Faschings-Varieté:TSV Grafing: Da darf sich auch mal Puff auf Suff reimen

Grafing Variete 2020

Das Grafinger Faschings-Varieté 2020: Die Faschingsbären mit "Kein Land in Sicht " unter anderem mit FDP-Bürgermeister-Kandidat Claus Eimer.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Grafinger Faschings-Varieté 2020 bietet Tanz, Akrobatik und Theater. Die legendären Clowns derblecken die Lokalprominenz.

Von Anja Blum

Würde man jemanden aus Vaterstetten, Poing oder sonst wo her mitnehmen ins Grafinger Faschings-Varieté, er meinte vermutlich, auf dem Mond oder an irgendeinem anderen skurrilen Ort gelandet zu sein. Außer ein Ebersberger vielleicht - ist doch die Konkurrenz zwischen Bären- und Kreisstadt legendär und wird auch im Varieté stets genüsslich zelebriert. Ansonsten aber ist der bunte Reigen aus Sport und Humor eine höchst lokale Angelegenheit: von Grafingern für Grafinger.

Gefühlt die halbe Stadt steht auf der Bühne, der Rest sitzt im Publikum, vier ausverkaufte Vorstellungen sprechen für sich. Kaum jemand, der nicht entweder selbst einmal Teil der Varieté-Familie war oder dessen Kind, Schwester, Mann am Geschehen beteiligt ist. An diesem Wochenende jubelt die ganze Stadt sich selbst zu und zeigt, dass sie das Leben und sich trotz allem nicht allzu ernst nimmt. Da darf sich auch mal Puff auf Suff reimen - basst scho!

Vier Stunden Programm wurden diesmal wieder auf die Beine gestellt vom TSV Grafing und den Faschingsbären, mit einem Aufwand, der seinesgleichen sucht. Wie viele Abläufe müssen dafür abgestimmt, wie viele Gesichter geschminkt, Zöpfe geflochten, Choreografien einstudiert werden? Wie viele Lieder geschrieben, Sketche ersonnen und Trinksprüche ausgegraben! Sozusagen stellvertretend für all die engagierten Helfer im Hintergrund bekam diesmal Alex Daser, Chefin der TSV-Geschäftsstelle, einen Orden verliehen. Schon Wochen vor dem Varieté ist die Stadt im närrischen Ausnahmezustand, um dieses Mammutprojekt zu stemmen. Wer am Samstagabend gute Plätze haben will, muss sich beim Vorverkauf lange anstellen - etwa ab vier Uhr morgens.

Elf offizielle Programmpunkte bot das Varieté dieses Mal, dazwischen gaben sich wie immer die drei Clowns die Ehre, deren Aufgabe es ist, Lokalpolitik und -prominenz ordentlich durch den Kakao, oder sollte man besser sagen: durch den Schnaps? - zu ziehen. Mit liebevoll gedrechselten Moderationen führten die beiden "Direktoren" Felix Richter und Thomas Urban durch den Abend, wobei Letzterer tapfer mit seiner Heiserkeit rang.

Giagl (Martin Weigand), Ferdl (Stefan Marschner) und Wiggal (Hermann Holzmann) zogen mit Bauhelmen in den Saal ein, klar, denn die sanierungsbedürftige Stadthalle ist ja momentan das Thema schlechthin. "Was soll das? Wer war das?", feixten die drei Clowns mit Herbert Grönemeyer gleich im ersten Song, und schlugen damit obendrein den Bogen zur Sparkasse in Ebersberg: "Unser Landrat kafft ois!" Und auch das neue Bier der Nachbarstadt bekam einigen Spott ab, allein selig machend sei doch nur das gute alte Wildbräu! Beneidet, so die Clowns, hätten sie Ebersberg immer nur um eines: seinen Bürgermeister. Zum Abschied hatten sie daher eine Hommage an den "Walter" geschrieben, denn "der war immer so viel geiler als unser Rudolf Heiler".

Grafing Variete 2020

Das Mädchenturnen entführt in Unterwasserwelten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein persönliches Ständchen bekamen außerdem der Senger Franze, eine der schillerndsten Figuren Grafings, und Thomas Huber. Den CSU-Mann fassten die Clowns diesmal aber nicht ganz so hart an, vielmehr zeigten sie aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme echtes Mitleid. Auch der Bürgermeisterin hatten sie freilich ein Gstanzl gewidmet, Steilvorlage waren hier die Haschpflanzen in den Grünanlagen der Stadt: Seitdem sei "Angie wieder völlig normal, ein ganz entspanntes, lustiges Madl". Höhepunkt aber war ein Lied über die zwei geplanten Kindergärten im Angesicht der menschlichen Endlichkeit: einer neben dem Friedhof, einer über einem Bestattungsinstitut. Hier ließen die Clowns ihrer Fabulierkunst so richtig freien Lauf - à la "Bi-Ba-Boandlkramer" oder "Ich geh mit meiner Urne".

Viel Stoff hatten Giagl, Ferdl und Wiggal also wieder gesammelt, um die Obrigkeiten zu derblecken, um von "Defiziten und Fauxpas" singen zu können. Vom Seisi Franz bis zum Bundes-Andi, sie alle bekamen ihr Fett weg - und die Clowns aus dem Parkett reichlich Dank in Form von Flüssigem. Diesmal hatten sie sogar im doppelten Sinne eine Fahne: Mit einem neuen roten Wimpel konnten die Zuschauer Bestellungen für die Bühne anzeigen, so dass an deren Rand teils ein ganzes Sammelsurium aus Schnaps, Bier, Prosecco und Espresso stand. Da mussten die "Rambinios", die fleißigen Bühnenhelfer, das ein oder andere mal zu Hilfe eilen.

Grafing Variete 2020

"High Energy" beeindruckt mit Hebefiguren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anfang und Ende gehörten traditionell der Garde des TSV, den "Beinakrobatinnen mit dem Zahnpastalächeln", wie die Direktoren sie ankündigten: Die Mädels rund um Gardemajor Susanne Kreitmaier, darunter viele neue Gesichter, eröffneten den Abend mit dem obligatorischen Marsch und beschlossen ihn mit einer fetzigen Choreo in Jeans und Glitzerblouson: "Turn on the night" durfte wohl als Einladung zur After-Show-Party verstanden werden. Eine Tanzperformance legte auch High Energy auf die Bretter: Die Truppe der Faschingsbären beeindruckt seit zehn Jahren mit Hebefiguren und Pyramiden, die auf der Bühne der Stadthalle wegen fehlender Höhe indes nicht ganz ausgereizt werden konnten.

Allerhand Akrobatik gab es auch von den Gruppen des TSV. "Coole Kids" eroberten als Bienchen, Pinguine und Aliens die Herzen im Sturm, da wurde gekugelt und gepurzelt, dass es eine Freude war. Ganz auf Anmut setzten die Mädchen der "Unterwasserwelt", da wogten Arme und Beine wie Seegras, da flatterten Bänder in Wellen und Wind. Beim "Frühlingsfestival" wirbelten Klein und Groß durch die Luft, eine abwechslungsreiche Choreografie von romantisch bis poppig. Ebenfalls viele Facetten gab es unter dem Titel "Light Warriors" zu sehen: Den Kampf von Gut und Böse zelebrierten die Akrobatinnen in malerischen, mystischen und kraftvollen Bildern. Auch einen fröhlich-bunten Flashback in die Achtzigerjahre bescherten die Turnerinnen den Zuschauern, viel Schwung und Salto inklusive. Mit einem dynamischen Solo sorgte Evi Kaiser für Staunen, die sowohl bei Movimento als auch bei diversen Turngruppen aktiv ist: In einem riesigen Riefen, einem Cyr wheel", kreiselte sie schwindelerregend über die Bühne - "Never really over".

Schnittstelle zwischen Sport und Humor - und ein Highlight - war die Kuschel-Bären-Bande Grafing (KBBG). Bereits zum zweiten Mal stieg sie nun schon in die Fußstapfen der legendären Tschippendales, die ihr Engagement beim Varieté aus Altersgründen beendet hatten. Den eigenen Anspruch, Höchstleistung zu zeigen, verdeutlichte schon der Titel: "Wird knapp, aber machbar". Zunächst übten sich die Jungs zu den Back Street Boys in bester Boygroupmanier, sogar Paartanz und ein paar Hebefiguren konnte man entdecken, dann tanzten sie in Netzstrümpfen und Federboas zu "Lady Marmalade". Das Publikum? Außer Rand und Band!

Außerdem gab es zwei Mal Laientheater: Auf der "MS Grafing" war für die Faschingsbären "Kein Land in Sicht". Sie führten bei starkem Seegang die Konkurrenten um den Bürgermeisterposten vor: Amtsinhaberin Angelika Obermaier (Grüne) erprobte als Sirene ihre Verführungskünste, Christian Bauer (CSU) surfte auf der Kompetenz-Sympathie-Welle, Christian Kerschner-Gehrling (SPD) erlitt Schiffbruch und Claus Eimer (FDP) brachte Rettung in Form eines Kübels: So konnte das Wasser aus dem Maschinenraum abgeschöpft werden. Das zweite Stück kam von der Feuerwehr, unter dem Titel "Schaugt's amoi" erlebte man hier eine Stadtführung. Ein Hingucker: Harry Medl als "Tinkerbell" auf Rollerblades, während Kommandant Georg Schlechte als verzweifelter stotternder Hühnerbauer begeisterte: "kaputt-putt-putt-putt-putt". Und das alles in Grafing!

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