Süddeutsche Zeitung

Neue Reihe:Kultur auf Rezept

Die Kirchseeoner Architektin und Hobby-Schauspielerin Sybille Fuchs veranstaltet in einer ehemaligen Arztpraxis in Ebersberg erstmals eine eigene Programmreihe

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Frühling wird es, da zieht es die Menschen ins Freie - einige davon auch ins Sprechzimmer. Heuschnupfen und Halskratzen heißen die üblichen Verdächtigen. Nächste Woche gibt es in Ebersberg aber noch einen weiteren Grund, eine - ehemalige - Arztpraxis aufzusuchen: In der Zeit von 17. bis 25. April findet der erste "Kulturfrühling" in den Räumen der "Praxis für Kultur" statt. Der Besuch ist bei freiem Eintritt und ohne Krankenschein möglich. Jeder "Patient" bekommt mehr oder weniger das gleiche Rezept: Musik, Theater, Poesie.

So etwas in der Art würde vielleicht auch Doktor Moritz verordnen, welcher zuvor in der Heinrich-Vogl-Straße 4 im Arkadenhaus praktiziert hat, bevor Sybille Fuchs, 51 Jahre alt und Architektin, aus Kirchseeon die Räume übernommen hat. "Zuerst waren da Gedankenspiele: ein Raum für viele Zwecke, zum Theaterspielen, Musizieren, Tanzen, für den Kaffeeplausch", sagt Fuchs, die auch zum Ensemble des Theatervereins Zwischenton gehört. Räume für Veranstaltungen mit Hauskonzertcharakter im Stil der früheren Salons. "Die Idee entsprang einfach einem Herzenswunsch", sagt Fuchs. Denn über einen Mangel an kulturellen Angeboten könne man sich in Ebersberg nun wahrlich nicht beklagen.

Und dann habe sich tatsächlich die Möglichkeit ergeben, ehemalige Praxisräume zu erwerben, sagt Fuchs. Erster Besichtigungstermin war im Herbst 2007. Nach einem arbeitsreichen Sommer mit vielen Helfern und einigen Kubikmetern Schutt konnte Sybille Fuchs stolz sein auf neue helle Räume. "Aus der ehemaligen Arztpraxis ist eine Kulturpraxis geworden. Ich freue mich, wenn sich die Räume nun mit Leben füllen." Mittlerweile ist dort die private Musikschule von Cornelia Fuchs, der Schwester von Sybille Fuchs, eingezogen. Die Veranstaltungen umfassen Kreativkurse wie Yoga, eine Mosaikwerkstatt, intuitives Malen, Märchenspiel, Clownworkshop, Improtheater und anderes mehr.

Über die Frage, ob man Eintritt verlangen solle oder nicht, habe sie lange nachgedacht, sagt Fuchs. "Da es leider oft so ist, dass die Meinung besteht, dass Kunst, die nichts kostet, auch nichts wert sein kann, habe ich schwer mit mir gehadert." Aber schließlich sei der Kulturfrühling ein Versuchsballon. Und mit freiem Eintritt könne man vielleicht ein zahlreicheres Publikum anlocken. "Die Hoffnung ist natürlich, dass der Hut, der nach jeder Aufführung herumgeht, gut gefüllt sein wird."

Zu Beginn des Kulturfrühlings am Freitag, 17. April, 19.30 Uhr, spielt das Quartett Corylus Avellana - lateinisch für "Haselnüsse" - Werke von der Renaissance bis zur Moderne. Das Ensemble aus klassischen Gitarristen kann man bei Konzerten, Vernissagen und kirchlichen Festen erleben. Zum Repertoire der Formation zählt Musik von Henry Purcell, Johann Sebastian Bach, Claude Debussy, Gabriel Fauré und anderen Komponisten.

Am Samstag, 18. April, 19.30 Uhr, hat sich das Trio Zakk angemeldet, das eigentlich ein Quartett ist und mit Stilrichtungen wie Swing, Tango, Musette, Klezmer, Boarischem und einer Portion Kabarett aufwartet. Das erste Programm des Ensembles im Jahr 2002 hieß wegweisend: "Musik, die nicht beim Bügeln stört!" Das allerdings sollte man bleiben lassen, da die Gruppe glaubhaft versichert, dass bei ihrer Musik der Haferlschuh raucht.

Eher zart besaitet sind die Mitglieder des Ensembles Dulcimore, die am Sonntag, 19. April, 19.30 Uhr, auf Instrumenten wie Hackbrett, Appalachian, Dulcimer und Harfe, Flöten und Klavier traditionelle irisch-amerikanische Folkmusik präsentieren, so wie man sie liebt und viel zu selten hört.

Eine besondere Form des Theaterspiels hat der Pullacher Jörg Baesecke entwickelt. Bühne und Schauspieler entstehen quasi im Handumdrehn aus Papier, werden zu staunenswerten, Schatten werfenden Geschöpfen der Fantasie. "Papier.Krieg" lautet der Titel des Stücks, das Baesecke mit den Mitteln seiner Erzähl- und Schneidekunst auf der Kleinsten Bühne der Welt inszeniert. Mit Feldpost und Notgeld, Briefen und Bildern, Pop-up-Bühnen und einem Figurenreichtum ohnegleichen öffnet sich der Blick auf eine vergehende Epoche. Binnen einer Stunde erzählt er am Donnerstag, 23. April, 20 Uhr, die Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Auf die kleinen Erzählstücke folgen große Gefühle - beim Chansonabend am Freitag, 24. April, 20 Uhr, mit dem Ines Goldfisch Trio. Die Sängerin, der Gitarrist Heinrich Wulff und Bassist Rudi Schießl gehen auf eine Zeitreise durch die Geschichte des deutschen Chansons. Angefangen bei den Zwanzigern geht es bis in die Jetztzeit. Auch Lieder von Annett Lousian und Udo Jürgens fehlen nicht. Ines Goldfisch hat einige Jahre in Ebersberg gelebt.

Instrumentalen Jazz in der Besetzung Gitarre und Loops, Saxofon, Piano und Keyboards spielt das neue Saman Vassoughi Trio am Samstag, 25. April, um 20 Uhr. Zu hören gibt es eigene Kompositionen, Filmtitel wie die Musik zu Jacques Tatis "Die Ferien des Monsieur Hulot" und Standards. Schließlich kommt das Klavier zu Wort: Zum Sprechen gebracht wird es von Cornelia Fuchs am Samstag, 24. April, um 17 Uhr und am Sonntag, 25. April, um 16 Uhr. Erzählt wird Binette Schröders Märchen vom Pferd Florian und Traktor Max, die auf Umwegen Freunde werden.

Der erste Kulturfrühling in der Praxis für Kultur, im Arkadenhaus, Heinrich-Vogl-Straße 4 in Ebersberg, findet statt von 17. bis 25. April. Der Eintritt ist frei, ein Hut geht herum. Reservieren kann man unter Telefon (0174) 413 85 68, sysifus@online.de oder Telefon (08092) 852 66 19.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2015
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