Neue Ausstellung in Ebersberg:Innere Welten

Die "Druckwerkstatt" des Grafinger Gymnasiums eröffnet in der Galerie der Ebersberger SZ eine Ausstellung. Der Andrang ist groß, die Holzschnitte begeistern mit kraftvollen Kontrasten und Dynamik

Von Anja Blum

Es ist geschafft! Die 13 Schülerinnen und Schüler der "Druckwerkstatt" haben ihr P-Seminar wunderbar zu Ende gebracht, der letzte Akt war eine Vernissage in der Galerie der Ebersberger Süddeutschen Zeitung am Donnerstagabend. Ihre farbverschmierten Kittel hatten die Grafinger Gymnasiasten zu diesem Anlass eingetauscht gegen zumeist feinen Zwirn, schließlich präsentiert man nicht alle Tage die eigenen Werke der Öffentlichkeit. Sogar eine kleine Rede hatten die Schüler vorbereitet. Höchst interessiert zeigten sich dann auch Familien und Freunde, viele waren da, um die Eröffnung der Ausstellung zu erleben und die Ergebnisse der Druckwerkstatt zu bestaunen. Zeitweise war schier kein Durchkommen mehr in der schmalen Galerie.

Mehr als ein Jahr lang haben die Nachwuchskünstler an ihren Holzschnitten gearbeitet. Ein Thema hatten die beiden verantwortlichen Kunstlehrer, Christine Lindenmüller und Rainer Lutz, diesmal nicht vorgegeben, der individuellen Kreativität waren also keine Grenzen gesetzt. Eine gemeinsame Inspiration aber fanden die Schüler in der Kunst des Expressionismus. Dessen Vertreter schätzen den Holzschnitt gerade wegen seiner herben und kraftvollen Ausdrucksweise sehr - ein Duktus, den nun auch die Arbeiten der Gymnasiasten zeigen.

Neue Ausstellung in Ebersberg: Vielsagende Selbstporträts? Den Mensch als "Mehrzweckraum" zeigt Felix Gentsch.

Vielsagende Selbstporträts? Den Mensch als "Mehrzweckraum" zeigt Felix Gentsch.

(Foto: Christian Endt)

Zu sehen sind hauptsächlich Landschaften und Porträts, allerdings nicht als annähernd realistische Darstellungen, sondern stark verfremdet. Es überwiegen grobe, meist etwas verzerrte, asymmetrische Formen und große Flächen, was freilich auch der Drucktechnik geschuldet ist. Denn das Bearbeiten von Holz mit Schnitzmessern lässt filigrane Strukturen und Plastizität kaum zu. Dafür bestechen die Bilder durch Dynamik und starke Kontraste, vor allem in der Farbgestaltung. Die Grafinger Gymnasiasten nämlich haben keinen Aufwand gescheut und, anstatt sich auf Schwarz-Weiß zu beschränken, mehrfarbige Arbeiten hervorgebracht, obwohl dafür mehrere Schnitz- und Druckvorgängen vonnöten sind. "Farbfeuerwerk" haben sie die Ausstellung denn auch stolz betitelt - und das ist keine Übertreibung: Den Betrachter erwartet ein fröhlich-buntes Panoptikum.

Doch dieser erste Eindruck allein macht die Faszination der Werke bei Weitem noch nicht aus, vielmehr lohnt sich auch ein zweiter, genauerer Blick. Dann nämlich erkennt man sehr schnell, wie viel handwerkliche Arbeit, aber auch geistige Auseinandersetzung hier eingeflossen ist. Viele, viele Gedanken haben sich die Nachwuchskünstlerinnen und -künstler gemacht auf dem weiten Weg vom weißen Blatt bis hin zum fertigen, bunten Holzschnitt. So stellen sie auch in ihrer Rede bei der Vernissage klar, "dass die äußeren, abgebildeten Welten stets innere widerspiegeln".

Neue Ausstellung in Ebersberg: Theresa Tikovsky surft "Der Sonne entgegen".

Theresa Tikovsky surft "Der Sonne entgegen".

(Foto: Christian Endt)

Und der Interpretationsprozess scheint noch nicht vorbei zu sein. "Vertrauen" hat Jonas Broß sein Werk eigentlich genannt, doch da kommt ihm noch eine andere Idee, einer Redewendung wegen: "Mut". Sein Bild zeigt eine graue Hand, die ein rotes Organ in der Hand hält, ein Herz. Der Titel "Seelentür" weist in eine ähnliche Richtung, doch Merle Sängers Druck ist ein ausdrucksstarkes Porträt. Vor einem schlichten, grafisch anmutenden Hintergrund mit Mauerstruktur zeigt sie eine junge Frau, das Gesicht ist expressiv gestaltet mit den für Holzschnitt typischen wilden Strichen. Nur Mund und Augen sind koloriert, in demselben zarten Altrosa wie eine üppig blühende, wundervoll strukturierte Rose, die sich um den Kopf des Mädchens rankt. Ein Selbstporträt? In übertragenem Sinne trifft das wohl auch auf das Werk von Theresa Tikovsky zu: Unter dem Titel "Der Sonne entgegen" zeigt sie eine Surferin auf bewegtem Meer, am Horizont leuchtet eine riesige, orange Scheibe. "Freiheit!", scheint das ganze Bild zu rufen. Als einen vielschichtigen "Mehrzweckraum" hat Felix Gentsch sein Porträt gestaltet, es zeigt einen rauchenden jungen Mann, über dessen Hirn das Wort "Zweck" prangt, Auge und Ohr sind als weitere, kleine Köpfe gestaltet, im wabernden Rauch schweben Planeten. Mit unfassbar filigranen Strukturen beeindruckt Marlene Bülows Arbeit, sie hat die Herrscherin des "Tarot" auf Holz gebannt. Kontrastreiche Farben? Braucht es hier nicht.

Einen beeindruckenden gelb-braunen Pfau hat Rebekka Bauernschmitt porträtiert, doch dass hinter dieser Arbeit für sie viel mehr steckt als ein schöner Vogel, verrät der Titel: "Realitätsflucht". So wird aus einem Tierbild kurzerhand ein gesellschaftskritischer Kommentar. Dasselbe könnte man bei Mara Mengers "Smoothie" vermuten: Dieser Holzschnitt ist ein klassisches Stillleben, es zeigt eine mit Schale mit buntem Obst. Muss das wirklich püriert werden, um es zu genießen?

Druckwerkstatt P-Seminar

Sogar eine kleine Einführungsrede haben die Grafinger Gymnasiastinnen und Gymnasiasten für die Vernissage bei der Ebersberger SZ vorbereitet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Geheimnisvoll und ein wenig gespenstisch kommt dagegen "3 am" von Lara Görres daher, eine mit Positiv und Negativ spielende Komposition aus dunklen Tannen, kahlen Ästen, einem großen Mond und einer altmodischen Laterne. Eine strenge, antike Traumlandschaft in Schwarz, Weiß und Rot hat Cakra Tarmizi geschaffen: Zwei verfallene Säulen erinnern hier an die einstige Stadt "Ephesus", heute Weltkulturerbe. Völlig zeitlos hingegen ist das Motiv von Larissa Heindl, ein Panorama mit Bergen, Bäumen und Wiese. Über letzterer liegt ein "Nebelschleier", sanft und gütig. In den asiatischen Raum entführt Daniel Höpler mit seinem "Schattenberg" samt Pagode. Durch sich überschneidende Ebenen in schwarz-grau-weiß entsteht hier eine enorme räumliche Tiefe. Leuchtendes Dschungel-Grün und Wasser-Blau kombiniert "Die Brücke" von Carina Gaßner, ein gekonntes Spiel mit abstrahierten organischen und architektonischen Formen. Eher nordisch-kühl erscheint die Landschaft von Luisa Terkowsky: Ihren "Meerblick" von grauem Land aus hat sie mit einem Leuchtturm versehen, darüber dräuen graue Wolken.

"Farbfeuerwerk": Ausstellung der "Druckwerkstatt" des Grafinger Gymnasiums in der SZ-Galerie in Ebersberg, Ulrichstraße 1.

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