren würden, so Althammer-Radan. Es habe bis zum Jahr 2003 gedauert, bis zwei Ärzte die Erlaubnis für Substitutionsbehandlungen hatten und diese auch anbieten konnten. "Heute würde ich sagen: Das war ein Meilenstein."

Mit den Jahren wurden es immer mehr Patienten, die mit Ersatzstoffen ihre Drogenabhängigkeit in den Griff bekommen wollten. Nur die Zahl an behandelnden Ärzten sei nicht im selben Maße gewachsen, so Althammer-Radan. 2015 war es dann soweit, die Caritas-Chefin hat diese Zeit als "dramatisch" in Erinnerung: "Wir wussten, dass uns spätestens ab 2018 drei Ärzte fehlen, weil die dann in Rente gehen." Ihr Team unternahm große Anstrengungen, um Ersatz zu finden. Vergeblich. "Es sah so aus, als ob ab 2018 die medizinische Betreuung unserer Klientel nicht mehr gewährleistet sein wird." Bis es zu ersten Gesprächen mit der Haarer Klinik kam.

Man war sich einig, für eine Substitutionsambulanz zusammenarbeiten zu wollen. Durchaus eine positive Entwicklung für Betroffene, wie Klinik-Chef Ulrich Zimmerman bei der Feier betont. Denn die meisten Patienten würden neben ihrer Drogensucht auch an weiteren, psychiatrischen Erkrankungen leiden. Deshalb könne es ein Vorteil sein, wenn der behandelnde Arzt ein Psychiater ist. Und das sei in Grafing der Fall: Dort versorgt Ulrich Schneider aus dem Ärzteteam der Haarer Klinik die Betroffenen.

Bereits die vergangenen zwei Jahre kam Schneider zu den Vergabezeiten von Haar nach Grafing, sagt Lena Müller-Lorenz, die bei der Caritas federführend für die Substitutionsambulanz zuständig ist. Einen richtigen Behandlungsraum habe es jedoch nicht gegeben. Kein Platz. Die Patienten habe Ulrich Schneider deshalb in einem der Besprechungsräume empfangen. Nicht unbedingt ideal. Aber selbst unter diesen Umständen sei die Ambulanz erfolgreich gewesen, so Müller-Lorenz.

Denn Fallbesprechungen mit niedergelassenen Medizinern seien oft schwierig zu koordinieren gewesen. Klar, denn diese Ärzte behandeln ja nicht nur Substitutionspatienten. "Unsere Wege jetzt sind kurz", erklärt Müller-Lorenz. Wenn Schneider einen der mittlerweile 15 Patienten empfange, sind die Caritas-Mitarbeiter gleich nebenan. Und nun, mit den eigenen Räumen und einem richtigen Behandlungszimmer im Neubau des Caritas-Hauses ist die Ambulanz als solche auch tatsächlich sichtbar.

"Wir würden auch gerne so etwas haben." Das sagt eine Frau aus dem Publikum. Sie kommt von einem Caritas-Zentrum aus der Region. "Aber bei uns gibt es nun mal keine Suchtklinik." Eine Nähe zwischen Klinik und Ambulanz ist laut Klinik-Chef Zimmermann nämlich notwendig. Andernfalls würde das Konzept nicht funktionieren, dass ein Arzt zwischen zwei Orten pendelt, so wie es bei Ulrich Schneider mit Grafing und Haar der Fall ist.

Interessierte an einer Behandlung in der Substitutionsambulanz wenden sich an Lena Müller-Lorenz unter der Telefonnummer (08092) 232 41-50.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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