Nach langer Krankheit:"Es geht auch ohne mich"

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Georg Hohmann am Dienstag nach knapp sechsmonatiger Auszeit: Der Markt Schwabener Bürgermeister arbeitet vorerst nur halbtags. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 wird er nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, der bald 67-Jährige hat dann die Altersgrenze erreicht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Markt Schwabens Bürgermeister Georg Hohmann ist nach knapp sechs Monaten zurück im Rathaus. Er spricht offen über seine chronische Erschöpfung - und wie er sie überwunden hat

Interview von Korbinian Eisenberger

Das bisher jüngste Telefonat der SZ mit Georg Hohmann ist fünfeinhalb Monate her. Mitte April hatte sich der Markt Schwabener Bürgermeister wegen seines Gesundheitszustands in eine lange Pause verabschiedet. Wie damals ruft der SPD-Politiker auch diesmal von selbst an. Es ist Dienstagvormittag, der zweite Tag, an dem Georg Hohmann wieder im Rathaus anzutreffen ist. Der 66-Jährige sitzt im selben Büro auf dem selben Stuhl. An seinem Arbeitsplatz hat sich kaum etwas verändert. Aber offenbar hat sich der Mann, der hier arbeitet, verändert.

SZ: Herr Hohmann, was haben Sie im vergangenen halben Jahr gemacht?

Georg Hohmann: Zuletzt war ich von Ende Juli bis Ende August in einer Fachklinik für Psychosomatik am Chiemsee. Davor habe ich knapp drei Monate gebraucht, um herunterzukommen, auf ärztlichen Rat. In dieser Zeit bin ich viel herumgereist. Nach Wien, Frankfurt, Salzburg, Nürnberg und an die Nordsee. Ich bin Fahrrad gefahren, habe mir knapp 20 Kunststellungen angesehen und endlich wieder Romane gelesen. Und Zeitung ohne Zeitdruck.

Den Ebersberger Lokalteil auch?

Ja, auch da habe ich regelmäßig hineingeschaut. Ich habe mitverfolgt, was aus Markt Schwaben berichtet wurde.

Ihnen wurde eine Mischung aus Burnout und chronischem Erschöpfungszustand diagnostiziert. Stören die Nachrichten aus der heimischen Lokalpolitik nicht die Heilung, das Abschalten?

Ich habe zwar mitbekommen, was daheim passiert. Aber eben mit großem Abstand. Ich wusste, was auch immer sich tut, ich kann jetzt nicht eingreifen.

Sie sind seit sieben Jahren Chef in Markt Schwaben, ein Bürgermeister durch und durch. Wie schwierig war es da, diesen Schritt des Loslassens zu schaffen?

Ich hatte zwei Vorteile, die mir das Loslassen erleichtert haben: Meine Stellvertreter im Rathaus, Albert Hones und Joachim Weikel, sowie eine mittlerweile gut aufgestellte Verwaltung, von der ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen kann. Und: Ich habe meinen Zustand in einem vergleichsweise frühen Stadium erkannt. Das Problem überhaupt zu erkennen und dann darauf zu reagieren ist entscheidend. Reagieren heißt: raus aus allem.

Woran machen Sie das Frühstadium fest?

Im Gegensatz zu vielen meiner Mitpatienten wusste ich noch, welche Dinge mir gut tun. Wandern, Lesen, Radfahren, Städtereisen. Andere mussten viel weiter vorne anfangen. Erst wieder herausfinden, wie sie zu Entspannung und Freude gelangen.

Sind Sie jetzt genesen?

Ich würde sagen, zu hundert Prozent. Es dauerte aber. Ich habe allein zweieinhalb Monate gebraucht, um in ein Leben zu kommen, das man Leben nennen kann.

Wie meinen Sie das?

Ich musste wieder die kleinen Dinge lernen: Eine Kurzgeschichtensammlung von Elke Heidenreich lesen. Wandern, spazieren gehen. Sich in ein Kaffeehaus setzen und einfach nur Leute beobachten.

Vorher ging sowas nicht mehr?

Ich habe als Bürgermeister zuletzt nur noch funktioniert, und private Nebentöne zunehmend ausgeblendet. Irgendwann bin ich nicht mehr ins Wirtshaus gegangen, habe mein Fahrrad stehen gelassen, statt eine Tour zu machen. Seit Beginn der konkreten Planungen für das neue Schulzentrum habe ich kein Buch mehr gelesen.

Sind Bürgermeister stärker gefährdet?

Wenn man nicht aufpasst, kann einem das Amt über den Kopf wachsen. Wie oft saß ich bis weit nach Mitternacht im Büro, kaum einmal ein Tag am Wochenende, an dem ich keine Termine hatte.

Das Schicksal des Amts?

Bei mir kam hinzu, dass mich daheim niemand erwartet hat. Die Bürgermeister im Landkreis leben fast alle in einer Partnerschaft. Albert Hingerl in Poing, Angelika Obermayr in Grafing, Walter Brilmayer in Ebersberg. Man hört auch von Gemeinderäten, wie gut es ihnen tut, wenn man sich nach einer Abendsitzung daheim den Frust von der Seele reden kann. Ich lebe alleine und konnte das nicht. Und so hatte ich auch niemanden, der mich bremst.

Wie machen Sie weiter? Ändern sie was?

Ich werde mich strenger an die Arbeitszeiten halten. An zwei bis drei Abenden unter der Woche möchte ich Freizeit haben. Jetzt fange ich stufenweise wieder an. Erst vier Stunden am Tag, dann sechs, dann acht.

Sind solche Vorsätze denn mit dem Bürgermeisteramt überhaupt vereinbar? Was ist mit den vielen Events am Wochenende?

Auch da werde ich kürzer treten. Hier haben mir Gespräche mit Bürgermeisterkollegen in Dachau und Erding geholfen. Die machen auch mal am Samstag oder Sonntag Termine. Aber nicht so viele wie ich. Das will ich nun ändern.

Werden die Markt Schwabener das annehmen?

Ich habe schon mit einigen Vereinen im Ort gesprochen und viel Verständnis gespürt. Es geht auch ohne mich. Im Rathaus, und auch sonst.

Hätten Sie noch Zeit für ein Foto?

Ja, aber der Fotograf muss sich beeilen. Um 12.20 Uhr sind die vier Stunden für heute um, dann gehe ich heim.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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