Naturschutz:Biotope im Landkreis Ebersberg sollen neu kartiert werden

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Der idyllische Löschweiher am Pfarrweg in Poing. (Foto: Alexandra Leuthner/oh)

Die Biotope im Landkreis sollten eigentlich schon vor Jahren neu kartiert werden, das ist aber aus Personalmangel nicht passiert.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Die Wiese erstreckt sich über einen recht steilen Abhang bis hinauf zu einem Zaun, der sie auf der Westseite begrenzt. Zu dieser Jahreszeit bietet sie dem Auge nichts offensichtlich Außergewöhnliches, abgesehen davon, dass ein leicht gewundener Privatweg an ihrem Fuß zu einem Spaziergang einlädt, der an der Unterelkofener Schlossgaststätte seinen Startpunkt nehmen könnte. So einladend dieses Fleckchen Erde ist, dass ausgerechnet diese kahle Wiese schützenswert sein soll, erschließt sich höchstens auf den zweiten Blick. Und doch ist sie in der Biotopkarte für den Landkreis eingetragen, unter der Überschrift "Extensivwiesen im Doblgebiet" und ist somit genauso gesetzlich geschützt wie etwa ein Feldgehölz - das allerdings oft weit mehr öffentliche Aufmerksamkeit genießt, jedenfalls wenn es beschädigt wird.

So geschehen vor wenigen Monaten bei Aßlkofen, als aus einem Waldstück mit schwerem Gerät 25 Eschen entfernt worden waren und dabei ein Wasserlauf in Mitleidenschaft gezogen worden war. Die Empörung war groß, das Gehölz ist tatsächlich seit 30 Jahren in der Biotopkartierung beschrieben, aber nicht als gesetzlich geschützt eingeordnet. Der Eigentümer hatte mit seinem Eingriff keinen Rechtsverstoß begangen.

Doch selbst wenn das Gehölz durch Paragraf 30 des Bundesnaturschutzgesetzes oder Artikel 23 des Bayerischen Naturschutzgesetzes geschützt wäre, "heißt das nicht, dass dort nichts verändert, oder es nicht genutzt werden darf", erklärt Johann Taschner, Sachgebietsleiter Naturschutz und Landschaftspflege im Landratsamt Ebersberg. Es dürfe nur in seinen Eigenschaften nicht wesentlich verändert werden, was etwa einem kleinen Weiher in einem Feld im südlichen Landkreis geschehen ist, den sein Besitzer schlichtweg eingeackert hatte. Ein Fall, auf den die Untere Naturschutzbehörde im Vorjahr Jahr aufmerksam gemacht wurde - ein Glück, so Taschner. "Wir kriegen viel nicht mit von dem, was draußen stattfindet, wir sind darauf angewiesen, dass die Eigentümer geschützter Flächen ihren Verpflichtungen nachkommen."

Auch das Feldgehölz bei Gelting gilt als Biotop. (Foto: Alexandra Leuthner/oh)

Die sich eigentlich in den meisten Fällen nicht auf Nichtwissen herausreden können. Zu Beginn der 90er-Jahre, als die Biotope im Landkreis Ebersberg, 445 an der Zahl, zum letzten Mal kartiert worden sind, habe seine Behörde alle 2000 Eigentümer angeschrieben, erzählt Taschner. Aber 30 Jahre sind eine lange Zeit, in manchen Fällen haben Besitzer gewechselt, Flächen sind auf die nächste Generation übergegangen. "Da ist vielleicht mal ein neuer Stall gebaut und der Aushub in die ewig feuchte Grube gekippt worden." Oder ein Bauer hat in einem Feuchtgebiet eine Drainage gelegt. Tut er das in einem gesetzlich geschützten Biotop, droht ihm ein Bußgeld - im Einzelfall bis zu 50 000 Euro, sagt Frank Burkhardt, Taschners Stellvertreter in der Naturschutzbehörde. Die muss allerdings erst einmal nachforschen, wo so eine Wasserfläche mit ihren typischen Pflanzen, ein Großröhricht, eine artenreiche Mähwiese oder ein Feuchtgebüsch geblieben sind. "Das ist dann nicht schön. Für die Leute geht es ums Eigentum, und wir sind die, die sich einmischen", sagt Taschner.

Eigentlich sollten die Biotope eines Landkreises alle 15 Jahre erneut erfasst, überprüft und aufgelistet werden, erklärt Christian Tausch, Abteilungsleiter Landschaftspflege und Gewässerökologie beim Landesamt für Umweltschutz, "realistisch sind aber 25 bis 30 Jahre". Die in Augsburg sitzende Behörde ist bayernweit verantwortlich für die Kartierungen, habe aber schlicht zu wenig Personal, um die aufwendige Aktualisierung im geforderten Zeitraum bewerkstelligen zu können. Zwei bis drei Mitarbeiter seien es, welche die Erfassungen jeweils für einen bayerischen Landkreis vorbereiten, sie erarbeiten die Ausschreibungen und vergeben die Aufträge an qualifizierte Büros, "allein das ist im Einzelfall ein Prozess von drei Jahren". Und dann steht den Experten, die mit Gummistiefeln und Laptop ausschwärmen, um zu überprüfen, wie es um das Netz aus singulären Lebensräumen für Fauna und Flora steht, oft nur ein kleines Zeitfenster zur Verfügung. "Artenreiche Wiesen zum Beispiel können nur in einer kurzen Periode erfasst werden, wenn sie blühen", so Tausch.

Ein kleines Gehölz innerhalb der Siedlungsbebauung in der Alten Poststraße in Vaterstetten. (Foto: Alexandra Leuthner/oh)

Wie groß der Aufwand ist, allein in einem einzigen Landkreis den Zustand aller Biotopflächen zu überprüfen, kann man sich vorstellen, wenn man den Kartenviewer im Bayern-Atlas betrachtet, noch besser aber, wenn man versucht, auch nur einige der Biotope im Landkreis Ebersberg abzufahren. Von den weiten Strecken abgesehen, muss man sie erst einmal finden. Der "Baumumstandene Teich am Ortsrand von Gelting" etwa liegt völlig versteckt hinter einem Maisfeld, die Wasserfläche ist durch das dichte Blattwerk der Pflanzen rundherum gerade mal zu erahnen. Und ob das Gewässer noch in dem Zustand ist, in dem es zum Zeitpunkt seiner Kartierung war, ist für den Laien nicht zu erkennen.

Gleiches gilt für ein Feldgehölz, das laut Biotopkarte mitten in Vaterstetten an der Alten Poststraße existieren soll. "Feldgehölzinsel innerhalb der Siedlungsbebauung" lautet der Eintrag. "Feldgehölz heißt eigentlich, dass ein Feld daneben liegen muss", sagt Taschner zweifelnd, das sei etwas, das man sich anschauen müsse. Es stehe leider manche fehlerhafte Aussage in der Karte, die sich bei einem Ortstermin nicht bestätigen lasse. "Die Natur unterliegt einem dynamischen Prozess, und der Mensch tut das Seine dazu", konstatiert er. Was gerade für einen Landkreis unter dem Siedlungsdruck der Großstadt zutrifft.

Unter diesem Aspekt ist auch die vor wenigen Wochen stattgefundene Auseinandersetzung um eine Jahrhunderte alte Eiche beim Seeschneider Kreisel zu sehen, die dem Ausbau der Kreisstraße EBE 8 im Weg stand. Die Planungen für die immer stärker befahrene Straße waren schon Jahre im Gange, als Naturschützer auf den Baum aufmerksam wurden und begannen, um seinen Erhalt zu kämpfen. Es folgte ein wochenlanges Ringen im Kreistag und schließlich der Beschluss, den Baum zu erhalten - was die Kosten für den Straßenbau in die Höhe getrieben hat. Wäre die Biotopkarte für den Landkreis aktuell, hätte man von dem Baum früher gewusst, kritisierten unter anderem die Grünen und forderten, das Landesamt solle die Neukartierung endlich auf den Weg bringen.

Ein Löschweiher in Oberpframmern. (Foto: Alexandra Leuthner/oh)

Ganz richtig sei diese Aussage allerdings nicht, sagt Christian Tausch vom Landesamt. Einzelne Bäume wie jene Eiche könnten zwar in die Liste von Naturdenkmälern aufgenommen werden, das heiße aber nicht, dass sie in einer Biotopkarte verzeichnet würden. "Natürlich kann es da Überschneidungen geben."

Ein Biotop ist ein in sich abgeschlossener Lebensraum, der durch bestimmte Pflanzen- oder Tiergesellschaften gekennzeichnet ist. Das können Bäche sein, stehende Gewässer, Moore oder Röhrichte, Auenwälder oder Wiesenflächen. 300 verschiedene Biotoptypen gebe es in Deutschland, so Tausch. Im Zuge des Bienenvolksbegehrens gehören jetzt auch Streuobstwiesen und artenreiches Grünland dazu, sodass bei der nächsten Aktualisierung die 800 Quadratmeter große Streuobstwiese bei Egglburg in die Liste aufgenommen werden kann. Seit Anfang 2000 gehört sie dem Landkreis und ist so etwas wie ein Vorzeigeobjekt. Nicht nur, weil Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen gehören, sondern auch weil der Landkreis dort mit einem Bauern im so genannten Vertragsnaturschutz zusammen arbeitet. Er mäht die Fläche frühestens im Juni, dann noch zweimal im Herbst und kann das Gras als strukturreiches Grünfutter oder Heu für sein Vieh nutzen. Solche Übereinkünfte zum Schutz natürlicher Flächen seien im glücklichsten Fall "ein Nullsummenspiel", ein Geschäft von dem alle Seiten profitieren, erklärt Johann Taschner.

Bisher machen Biotope an der Gesamtfläche des Landkreises 659,3 Hektar oder 1,2 Prozent aus. Klingt wenig, wenn man sich vor Augen führt, dass es darum geht, einen Biotopverbund zu schaffen, "die Vernetzung von naturnahen Elementen, Trittsteine für Flora und Fauna", wie Taschner erklärt. Blühstreifen, wie sie in den vergangen Jahren entlang von Straßenrändern angelegt wurden, sollen ebenso wie zusätzliche extensive Grünlandflächen die vom Landkreis gefördert werden, dazu beitragen, ein solches Netz zu schaffen. Mit etwas Glück und viel gutem Willen ist der Flächenanteil bei der nächsten Kartierung - die laut Christian Tausch vom Landesamt "möglichst bald" angegangen werden soll -, wieder etwas größer geworden.

© SZ vom 10.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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