Nach einer Krisensitzung am Dienstagabend:Versöhnung im Grafinger Ökumenestreit

Der katholische Pfarrer Hermann Schlicker relativiert die umstrittenen Äußerungen seines Mesners.

Thorsten Rienth

GrafingSie haben gemacht, was für ihre Religion ganz wesentlich ist: sich versöhnt. Nach einer Aussprache zwischen Vertretern beider Grafinger Kirchengemeinden am Dienstagabend ist der Grafinger Ökumenestreit beigelegt. Der katholische Pfarrer Hermann Schlicker entschuldigte sich für die umstrittenen Äußerungen seines Mesners. Sein evangelischer Amtskollege Axel Kajnath akzeptierte die Entschuldigung.

Über Jahre hinweg war Grafing als Vorbild eines aktiven und respektvollen Miteinanders von Katholiken und Protestanten bekannt. Nach einem Beitrag des neuen Mesners der Grafinger Sankt Ägidius Kirche, Andreas Krause, in den aktuellen Pfarrverbandsnachrichten "Don Quichotte" schien dieser Ruf ernsthaft in Gefahr. Ökumene bedeute nicht, "eine Einheit herzustellen, in dem sich auch Protestanten die Hostie vorne abholen dürfen und dieses große Geheimnis des Glaubens zu einem profanen Mahl degradiert wird", schrieb er darin unter andrem. Auch andere, ähnliche spitze Formulierungen kamen vor. "Jenseits des guten Geschmacks", urteilte Kajnath nach der Veröffentlichung des Textes: "Uns wird der Status einer Kirche abgesprochen." Solange sich die katholische Kirche nicht von Krauses Äußerungen distanziere, werde er als Pfarrer nicht mehr in der katholischen Kirche auftreten, drohte Kajnath. Der Streit hätte also die in wenigen Tagen geplante "Lange Nacht der Kirchen" ernsthaft überschattet.

Diese Gefahr ist nun abgewendet: "Wenn wir durch das Abdrucken des Artikels von Herrn Andreas Krause im letzten Don Quichotte religiöse Gefühle unserer evangelischen Glaubensbrüder und -schwestern verletzt haben, so bitten wir dafür um Entschuldigung. Dies war und ist nicht unsere Absicht und tut uns von Herzen leid", schrieb Pfarrer Schlicker in einer am Mittwochvormittag veröffentlichten Erklärung. "Die evangelischen Christen in Grafing, deren Gemeinde wir nicht nur als ,kirchliche Gemeinschaft', sondern als die evangelische Kirche anerkennen, sind nach wie vor in unserer Mitte herzlich willkommen."

Er werde diese Sätze zudem in der nächsten Ausgabe seiner Pfarrverbandsnachrichten abdrucken, kündigte Schlicker an. Die Verantwortlichen in der evangelisch-lutherischen Gemeinde könnten seine Feststellung "überall dorthin weiter geben, wohin sie das für gut halten".

Bei Pfarrer Kajnath, der sich am Morgen nach der Aussprache ebenfalls mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit wandte, stießen Schlickers Worte auf Wohlwollen. "Das Gespräch fand in einer sehr offenen und vertrauensvollen Atmosphäre statt, die von der jahrelangen guten Beziehung zeugte", lobte Kajnath. Schlickers Worte seien in der evangelischen Kirchengemeinde "dankbar angenommen" worden. Teilnehmer des Gesprächs waren neben den beiden Pfarrern der Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderats, Karl Betzenbichler, sowie die Vertrauensfrau des evangelischen Kirchenvorstands, Liselotte Rosin.

"In dem Gespräch wurde auch deutlich formuliert, dass trotz bestehender theologischer Unterschiede zwischen den beiden Kirchen die Achtung vor der religiösen Überzeugung des anderen sowie der jeweils unterschiedlichen Glaubenspraxis gewahrt werden sollte", gab Kajnath einen Einblick.

Er schloss mit dem für die Organisatoren der ökumenischen "Langen Nacht der Kirchen" wohl wichtigsten Satz in der gesamten Erklärung: "Wir freuen uns nun, die ,Lange Nacht der Kirchen' gemeinsam begehen zu können und sehen darin ein deutliches Zeiten unseres gemeinsamen, von Vielfalt geprägten Glaubens."

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