Neuberechnung gefordert:Kirchseeoner Zweifel am Lärmschutz-Gutachten der Bahn

Kirchseeon Meridian in Einhausung

Den meisten Krach verursachen Güterzüge. Obwohl künftig mehr fahren sollen, wird nicht stärker in den Lärmschutz investiert.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Zwei Bürgerinnen wenden sich an den CSU-Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz. Sollten sie recht bekommen, könnte die Gemeinde davon profitieren.

Von Franziska Langhammer, Kirchseeon

Nicht alle Menschen aus dem Landkreis Ebersberg können wohl frohgemut in den Klassiker "Eine Bahnfahrt, die ist lustig, eine Bahnfahrt, die ist schön" mit einstimmen: Der Lärm der vorbei ratternden Züge ist es nämlich, der viele Bürger der Gemeinden an der Bahnstrecke zwischen München und Rosenheim oftmals erheblich stört. Vielerorts haben sie bereits Arbeitskreise gegründet, um gegen den anhaltenden Krach Front zu machen. Auch in Kirchseeon tut sich jetzt was: Auf der Sitzung des Gemeinderats wurde am Dienstagabend der Antrag zweier Bürgerinnen besprochen, die sich für ihren geplanten Arbeitskreis Bahnlärm Hilfe aus der Verwaltung erhofften.

Die beiden engagierten Kirchseeonerinnen haben bereits einen mehrseitigen Antrag beim Ebersberger Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU) eingereicht, in dem sie die Nachberechnung der Machbarkeitsuntersuchung für den Brennerbasistunnel fordern. Sie zweifeln die Richtigkeit dieses Gutachtens an. In die Berechnung müssten mehr betroffene Bürger mit einbezogen werden. Mit einer neuen Untersuchung wollen die beiden Initiatorinnen unter anderem die Errichtung zusätzlicher Lärmschutzwände in Kirchseeon erreichen.

In der Begründung für ihren Antrag an den Gemeinderat heißt es, dass der Bahnlärm in vielen Teilen Kirchseeons die Grenze des Zumutbaren überschreite: "Während heute Neubaustrecken gesetzliche Lärmgrenzwerte von 49 Dezibel nachts garantieren müssen, wird Kirchseeoner Bürgern ein tatsächlicher Lärm von bis zu 70 Dezibel zugemutet." Diese Zahl sei dem aktuellen Lärmaktionsplan des Eisenbahn-Bundesamtes vom Januar 2018 entnommen.

Der Gemeinderat lehnte den Antrag der beiden Bürgerinnen zwar aus formalen Gründen ab. Bürgermeister Udo Ockel (CSU) sicherte jedoch dem Arbeitskreis Bahnlärm logistische Hilfe seitens der Verwaltung zu, sei es durch das Veröffentlichen von Artikeln, Bekanntmachungen im Gemeindeblatt oder das Bereitstellen von Räumlichkeiten. "Wir werden den Arbeitskreis genauso unterstützen, wie wir zum Beispiel auch den Arbeitskreis Soziales unterstützen", sagte Ockel.

Lenz will die Einwände nun prüfen lassen

In dem Beschluss des Gemeinderats wurde zudem festgehalten, dass man Kontakt zu Andreas Lenz halte, um mehr über das weitere Vorgehen zu erfahren. "Wenn die Bürgerinnen recht hätten, dass das Gutachten falsch ist, würde uns als Gemeinde das natürlich auch interessieren", sagte Ockel. Die Machbarkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2016 hatte ergeben, dass nicht genug Kirchseeoner von Bahnlärm betroffen sind, um die hohen Kosten einer Lärmschutzmaßnahme zu rechtfertigen. Sollte sich also herausstellen, dass die Bürgerinnen mit ihren Vorwürfen recht behalten, könnten die Kirchseeoner womöglich doch noch mit dem Bau einer Lärmschutzwand rechnen.

Der CSU-Politiker Andreas Lenz will nun die Einwände der beiden Kirchseeonerinnen von dem Ingenieurbüro, das damals als externer Dienstleister für die Bahn die Machbarkeitsstudie erstellt hatte, prüfen und neu berechnen lassen. "Außerdem werde ich auf den neuen Verkehrsminister zugehen und die Forderungen anbringen", sagte Lenz der SZ. Bisher sei auf der Strecke zwischen München und Rosenheim zumindest eine Maßnahme gegen den Lärmschutz erreicht worden, so Lenz: An allen Stellen mit Wohnbebauung werden Schienenstegdämpfer eingebaut, die den Bahnlärm erheblich minimieren sollen. Trotzdem hält er fest: "Dass mehr an Lärmschutz notwendig ist, steht für mich außer Frage."

Der FDP-Politiker und leidenschaftliche Bahnkritiker Peter Pernsteiner aus Zorneding stellt Gutachten wie die Machbarkeitsuntersuchung grundsätzlich infrage: "Die Ergebnisse sind alle rein theoretisch berechnet. Es gibt keine richtigen Messungen, was den Bahnlärm angeht." Wirkliche Messungen mit entsprechenden Geräten müssten die Bürger auf eigene Kosten in Auftrag geben.

Pernsteiner, der voriges Jahr für den Bundestag kandidierte, ist Leiter der Arbeitsgruppe Bahnlärm des Zornedinger Gemeinderates. Er freue sich, dass nun auch in Kirchseeon Bewegung in die Sache komme, so Pernsteiner: "Es wäre sinnvoll, wenn sich alle betroffenen Gemeinden im Landkreis zusammentun und an einem Strang ziehen." So könne man öffentlichkeitswirksamer auftreten, Veranstaltungen organisieren oder sich mit Kreisabgeordneten treffen.

Vor allem mit Blick auf die kommenden Jahre wird sich das Problem mit den lärmenden Zügen nämlich noch verschärfen: Zum einen sieht der Bundesverkehrswegeplan 2020/30 eine "Blockverdichtung" vor, so dass Züge noch enger getaktet fahren werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte angekündigt, dass sich die Anzahl der Güterzüge auf der Inntalstrecke, die über Vaterstetten, Zorneding, Kirchseeon und Grafing auch durch den Landkreis führt, von 100 auf 200 am Tag erhöhen wird. Außerdem steht der Ausbau der Brenner-Zulaufstrecke über München - Rosenheim bevor, der in spätestens zehn Jahren fertig sein soll.

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