Eskalation in Zornedinger CSU-Affäre:Vize-Ortsvorsitzender beleidigt den Pfarrer

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Johann Haindl bezeichnet Olivier Ndjimbi-Tshiende in einem Interview als "Neger"

Von Carolin Fries, Zorneding

Mit einer rassistischen Äußerung über Zornedings dunkelhäutigen Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat der stellvertretende CSU-Ortsvorsitzende Johann Haindl die Diskussion um die umstrittene Vorsitzende Sylvia Boher befeuert. Haindl wird in der Ebersberger Zeitung mit den Worten zitiert: "Der muss aufpassen, dass ihm der Brem (Zornedings Altpfarrer, Anm. d. Red.) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger."

Ndjimbi-Tshiende hatte sich nach den rechtspopulistischen Äußerungen Bohers im CSU-Magazin in einem Interview kritisch über die Christsozialen in Zorneding geäußert, am Donnerstag hatte der Pfarrgemeinderat in einem offenen Brief dann darum gebeten, die auf dem Titelblatt des Parteiorgans abgebildeten Kirchtürme künftig nicht mehr zu verwenden.

Der Pfarrer fühlt sich beleidigt und behält sich rechtliche Schritte vor

Pfarrer Ndjimbi-Tshiende, 66, der die Pfarrei Sankt Martin vor drei Jahren übernommen hat, empfindet die Worte des CSU-Politikers und Pfarreimitglieds als "rassistische Beleidigung". Der gebürtige Kongolese, der seit 2005 in Deutschland lebt und arbeitet und seit 2011 deutscher Staatsbürger ist, will sich von der Rechtsabteilung des Ordinariats beraten lassen und behält sich rechtliche Schritte vor. "Sollte das Zitat korrekt sein", schreibt das Erzbistum in einer Pressemitteilung, verurteile man "diese Entgleisung eines politischen Mandatsträgers auf das Schärfste."

Der zuständige Dekan Thomas Kratochvil zeigte sich "entsetzt": "Das macht für mich die Partei höchst fragwürdig". Die Intensität der rassistischen und rechtspopulistischen Äußerungen erschrecke ihn. In der jüngsten Ausgabe des "Zorneding Report" hatte Sylvia Boher gegen Flüchtlinge gehetzt. Der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber sagte, er habe mit Johann Haindl gesprochen, dieser habe bestritten, sich so geäußert zu haben. Die EZ betont dagegen, das Zitat sei so gefallen. Für die SZ war Haindl nicht zu erreichen, der Katholischen Nachrichtenagentur sagte er aber, er habe eine "flapsige Bemerkung" gemacht, die ihm leid tue, an die genaue Wortwahl könne er sich nicht erinnern. Huber selbst grenzt sich "entschieden und eindeutig von solchen Äußerungen ab". Er verweist auf das christliche Menschenbild in der Grundordnung der Partei, und "deswegen dulde ich so etwas nicht". Haindl wolle den Pfarrer um Entschuldigung bitten.

Der Kreisvorsitzende bittet die Landesleitung zu prüfen, ob Haindls Äußerung ein Partei-Ausschlussverfahren rechtfertigt

Huber fordert, der CSU-Ortsvorstand solle sich in einer Sondersitzung ebenfalls von dieser Äußerung distanzieren. Auf die Frage, ob Haindls Worte - sollten sie denn so gefallen sein - ein Parteiausschlussverfahren rechtfertige, sagt Huber: "Dies ist eine juristische Fragestellung, um deren Prüfung ich die CSU-Landesleitung gebeten habe." Erst in der vergangenen Woche hatte sich der CSU-Ortsvorstands außerordentlich getroffen, nachdem die Vorsitzende Sylvia Boher im "Zorneding Report" gegen Flüchtlinge gehetzt hatte. In der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend hat nun Johannes Schott, ebenfalls stellvertretender Ortsvorsitzender, öffentlich den freiwilligen Rücktritt Bohers gefordert. Die mehr als 40 Zuhörer im Rathaus applaudierten spontan. Schott sagte, die Entwicklungen nach der Veröffentlichung von Bohers Kommentar hätten "eine Dimension erreicht", die in seinen Augen keine andere Alternative zuließen: "Ich erwarte als nächsten Schritt den Rücktritt der Vorsitzenden."

Nur eine Woche zuvor hatten sich Vorstand und Gemeinderatsfraktion einstimmig hinter Boher gestellt und lediglich eine Pressemitteilung herausgegeben, in der die undifferenzierte Betrachtung bedauert und die Meinungsfreiheit betont wird. Der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber hatte gar die "große Bandbreite an verschiedenen Sichtweisen" in der Partei hervorgehoben. Für ihn sei der Kommentar weder rechtspopulistisch noch fremdenfeindlich.

Sylvia Boher selbst reagierte in der Gemeinderatssitzung nicht auf die Rücktrittsforderung, auch die weiteren sechs CSU-Gemeinderäte äußerten sich nicht. Die Ortsvorsitzende hatte zuvor in einer Stellungnahme bedauert, dass ihr Artikel "Spielraum für falsche Interpretationen" gelassen hätte, worauf die Zuhörer mit Gelächter reagierten.

Sie habe niemandem zu nahe treten wollen. "Fehler passieren, es ist wichtig, dass man sie einsieht." Bürgermeister Piet Mayr (CSU) betonte anschließend, dass alle Entscheidungen zur Unterbringung von Asylbewerbern in der Gemeinde quer durch die Fraktionen einstimmig getragen wurden.

"Wir schätzen das Asylrecht und fördern keine rechtsradikalen Tendenzen", sprach Schott für den Ortsvorstand und die Gemeinderatsfraktion.

SPD, Grüne, Freie Wähler und FDP verurteilten die Äußerungen Bohers im "Zorneding Report" scharf. "An Perfidie kaum zu überbieten" seien die Inhalte Bohers Artikel, sagte SPD-Fraktionssprecher Werner Hintze: "Vielleicht war es ein Fehler, gegen ähnliche Machwerke von Frau Boher nicht schon früher anzugehen." Das könne den Eindruck erwecken, bislang sei alles in Ordnung gewesen. "Das war es nicht", betont Hintze. Boher hätte nun lediglich "eine weitere Aggressionsstufe erreicht".

Grünen-Fraktionssprecher Helmut Obermaier sagte, der Artikel sei "kein Versehen". "Sie haben genau gewusst, was Sie erreichen wollen." Peter Pernsteiner (FDP) sagte, "eine Doktor der Politik muss wissen, was sie sagt und was sie schreibt", Wilhelm Ficker (Freie Wähler) bezweifelte die Aufrichtigkeit von Bohers Entschuldigung.

Die Rücktrittsforderung Schotts wurde positiv zur Kenntnis genommen. Diese sei "dringend nötig", sagte zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder, Obermaier zollte Schott "großen Respekt" für seinen Mut.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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