Nach Morddrohungen:Die letzte Messe

Um dem zurückgetretenen Zornedinger Pfarrer einen Spießrutenlauf zu ersparen, wird er mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Unterdessen gibt es viele Solidaritätsbekundungen - und Schuldzuweisungen an die örtliche CSU

Von Carolin Fries, Zorneding

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende wird in Zorneding keine Gottesdienste mehr halten, er wurde mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Darauf einigten sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung der 66-jährige Seelsorger und das Erzbischöfliche Ordinariat. Damit soll verhindert werden, dass jede Messe für den Pfarrer zu einer Art medialem Spießrutenlaufen werden könnte, hieß es am Montag in München. Der aus dem Kongo stammende Priester hatte am Sonntag im Gottesdienst seinen Rückzug aus Zorneding zum 1. April angekündigt, weil er mehrere rassistisch motivierte Morddrohungen erhalten hatte. Ndjimbi-Tshiende wollte eigentlich noch die Ostertage in seiner Pfarrei feiern. Doch angesichts der großen öffentlichen Resonanz auf seinen Rückzug wäre das weder dem Seelsorger noch der Gemeinde zuzumuten.

Aus dem Ordinariat hieß es, es gehe auch darum, den Pfarrer vor zusätzlicher Aufmerksamkeit und möglichen weiteren Anfeindungen zu schützen. "Ndjimbi-Tshiende bittet Öffentlichkeit und Medien um Verständnis dafür, dass er keine Interviews geben und sich nicht weiter zu den Vorgängen äußern wolle", heißt es in einer Mitteilung des Ordinariats. Die Situation sei für ihn sehr belastend gewesen, gleichwohl blicke er ohne Verbitterung auf seine Zeit in Zorneding zurück. Er sei im Jahr 2012 in der Gemeinde freundlich aufgenommen worden, habe viele Freunde gewonnen und sei gut bei den Gläubigen angekommen. Er wisse, dass viele seinen Weggang bedauerten. Zugleich hoffe er auf Verständnis für seine Entscheidung. Olivier Ndjimbi-Tshiende fühle sich "nunmehr erleichtert", heißt es.

Nach Morddrohungen: Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat am Sonntag seinen letzten Gottesdienst in Zorneding gehalten.

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat am Sonntag seinen letzten Gottesdienst in Zorneding gehalten.

(Foto: Christian Endt)

Umso größer ist die Bestürzung der Menschen in Zorneding und dem Landkreis. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) sagte am Montag, er sei "völlig entsetzt" gewesen, als er von den Drohungen erfahren habe. "Für mich ist so etwas unvorstellbar. Das sind dumme Menschen, die so etwas machen, wirklich dumme." In einem gemeinsamen Schreiben an den Pfarrer erklärten sich außerdem alle Bürgermeister der 21 Landkreisgemeinden solidarisch mit dem Seelsorger. "Wir schämen uns für dieses unwürdige und inakzeptable Verhalten einzelner Menschen in unserem Landkreis!", steht in der Stellungnahme. Man bedauere den Fortgang des Pfarrers sehr, wenngleich es "nachvollziehbare Konsequenzen" seien. Der gesamte Landkreis verliere einen "aufrechten und geradlinigen Menschen und engagierten Pfarrer". Weiter heißt es: "Die Menschen stehen hinter Ihnen!" Die Kreis-SPD und der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer erklärten: "Es darf und kann nicht sein, dass in unserem Rechtsstaat ein Mensch auf solch kriminelle Weise mundtot gemacht wird, nur weil er es wagte, seine Stimme gegen Fremdenhass und Hetze zu erheben."

Zornedings evangelischer Pfarrer Manfred Groß nannte die Drohungen ein "nicht entschuldbares Verhalten". Er habe mit Ndjimbi-Tshiende stets gut zusammengearbeitet, vor allem im Bereich der Ökumene. "Er war umgänglich, freundlich, er hat für mich dazugehört", sagte Groß. Die Vertreter der politischen Fraktionen im Ort äußerten sich in gleicher Weise. Er sei "zutiefst schockiert", dass der Pfarrer nach den verbalen Attacken im vergangenen Herbst erneut angegriffen wurde, sagte FDP-Gemeinderat Peter Pernsteiner. Franz Lenz (FW) äußerte sich bereits am Sonntag: "Ich schäme mich." Der Grünen-Fraktionssprecher Helmut Obermaier machte die örtliche CSU mitverantwortlich für die Situation, die "dem rechten Mob eine Stimme gegeben hat". In einer Stellungnahme der Kreis-Grünen heißt es: "Insbesondere die frühere CSU-Ortsvorsitzende Sylvia Boher hat mit ihrer rechten Stimmungsmache Ausländerfeindlichkeit propagiert und unser gesellschaftliches Klima vergiftet." Zornedings SPD schrieb, die Gemeinde erhalte jetzt die Quittung für "das Herumlavieren des Bürgermeisters und die wachsweiche Haltung der CSU nach den Entgleisungen von Frau Boher". Der Ortsvorsitzende Werner Hintze hielt es für "überfällig", dass die CSU auf Orts- und Kreisebene Boher "endlich auffordert, ihr Gemeinderatsmandat aufzugeben". Und auch die Kreis-FDP führt die rassistisch motivierten Drohungen auf "geistige Brandstifter" wie Boher und ihren ehemaligen Stellvertreter Johann Haindl zurück. Boher hatte im örtlichen Parteiblatt gegen Flüchtlinge gehetzt, Haindl den Pfarrer rassistisch beleidigt. Beide sind von ihren politischen Ämtern zurückgetreten, anders als Haindl blieb Boher aber Gemeinderätin. Beide waren am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Ehefrau Haindls schimpfte ins Telefon, ihr Mann würde "keinen Ton" sagen. Sylvia Boher schrieb in der Nacht auf Montag allerdings eine E-Mail an die SZ, in der sie Spiegel Online mit dem Satz zitiert "Papst spricht von ,arabischer Invasion' in Europa", und fragt: "Darf der Papst das ohne Ihren Zuspruch so sagen?"

Kirche in Zorneding

Seit 2012 war der aus dem Kongo stammende Pfarrer in der Zornedinger Pfarrei St. Martin.

(Foto: Kampwerth)

In den sozialen Netzwerken zielen viele Kommentare auf eine Mitschuld der CSU ab. "Tja, liebe Partei mit dem C im Namen: Seid Ihr jetzt zufrieden?", heißt es. Oder "Was ist nur los mit dieser CSU in Zorneding?" Im Zentrum der Kritik steht das späte Vorgehen der Parteispitze im Landkreis im vergangenen Herbst, als die damalige Ortsvorsitzende Sylvia Boher im Parteiblatt "Zorneding Report" gegen Flüchtlinge hetzte. Erst Wochen später trat sie auf Druck von oben zurück. "Ob das alles nicht passiert wäre, wenn die Situation damals anders abgearbeitet worden wäre, ist Spekulation", sagte Landrat Niedergesäß. Es sei viel hinter den Kulissen diskutiert worden, "es war eine Zerreißprobe für die CSU". Neben denen, die Boher kritisiert hätten, hätten etliche die Meinung vertreten, so etwas müsse man ansprechen dürfen. Der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber sagt: "Ich glaube im Nachhinein, das unser Vorgehen richtig war." Eine Rücktrittsforderung könne er nur aussprechen, wenn diese Erfolg versprechend sei. Inzwischen habe Boher in der Partei keine Führungsposition mehr. Ihre Funktionen als Schriftführerin im Kreisvorstand und als Beisitzerin im Bezirksvorstand seien politisch bedeutungslos. Der CSU eine Mitverantwortung an den Morddrohungen zu geben, sei böswillig.

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende sagte am Montag dem Ordinariat, er blicke nun nach vorne und freue sich auf den priesterlichen Dienst an einem neuen Ort. Im Zentrum stehe für ihn, der Kirche Jesu Christi zu dienen. Die Zornedinger Pfarrei wird zunächst mitadministriert werden, vermutlich von einem Pfarrer aus der Nachbarschaft. Die Stelle wird ausgeschrieben. Das Ordinariat betont, dass alle Messen und auch die Ostergottesdienste in der Zornedinger Pfarrkirche stattfinden.

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