Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung, das erkannte bereits der griechische Philosoph Heraklit vor zweieinhalbtausend Jahren. Eine Weisheit, die selbst für eine traditionelle Institution wie die Ebersberger Musikschule gilt. Zwar beschäftigen sich die Kinder und Jugendlichen dort immer noch mit Bach, Debussy und Co. - doch rund um diesen Markenkern dreht sich alles weiter, denn die Angebote und Strukturen spiegeln stets den gesellschaftlichen Wandel wider.
Dazu gehören viele positive Entwicklungen - zum Beispiel, dass die Musikschule, die in 16 Gemeinden des Landkreises aktiv ist, zunehmend mit anderen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen kooperiert. Von der Kita bis zur Schule, von der musikalischen Früherziehung bis hin zu Singklassen oder Bläserbanden. Die Ausbildung von Stimme und Gehör sowie am Instrument hat also längst den Elfenbeinturm verlassen. Dank der Kooperationen und mithilfe von Zuschüssen aus der öffentlichen Hand erreicht das Angebot der Musikschule nicht mehr nur den Nachwuchs des betuchten Bildungsbürgertums. "Wir wollen Zugänge schaffen für möglichst viele Kinder", sagt Musikschulchef Wolfgang Ostermeier. Bildungsgerechtigkeit, kulturelle Teilhabe und Integration seien Leitziele der Musikschulentwicklung. Seine Vision sei deshalb "ein Campus, auf dem sich Erzieher, Lehrer und Musikschulkräfte die Klinke in die Hand geben".

Und nun steht auf dem Bildungssektor eine Veränderung bevor, die diesem Ziel großen Vorschub leisten könnte: Ab 2026 wird es einen Rechtsanspruch geben auf Ganztagsbetreuung an der Grundschule. Das bedeutet: Die Schulen müssen ein Nachmittagsprogramm gestalten, das jeweils den Betreuungsbedarf abdeckt. "Doch da stellt sich nun die Frage: Wird das eine beliebige Bespaßung - oder kann es gelingen, niveauvolle Bildungsangebote zu machen, von denen die Kinder auch wirklich etwas haben?", sagt Ostermeier. Zwar habe das Kultusministerium den Grundschulen empfohlen, sich für den Ganztag mit Partnern vor Ort zusammenzutun, etwa mit Sportvereinen oder Musikschulen. "Aber einen Masterplan, wie genau solche Kooperationen realisiert und finanziert werden könnten, gibt es leider nicht."
Umso mehr sehe sich die Musikschule Ebersberg in der Pflicht, Gespräche anzustoßen, Konzepte zu entwickeln und den Schulen passende Angebote zu machen. Musiktheater, Orff-Orchester, Chöre, Aktionstage - vieles sei möglich. "Und wir möchten uns jetzt schon für den offenen Ganztag in Stellung bringen", sagt Ostermeier, denn solche Programme ließen sich nicht kurz vor knapp aus dem Boden stampfen. Schließlich brauche es dafür nicht nur genügend entsprechend ausgebildetes Personal und passende Räume, sondern auch eine tragfähige Finanzierung. Doch genau deshalb sei die Musikschule der richtige Partner für diese Herausforderung, sagt Verwaltungsleiterin Susanne Wagner. "Wir können sowohl die Schulen als auch die Kommunen als Sachaufwandsträger finanziell und personell entlasten." Zum Beispiel ließen sich über den Musikschulverband für derlei Kooperationen zusätzliche Zuschüsse generieren, sodass man auf eine Mischkalkulation bauen könne.

Vorreiter in dieser Hinsicht sei momentan Grafing, sagt Ostermeier. Die dortige Grundschule lasse ihren gebundenen Ganztag sowie die Mittagsbetreuung nun auslaufen und starte dann bereits im kommenden Herbst mit dem offenen Ganztag. Außerdem habe man schon Kontakt aufgenommen zur Musikschule und diversen örtlichen Vereinen, um gemeinsam ein ansprechendes Nachmittagsangebot zu gestalten. Für dessen Koordination habe man sogar einen entsprechenden Verein aus Rosenheim engagiert.
Der neue Betreuungsanspruch im Grundschulalter könnte der Musikschule ab 2026 also gehörig Aufwind verschaffen, aber auch jetzt schon erfahre man großen Zuspruch seitens der Familien, sagt Ostermeier. "Wir wollen vor allem anstiften zum gemeinsamen Musizieren - und das gelingt ganz wunderbar." Sowohl in der Breite, etwa durch große Konzerte mit zahlreichen unterschiedlichen Ensembles, als auch in der Spitzenförderung verzeichne man messbare Erfolge. Gerade läuft auch wieder die Einschreibezeit für das kommende Schuljahr, noch bis Freitag, 7. Juni, können Interessierte sich beraten lassen, Schnupperstunden vereinbaren und sich anmelden.

Doch es gibt auch dunkle Wolken am Musikschul-Himmel, nämlich klamme kommunale Kassen. Mit 16 Gemeinden hat die Bildungseinrichtung Verträge, von Egmating im Westen bis Frauenneuharting im Osten, vom Baiern im Süden bis Markt Schwaben im Norden. Jeweils für ein Jahr bezuschussen die Kommunen gewisse Stundenkontingente, sprich: Musikunterricht für Schülerinnen und Schüler aus dem jeweiligen Ort. Denn gäbe es diese Förderung nicht, könnten sich diesen wohl nur wenige Familien leisten. "Allerdings ist die Musikschule, im Gegensatz zur Erwachsenenbildung der VHS, für die Kommunen eine freiwillige Aufgabe", erklärt die stellvertretende Leiterin Karolin Alliger. Das bedeutet: Steht eine Gemeinde finanziell nicht gut da, kann die Versuchung groß sein, an dieser Stelle zu sparen. "Und wenn dann selbst aus dem Kultusministerium der Vorschlag kommt, in der Grundschule bei Musik und Kunst zu kürzen, ist das natürlich genau das falsche Signal", so Alliger.
Also blicken die Musikschulmacher auch mit Sorge in die Zukunft, denn inzwischen befinden sich gleich mehrere ihrer Kommunen auf Sparkurs. Ganz besonders akut sei die Situation gerade in Aßling, sagt Ostermeier, dort sei für das kommende Schuljahr eine drastische Kürzung des Stundenkontingents geplant. Deshalb habe man für Kinder aus dieser Gemeinde leider bereits einen Aufnahmestopp verhängen müssen, nun bilde sich eine lange Warteliste. "Aber wie sich diese schmerzhaften Kürzungen konkret auswirken werden, wissen wir bislang nicht", sagt Ostermeier. Momentan stehe er in engem Kontakt mit Bürgermeister und Gemeinderat, so der Musikschulchef, um gemeinsam eine möglichst für alle verträgliche Lösung zu finden. "Einen kühlen Kopf zu bewahren und miteinander zu reden ist das Einzige, was in solchen Momenten hilft. Dann nämlich lässt sich gemeinsam die Zukunft gestalten."