Süddeutsche Zeitung

Neue Ortsmitte:Weihwasser in rauen Mengen

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Die Steinhöringer feiern trotz Wolkenbruchs ihren Dorfplatz. Dieser deckt ganz unterschiedliche Bedürfnisse ab und ist dabei hell und harmonisch

Von Annalena Ehrlicher, Steinhöring

Kuschelstimmung herrscht derzeit bundespolitisch kaum - da tut ein Blick nach Steinhöring wohl: Dort sorgt ein plötzlicher Sommerregen bei der Einweihungsfeier für den neu gestalteten Dorfplatz am Samstag dafür, dass sich Gemeinderäte aller Parteien gemeinsam unter die Sonnenschirme drücken. "Das zieht vorüber, Freunde, das ist nur ein Schauer", ruft Wolfgang Bierwirth (PWG), bevor er gemeinsam mit der zweiten Bürgermeisterin der Gemeinde, Martina Lietsch (SPD), der Einladung ins Innere der St. Gallus Kirche folgt. Auch der evangelische Pfarrer Edzard Everts und sein katholischer Kollege Anton Unden können schon bevor sie die neue Dorfmitte gemeinsam einsegnen, auf Tuchfühlung gehen.

"Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben." Sehr passend scheint das Bibel-Zitat aus Paulus' 1. Korintherbrief, das Everts für die Einsegnung ausgewählt hat. "So haben wir das zwar nicht bestellt, das Gießen hätte jetzt auch noch warten können", sagt er und lacht in die Runde, "aber man halt nicht alles in der Hand." Der Dorfplatz sei eine Chance für die Gemeinde, fährt er fort. "In Zeiten, in denen die Streitkultur den Bach runtergeht, brauchen wir dringend das, was bei den alten Griechen Agora hieß." Ein Platz, an dem man sich treffen kann - zum Feiern, zum Lachen, aber eben auch zum Streiten.

Gestritten wird am Samstag zwar nicht - weder um die Sonnenschirme, noch um politische Entscheidungen - aber die Hoffnung, dass der Platz ein Ort der lebendigen Zusammenkunft für alle Bürgerinnen und Bürger wird, teilen alle, die an der Planung beteiligt waren. "Ein Platz, der von den Menschen nicht angenommen wird, taugt nichts", sagt Stadtplanerin Sandra Urbaniak vom Münchner Architekturbüro Akfu, die das Projekt für die Neugestaltung der Ortsmitte von Anfang an betreut hat. "Der Platz muss leben und sowohl den spielenden Kindern Raum geben als auch denen, die vor dem Kriegerdenkmal Platz nehmen wollen."

Um einen den vielseitigen Gebrauch des Platzes möglich zu machen, hatten sich die Gemeinderäte in Absprache mit Urbaniak auf eine strahlenförmige Anordnung der Wege geeinigt: Zwischen diese wurden Bäume gepflanzt und robuster Rasen gesät, der nun bei der Einweihung direkt genutzt wird. Die Steinhöringer Bläserbande - die Bläserjugend der Grundschule - profitiert von den bereits großen Bäumen, unter denen sie vor dem Schauer immerhin soweit geschützt sind, dass sie professionell weiterspielen, als die Tropfen fallen. Und auch die Tanzeinlage von Grundschülerinnen wäre auf Steinplatten sicherlich weniger akrobatisch ausgefallen.

Ebenfalls sehr gut angenommen wird der Brunnen gegenüber dem Kirchenportal. Ein sehr funktionales plätscherndes Zentrum, wie Thomas Huber und Landrat Robert Niedergesäß (beide CSU) begeistert feststellen: Der Naturstein eignet sich mit seinen sanft bearbeiteten Formen ausgezeichnet als kühlende Halterung für eine Maß Bier. "Ganz praktisch ist das, da mach ich gleich ein Foto für Grafings nächste Stadtratssitzung", lobt Huber Bürgermeister Alois Hofstetter.

"Also mir gefällt der Platz", sagt dieser zufrieden. Die Umgestaltung gehört zu den Herzensprojekten Hofstetters. Als zu Beginn der Planungen und bei der Bewerbung um die Fördergelder des Freistaats noch unklar war, wie sich der Platz entwickeln würde, hat er zu denjenigen gehört, die finanzielle Fragen zugunsten von Überzeugungsentscheidungen zurückgestellt haben. "Sehr geholfen hat die Bürgerwerkstatt, die wir organisiert haben", sagt er. "Man tut sich im Gemeinderat mit kostspieligen Entscheidungen leichter, wenn man weiß, dass die Bürger das wollen."

Auch für den zweiten Bauschritt, die Sanierung des Rathauses, sollen die Steinhöringer wieder miteinbezogen werden. Da auch diese Baustelle bereits Gelder der Städtebauförderung bewilligt bekommen hat, hofft Sandra Urbaniak, dass die Planung bald in Angriff genommen werden kann. Wenn die Kuschellaune von Samstag anhält, dürften sich die Diskussionen im Gemeinderat im Rahmen halten.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2018
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