Süddeutsche Zeitung

Nach Verzicht auf Bundestagskandidatur:Kein Wort über den Rückzieher

Der Auftritt von Regierungssprecherin Sabine Heimbach beim Aschermittwoch in Steinhöring lässt Fragen offen

Georg Reinthaler

Die spannende Frage spart Sabine Heimbach an diesem Abend bei den Parteikollegen in Steinhöring aus. Dabei hätte der Aschermittwoch der stellvertretenden Sprecherin der Bundesregierung durchaus Gelegenheit gegeben, ihren überraschenden Rückzieher von einer Kandidatur für den Bundestag noch etwas näher zu erläutern. Doch auch das Publikum schien an Hintergründen kein Interesse zu haben. Niemand meldete sich zu Wort. Und auch die Nachfrage der SZ nach der Veranstaltung wollte die Anzingerin nicht weiter beantworten: "Ich bin weiterhin Gemeinderätin und zu meinen bisherigen Stellungnahmen gibt es nichts hinzuzufügen." So war es beim angekündigten Thema geblieben: dem demografischen Wandel, in dem Heimbach in erster Linie "die daraus entstehenden Chancen" erkennt.

Die Alterung der Gesellschaft stelle ein Thema dar, welches alle Menschen täglich betreffe, "und trotzdem ist es in der Öffentlichkeit immer noch zu wenig präsent". Neben der Politik seien gerade auch die Bürger selbst gefordert, das kooperative Zusammenleben von Jung und Alt auch in Zukunft zu ermöglichen. "Im Landkreis Ebersberg kommen im Jahr 2030 laut Prognosen 43 Rentner auf 100 Erwerbstätige. Es darf daher kein Gegeneinander geben", betonte Heimbach. Gerade in ländlichen Gemeinden wie Steinhöring werde die Sicherstellung der medizinischen Versorgung immer mehr älterer Mitbürger eine große Herausforderung. "Die Menschen sollen den Landarzt schließlich nicht nur aus dem Fernsehen kennen." Man müsse gerade auch die Vorteile der demografischen Entwicklung, allen voran die steigende Lebenserwartung sehen. So biete die dadurch längere Rentenzeit nach dem Beruf einen persönlichen Lebensabschnitt mit vielen neuen Möglichkeiten.

Aus den Reihen der etwa 30 Besucher im Tullinger Dorfgemeinschaftshaus kamen zahlreiche Wortmeldungen. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. "Das Betreuungsgeld ist unvernünftig, man müsste vielmehr eine staatliche Rente für Mütter auflegen, die ihre Kinder zuhause betreuen", regte ein Zuhörerin an. Hierzu verwies Heimbach, auch Gemeinderätin in Anzing, auf die Zukunftschancen, welche die Bundesregierung jungen, gut ausgebildeten Frauen bieten wolle, um den Kinderwunsch mit dem Beruf zu vereinbaren. "Niemand spricht über die vielen Mütter mit niedrigeren Bildungsabschlüssen, die sich trotzdem bewusst für die Kindererziehung zuhause entscheiden. Stattdessen werden überall Betreuungsplätze geschaffen, die Kinder sehen ihre Eltern nur noch abends und die Bedeutung der Familie sinkt immer weiter", beklagte ein Vater von zwei Kindern.

Heimbach erklärte, dass der Staat den in der Gesellschaft vorherrschenden Familiengedanken nicht übergehen könne. Zudem müsse man auch an die Alleinerziehenden denken, welche auf Erwerbstätigkeit angewiesen seien. "Und außerdem sollten wir im Arbeitsmarkt nicht auf die Kompetenzen der Frauen verzichten." Mehrere Diskussionsteilnehmer gingen auf die zunehmend unsichereren Arbeitsverhältnisse junger Menschen ein, die eine Familiengründung oftmals unmöglich machten. Ein Zuhörer merkte an, dass die Rente mit 67 ohnehin nur vorübergehend ausreiche, um das System im Gleichgewicht zu halten. "Langfristig ist eine erneute Anhebung des Renteneintrittsalters zwingend erforderlich."

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Quelle:
SZ vom 15.02.2013
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