Nach Initiative des Alten Kinos:"Diese Zeit ist vorbei"

Nach Initiative des Alten Kinos: Poetisch verspielter, deutscher Rock-Pop mit Hang zum Weltschmerz, das war die legendäre Ebersberger Band „Zeitzeuge“. 2012 gaben Tobias Mückenberger, Alex Kölbl, Benedikt Michael, Bini Kneidl und Moritz Michael ihr Abschiedskonzert im Alten Kino.

Poetisch verspielter, deutscher Rock-Pop mit Hang zum Weltschmerz, das war die legendäre Ebersberger Band „Zeitzeuge“. 2012 gaben Tobias Mückenberger, Alex Kölbl, Benedikt Michael, Bini Kneidl und Moritz Michael ihr Abschiedskonzert im Alten Kino.

(Foto: Christian Endt)

Die Musiker der Ebersberger Band "Zeitzeuge" sind bewegt von der Resonanz auf den Livestream ihres Abschiedskonzerts. Ein Revival kommt für sie trotzdem nicht infrage

Interview von Thorsten Rienth

Die Ebersberger Band Zeitzeuge war Anfang der 2010er Jahre so etwas wie die Hausband des Alten Kinos. Beim Abschiedskonzert vor acht Jahren lief die Kamera mit. Am Samstagabend hat die Kleinkunstbühne den Abend im Livestream noch einmal aufleben lassen - verbunden mit der Hoffnung auf ein Comeback der Zeitzeugen. Ein Anruf bei den Brüdern Moritz und Benedikt Michael, Sänger und Keyboarder der Band.

SZ: "Alle, die dabei waren, wissen noch, wie die Gänsehaut durch den ganzen Raum ging." So hieß es in der Ankündigung des Livestreams. Übertrieben?

Moritz Michael: Als Musiker ist die Perspektive auf ein Konzert eine sehr technisch-perfektionistische, weniger eine emotionale. Ich erinnere mich zum Beispiel noch daran, dass gleich beim zweiten Lied ein Einspieler nicht funktioniert hat. Das hat mich wahnsinnig geärgert!

Benedikt Michael: Das Adrenalin habe ich vor allem vor den Konzerten gespürt, meistens erst kurz vor dem Auftritt. Bei dem Abschiedskonzert haben wir damals hinter dem Vorgang angefangen zu spielen. Er ging auf - und wir sehen ein volles Altes Kino vor uns. Das war natürlich ein Gänsehautmoment.

Sein eigenes Konzert anschauen - wie wirkt der Perspektivwechsel?

Benedikt Michael: Ich hatte fast ein bisschen Angst vor dem Stream. Ich hatte das Video vorher noch nicht gesehen und wusste nicht so recht, wie es auf mich wirken würde. Dann wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, wie viel unsere Musik den Leuten bedeutet. Vielleicht auch dadurch, dass sich nach all den Jahren so viele Leute für den Livestream interessiert haben.

Wer damals etwas auf sich hielt in Ebersberg, lief mit dem "Zeitzeuge"-Kapuzenpulli herum, pechschwarz und mit ein paar davonfliegenden weißen Schmetterlingen darauf.

Benedikt Michael: Dass da eine Art Hype um uns herum war, habe ich damals überhaupt nicht wahrgenommen. Ich würde auch eher sagen, dass es zu dieser Zeit einen allgemeinen Hype um lokale Livemusik gab.

Moritz Michael: Ich bin dankbar für diese Video-Erinnerung. Die Bilder zeigen, wie hoch gerade bei den jungen Leuten der Stellenwert der Livemusik lag. Es war richtig viel los in der Gegend: In Grafing gab es das JIG mit einer Bühne. In Ebersberg das JUZ, die Erste Etage, das Alte Kino...

Benedikt Michael: ... oder das Taste of Boars-Festival. Spotify kannte damals noch niemand. Wer Musik hören wollte, ging auf Konzerte. Die Bands haben sich gegenseitig stark unterstützt. Oft waren die Musiker auch untereinander befreundet. Also haben sie wiederum ihren Freundeskreis zu den Konzerten der anderen Bands mitgenommen. Dadurch konnte sich eine sehr aktive Musikszene etablieren. Leider ist diese Zeit definitiv vorbei. Nicht nur in Ebersberg, auch in anderen Städten.

Wie fühlen sich mit Anfang 20 geschriebene Lieder an, wenn man sie mit Anfang 30 nochmal anhört?

Moritz Michael: Viele der Songs wirken aus heutiger Perspektive unwirklich. Sie sind einfach nicht mehr stimmig, inhaltlich wie musikalisch. Mit Anfang 20 ist das Leben ein anderes. Man ist mitten im Erwachsenwerden, man zweifelt, man ist unsicher. Vieles davon spiegelt sich in den Liedern wider.

Unwirklich wirkt es auch, ein Konzert via Smartphone zu besuchen.

Benedikt Michael: Kunst und Kultur leben von der physischen Anwesenheit. Kein Bildschirm kann sie ersetzen. Die Livestreams sind keine Lösung. Sie sind eine Notlösung, die hoffentlich nicht dazu führen wird, dass sich Kunst und Kultur noch mehr unter Wert verkaufen. Warum wir trotzdem mitmachen? Um das Alte Kino zu unterstützen, ganz klar.

In der Ankündigung des Livestreams war die Rede von einem Revival...

Moritz Michael: Wir wissen, dass es diesen Wunsch gibt. Aber jeder aus der Band ist seinen Weg gegangen. Ein Leben lebt davon, dass sich immer wieder Neues ergibt. Wir sind alle noch in Kontakt, treffen uns einmal im Jahr zum Essen. Ein Revival oder eine Reunion waren und sind kein Thema. Die Musik von damals ist mit der Zeit von damals zu Ende.

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