Süddeutsche Zeitung

Musik im Grünen:Motivation mit Mozart

Die "Hofmusik München" setzt beim Gartenkonzert in Ebersberg ein starkes Zeichen zur Belebung der Kulturszene im Landkreis. Am Dienstag spielt das Ensemble in Vaterstetten

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Mozart im Grünen, die "Gran Partita"-Serenade vorgetragen vom 13-köpfigen Ensemble der Hofmusik München - Nina Karmon und Oliver Triendl haben es verstanden, "die Initiative zu ergreifen und ein Zeichen zu setzen". So hatten die beiden Ebersberger Künstler in ihrer Einladung für den Samstagabend geschrieben, ihre Absicht betont, das Corona-bedingt schlummernde Kulturleben im Landkreis wieder zu wecken. Ein kleiner Kreis an Gästen, etwa vier Dutzend Freunde und Nachbarn waren eingeladen, um an der Premiere des Formats "Gartenkonzert" im privaten Zuhause teilzuhaben. So ließen sich Abstände einhalten und der Aufwand eines Kartenverkaufs vermeiden. Das Risiko mit dem Wetter gingen die Gastgeber ein; angesichts des zwar dramatisch bewölkten, aber durchweg trockenen Freitags war Triendl bei seiner Begrüßung dann sichtbar erleichtert, dass dem Kunstgenuss kein Unbill drohte.

Um es vorweg zu nehmen: Das Wagnis, die Mühe haben sich gelohnt. Selbst wenn man den Enthaltsamkeits-Bonus abzieht, den nach langem Verzicht auf live konzertierte klassische Musik jeder Liebhaber gern gibt, war der Auftritt von außergewöhnlicher Qualität. Kein Wunder, wenn man sich die Provenienz der Musiker ansieht: Bamberger Symphoniker, Sächsische Staatskapelle, Mozarteum-Orchester, Münchner Philharmoniker und Bayerisches Staatsorchester, das Münchener Kammerorchester sowie das eigene Hofmusik-Ensemble als verbindende Klammer. Das Geflecht an Beziehungen, das Triendl pflegt und das sich auch immer wieder in der Besetzung der von ihm kuratierten Reihen spiegelt, ist in der Tat nicht hoch genug einzuschätzen. Dass er es nutzt, um seinem Kulturkreis ein Zeichen des Wiedererwachens zu geben, ist aller Ehren wert.

Die Musikerinnen und die Musiker haben sich, gemeinsam mit ihren Instrumenten, die vorausgeschickten Ausrufezeichen uneingeschränkt verdient. Die vier Hornisten zum Beispiel - Franz Daxinger, Wolfram Sirotek, Rainer Schmitz, Alexander Boruvka - waren ausnahmslos mit Naturhörnern angetreten, denen sie die maximale Bogenlänge aufgesteckt hatten. Schon unter normalen Umständen eine Herausforderung ans Können der Spieler, erwies sich das Quartett mit seinem vollen, warmen Klang als tragende, unerschütterliche Komponente durch die ganzen sieben Sätze der Serenade. Vergleichbar mit einem sanften, weichen Tuch, das sich manche im Garten um die Schultern geschlagen hatte, ging von den Hörnern das Wohlgefühl aus. Sie fanden dabei Begleitung auf Augenhöhe in den beiden "Genussfagottisten" Thomas Eberhardt und Ruth Gimpel, die mit ihren Instrumenten lustvoll in der freien Natur spazieren gingen, und in Thomas Herbst, der seinen Kontrabass mit einer Spielfreude aus dem Dasein als Wegbegleiter befreite, dass einem die Ohren übergingen.

Was es ausmacht, "blind" aufeinander eingespielt zu sein - dafür gibt Mozart in den sieben Sätzen, verteilt auf eine gute Dreiviertelstunde, zahlreiche Gelegenheiten. Die Oboen, am ersten, dem "Konzertmeister"-Pult dürfen oft den Ton an- und das Tempo vorgeben, setzen die glänzenden Akzente und sind für die frechen Einsprengsel gebucht. Wie Yukino Thompson und Irene Draxinger darüber hinaus aber ihre Fäden durchs Klangbild weben, gelegentlich sogar mit flinkem Flügelschlag zu Ausflügen abheben, das bringt ihnen auch von den Mitspielern anerkennende Blicke ein. Ein Genuss für sich waren die beiden Bassett-Hörner, gespielt von Albert Osterhammer und Jochen Seggelke. Das zu Mozarts Zeiten noch junge Instrument, vom Komponisten mit leichter Hand und bezwingender Energie im Dialog mit den Klarinetten eingesetzt, sorgt in der Gran Partita für jene charakteristische Klangkomponente, die im Jazz dem Saxophon zukommt. Wie sie nach dramatischen Ritardandos wieder die Fahrt beschleunigen oder mit langem Atem einem Tempowechsel den Weg bereiten, war insbesondere im 5. Satz ein größtmögliches Vergnügen. Stefan Schneider und Fidelis Edelmann an den Klarinetten machten dann anschließend in den beiden volksmusikalisch geprägten Schlusssätzen die spielerische so leicht erscheinende, aber komplex geschriebene Ansage zum Tanz. Mozart mustergültig.

In seinem Programmblatt hatte Oliver Triendl einige Sätze Antonio Salieris zur "Grand Partita" zitiert, darunter: "Voll tiefster Sehnsucht, einer so unstillbaren Sehnsucht, dass ich erbebte und es mir schien als hörte ich die Stimme Gottes." Da ist es, dem zunächst fast andächtigen, dann immer fröhlicheren Beifall nach zu schließen, den Konzertgästen am Freitagabend in einem Ebersberger Garten nicht anders ergangen.

"Gran Partita" von Mozart: Konzert der "Hof-Musik" am Dienstag, 21. Juli, um 19 Uhr, Maria Königin in Baldham, je nach Wetter auf dem Vorplatz oder in der Kirche. Spenden erwünscht.

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SZ vom 20.07.2020
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