Süddeutsche Zeitung

Nach Wasserburger Vorbild:Hilferuf beim Kunstverein

Wegen völliger Überlastung planen die Verantwortlichen eine Veränderung der Organisationsstruktur: Künftig soll die alltägliche Arbeit von einer offiziellen Geschäftsstelle abgewickelt werden

Von Anja Blum

Hinter der hehren Kunst steckt oftmals sehr viel schnöde, trockene, mühsame Arbeit. Zumal, wenn es um einen ganzen Zusammenschluss geht, um einen Kunstverein, der sowohl dem Publikum als auch seinen Mitgliedern etwas bieten möchte. In Ebersberg hat sich die Situation nun derart zugespitzt, dass eine gravierende Veränderung der Organisationsstruktur im Raum steht: Die Verantwortlichen wollen eine offizielle Geschäftsstelle einführen, die auf 450-Euro-Basis besetzt werden soll. "Wir sind alle völlig überlastet", sagt Andreas Mitterer, der Vorsitzende des Kunstvereins. "Hinschmeißen" aber sei für niemanden eine Option, weswegen eine spürbare Entlastung durch eine Bürokraft wohl die einzig sinnvolle Lösung sei. Darüber beratschlagen wird der Verein bei seiner Mitgliederversammlung am kommenden Sonntagabend.

Etwa 250 Mitglieder zählt der Ebersberger Kunstverein momentan, auf der Agenda stehen zwei Galerien, die bespielt werden wollen. Etwa acht Schauen organisieren die Verantwortlichen pro Jahr in der Alten Brennerei, darunter eine freie Mitglieder- und eine jurierte Jahresausstellung. Das Studio an der Rampe können die Mitglieder nutzen, um ihre Werke eigenständig zu präsentieren. Darüber hinaus gibt es etliche andere Veranstaltungen und Projekte wie Konzerte, einen Aktzeichenkurs, die "Mittwochsmaler" oder die Bereicherung des öffentlichen Raums durch Skulpturen. "Es gibt eigentlich ständig irgendwelche Dinge parallel zum normalen Betrieb", sagt Mitterer. Und auch um die schönen, aber alten Räumlichkeiten im Klosterbauhof muss man sich immer wieder kümmern. Eine Menge zu tun also.

Geführt jedoch wird der Ebersberger Kunstverein bislang ausnahmslos ehrenamtlich. Vier Mitglieder zählt der Vorstand, sie übernehmen die klassischen Aufgaben: "Wir zwei reden vor allem schlau daher", sagt Mitterer lachend über sich und seine Stellvertreterin Geraldine Frisch, "nein, im Ernst, wir organisieren alle Abläufe und vertreten den Verein nach außen". Unterstützt werden sie von Schriftführerin Martina Brenner und Schatzmeisterin Heidi Obermaier. Hinzu kommen zehn Beiräte, die in erster Linie Patenschaften für jeweils große Ausstellungen übernehmen. Alle zwei Monate gibt es eine Zusammenkunft, bei der laut Mitterer alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Außerdem sind einmal im Monat alle Interessierten zu einem zwanglosen Austausch eingeladen.

18 Termine im Jahr - das klingt zunächst nicht nach viel, doch die Arbeit beschränkt sich beileibe nicht darauf: "Allein der tägliche Mailverkehr und das Telefonieren fressen unglaublich viel Zeit", sagt Mitterer, der die Geschäfte zusammen mit Frisch seit 2016 leitet. "Dabei sollte es doch vor allem unsere Aufgabe sein, das Vereinsleben zu gestalten, Ideen zu entwickeln und Menschen zu begeistern." Bereits zu Beginn ihrer Amtszeit hatten Frisch und Mitterer versucht, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, indem sie drei "Teams" mit unterschiedlichen Themen einführten, doch daraus wurde nichts. "Vielleicht auch, weil wir damals noch gar nicht wussten, was wir überhaupt wie delegieren sollten."

Nun möchten die Vorsitzenden das Alltagsgeschäft gerne "auslagern" in eine offizielle Geschäftsstelle. Ein Büro ist bereits vorhanden. Was fehlt, sind die Zustimmung der Mitglieder und eine Finanzierung des Minijobs. Laut Mitterer ist der Kunstverein nämlich ohnehin nicht sonderlich liquide: Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Fördertöpfen reichten nicht einmal aus, den Künstlern der Einzelausstellungen eine angemessene Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen. "Schön wäre, wenn man sich da mal nicht schämen müsste." Insofern wollen die Verantwortlichen den Mitgliedsbeitrag, der momentan bei 45 Euro pro Jahr liegt, nun gerne erhöhen, außerdem möchten sie sich um Zuschüsse für die geplante Bürokraft bemühen.

Um sich zu informieren, wie so eine neue Organisation des Vereinslebens funktionieren könnte, waren die Ebersberger kürzlich zu Besuch beim AK 68, dem Wasserburger Kunstverein. Dieser nämlich spielt größenmäßig in der gleichen Liga und unterhält seit mehr als zehn Jahren eine Geschäftsstelle. Deren Volumen wurde sogar erst aufgestockt, von einem Minijob auf eine "kleine Festanstellung", wie der Vorsitzende Dominic Hausmann sagt. Wie viele Stunden genau diese beträgt, kann er allerdings gar nicht benennen, schließlich würden diese dem Posten ohnehin nicht gerecht: Die Leiterin der AK-Geschäftsstelle, Traudi Parstorfer, sei obendrein Mitglied und arbeite viel mehr als offiziell vereinbart. "Man könnte so eine Stelle auch locker mit 40 Stunden bestücken", sagt Hausmann. In Wasserburg jedenfalls habe sich die Geschäftsstelle sehr bewährt: Parstorfer telefoniere und maile nicht nur, sondern wickle auch den alltäglichen Zahlungsverkehr ab und bereite die Buchhaltung vor.

Eine andere Stelle indes hat der AK 68 nach acht Jahren abgeschafft, die eines festen Kurators nämlich: "Meine Politik zielt hier auf Abwechslung", erklärt der Vorsitzende, "denn wenn sich verschiedene Menschen um die Ausstellungen kümmern, schafft das kreative Vielfalt, und man erreicht beim Publikum eine ganz andere Bandbreite". So, wie das beim Ebersberger Kunstverein schon lange der Fall ist.

Ebersberger Kunstverein, Mitgliederversammlung mit Neuwahlen, am Sonntag, 7. April, um 18 Uhr im Studio an der Rampe.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2019
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