Es ist ein unscheinbares Gebäude direkt am Kirchseeoner Bahnhof. Ein Vorhang hinter der großen Glasfront versperrt die Sicht ins Innere. Schemenhaft sind dahinter Bewegungen zu erkennen. Von der Straße aus deutet nichts darauf hin, dass das hier der wichtigste Treffpunkt für viele Menschen aus der Region ist - ein Ort der Begegnung. Es ist die Ditib Mevlana Camii Moschee in Kirchseeon.
Drinnen herrscht bereits hektisches Treiben. Emre Yavuz serviert zusammen mit einigen Helfern gerade Snacks und Getränke für die Gäste. An diesen Abend ist eine Gruppe Bürger im Rahmen der "Wochen der Toleranz" zu einer Führung in die Moschee gekommen. "Sehr gastfreundlich sind sie hier", sagt eine der Teilnehmerinnen. Und tatsächlich: Yavuz und seine Glaubensbrüder geben sich alle Mühe, die islamische Gemeinschaft bestmöglich zu präsentieren. Der 26-Jährige ist Leiter der Ditib-Jugend Kirchseeon, studiert Islamische Theologie und will den Besuchern heute einen Einblick in die Moschee und in seine Religion geben. "Wir wollen dieses Bild ablegen, dass wir immer nur unter uns sind", sagt Yavuz. "Jeder ist hier willkommen."
In einem Raum stehen Billard, Kicker und Playstation
Mit "hier" meint der gebürtige Grafinger zunächst den Nebenraum der Moschee, die seit Februar 2005 in Kirchseeon beheimatet ist. Man merkt schnell, dass das Gebäude weit mehr sein soll als ein reines Glaubenszentrum. Neben einer gemütlichen Sitzecke steht ein Billard- und Kickertisch, an der Wand hängt ein Fernseher mit angeschlossener Playstation.
Direkt neben dem Eingang hat sich die örtliche Ditib-Gemeinde, die wie etwa 900 weitere Vereine in Deutschland dem Ditib-Dachverband untersteht, eine Küche mit Bar eingerichtet. Der Eindruck eines Jugendzentrums täuscht nicht, denn als solches wird der Raum auch überwiegend genutzt. Hier treffen sich die etwa 100 jugendlichen Mitglieder aus dem Landkreis zu Veranstaltungen. Zu Treffen, die für jedermann offen sind, wie Yavuz ausdrücklich betont. "Egal welche Herkunft oder Religion, zu uns kann jeder kommen."
Das eigentliche Schmuckstück in dem Gebäude ist aber der Gebetsraum nebenan. Wer hier hinein will, muss in einem Vorzimmer erst die Schuhe ausziehen, schließlich wollen Muslime ihrem Gott Allah möglichst sauber entgegentreten. Die Schuhe abzulegen lohnt sich aber auch noch aus einem anderen Grund: So können die Besucher spüren, wie flauschig weich der orientalische Teppich ist, der über dem gesamten Boden ausgelegt ist. Das müsse auch so sein, erklärt Emre Yavuz. Schließlich würden Muslime beim Beten nicht nur sitzen, sondern auch niederknien und teilweise sogar liegen.
Der Muezzin steht nur auf einer niedrigen Plattform
Auch sonst ist hier vieles anders als in einer christlichen Kirche. Gegenüber der Eingangstür hängt eine digitale Anzeige mit allerhand Uhrzeiten. "Das ist die Erinnerung daran, wann die Gebete stattfinden", so Yavuz. Da sich Muslime beim Beten nach der auf- und untergehenden Sonne richten, ändern sich die Zeiten täglich. Insgesamt fünf Mal am Tag wenden sich die Gläubigen für jeweils wenige Minuten an Allah. Wie das abläuft, zeigt Yavuz den Besuchern. Der Teppich ist in verschiedene Felder eingeteilt, damit jeder ungestört beten kann. Vereint sind die Gläubigen aber in ihrer Gebetsrichtung, nämlich immer zur Kaaba im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka hin. Zur Orientierung haben sie in Kirchseeon ein Foto davon aufgehängt.
In der Wand nebenan ist eine kleine Aussparung eingelassen. Dort drin steht der Imam, der die Gebete leitet - derzeit nur in türkischer Sprache, Gebete auf Deutsch gibt es noch nicht. Was der Besuchergruppe an diesem Abend sofort ins Auge springt, ist die Treppenattrappe in einer Ecke des Gebetsraums. Hier gehe der Imam hoch, wenn er etwas zu verkünden habe, sagt Yavuz. Allzu viele Stufen muss er in Kirchseeon dafür aber nicht besteigen. Dass hier alles etwas kleiner ist, sieht man auch an dem Bereich, der dem Muezzin vorbehalten ist. Dieser ruft die Gebete aus, unterstützt den Imam - und steht dabei eigentlich hoch droben über den Köpfen der Gläubigen. In Kirchseeon setzt sich die Plattform aber lediglich etwa eine Handbreit vom Boden ab. "Das hat hier nur symbolischen Charakter", so Yavuz.
Vom Hauptraum durch eine Glasscheibe abgetrennt, befindet sich der Gebetsbereich für die Frauen. Der Gebetsrichtung nach Mekka folgend, stehen diese also hinter den Männern. Warum denn nicht beide Geschlechter im gleichen Raum beten würden, will eine Frau aus der Gruppe wissen. Die Erklärung, die Yavuz gibt, ist kurios und ehrlich zugleich: Beim Gebet müsse man voll konzentriert sein. Würde eine Frau vor einem Mann aber die typischen Bewegungen ausführen, könne das schwierig werden. "Naja, wie sag ich das am besten? Man kann ihr dann eben auf den Hintern schauen."
Die Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde soll verstärkt werden
Aber zurück zur Moschee: Während der Innenraum mit Bildern und Wandteppichen sehr liebevoll ausgestaltet ist, erinnert das Gebäude beim Blick nach oben eher an eine Industriehalle. Eine Konstruktion von Eisenstangen bildet die Decke, mehrere Kabel hängen herunter. "Wir befinden uns gerade noch in der Renovierungsphase", erklärt Yavuz. Das ist auch deutlich an dem großen Saal zu sehen, der an den Gebetsraum anschließt. Beim Betreten steigt der Besuchergruppe der Geruch von frisch verputzten Wänden in die Nase, an den Seiten stapeln sich Stühle und Tische. "Hier feiern wir alle zusammen das Fastenbrechen", sagt Yavuz. Ansonsten werde der Saal als Mehrzweckraum genutzt.
Wieder am Ausgangspunkt der Führung angekommen, wird erneut reichlich aufgetischt. Es gibt Lahmacun, auch türkische Pizza genannt, Salate und Ayran. Die Glaubensbrüder wollen, dass es ihren Gästen an nichts fehlt. Im Gegenzug haben diese noch jede Menge Fragen parat. Etwa, ob man denn die Gebetszeiten überhaupt immer einhalten könne, wie das mit dem Beruf vereinbar sei oder ob der Imam auch heiraten dürfe? Emre Yavuz nimmt sich viel Zeit, antwortet ausführlich. Ja, das lasse sich ganz gut in den Alltag einbauen, schließlich seien viele Arbeitgeber da sehr aufgeschlossen. Und ja, der Imam dürfe auch heiraten.
Über was an diesem Abend nicht gesprochen wird, sind die drohende Überwachung von Ditib durch den Verfassungsschutz und die Frage nach der Einflussnahme auf den Moscheeverband aus der Türkei. Stattdessen kündigt Yavuz an, dass die Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde Kirchseeon verstärkt werden solle. Obwohl es die Ditib-Gemeinde hier schon lange gebe, sei man noch lange nicht da, wo man sein wolle. Einige Leute würden der Glaubensgemeinschaft immer noch recht skeptisch begegnen. An diejenigen richtet Emre Yavuz zum Abschluss aber noch eine Botschaft: "Wir wollen uns hier nicht verstecken. Lasst uns gemeinsam über das Gute reden."