Musik aus Kuba:Sommer in Grafing

Jazz im Turm

Der Star des Abends: Die chilenische Sängerin Isabel Casas.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Nueva Vista" wärmt beim Jazz im Turm die Seelen

Von Claus Regnault, Grafing

Ein eisiger Ostwind trieb die Grafinger in den Jazzturm der Stadthalle, doch in dessen Innerem erlebten sie dann tatsächlich noch einen Nachsommer: Die Gastgruppe der Jam-Session, Nueva Vista, hat sich seit eineinhalb Jahren der lateinamerikanischen Musik verschrieben und dazu als Star die chilenische, derzeit auch in München studierende Sängerin Isabel Casas geholt. Und was diese Gruppe im ersten Set des Abends an mitreißender kubanisch inspirierter Musik bot, vermittelte das reinste Sommergefühl.

Die lateinamerikanische Musik ist ein Produkt aus den von den afrikanischen Sklaven importierten Rhythmen, vermischt mit heimischer Indiomusik und der Musik der spanischen Eroberer. Ihr Markenzeichen sind ihre rhythmische Vielfalt, aus diesen Quellen gespeist, und eine folklorenahe Melodik. Es ist eine Musik des Tanzes, ablesbar an Isabel Casas' körperbetonter Performance, einer Gestik fortwährender Bewegung von eminent erotischer Ausstrahlung. Ein tänzerisch bewegter Gesang, der das Publikum faszinierte und an das warme Klima dieser Musik erinnerte.

Ihr Repertoire bezieht sie aus dem reichen Schatz des berühmten kubanischen "Buena Vista Social Club". So begann das Konzert mit einer Nummer des legendären kubanischen Percussionisten Chano Pozo "Guachi Guaro". Er war es, der in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Rhythmen Lateinamerikas in die gerade entstehende revolutionäre Bebop-Musik eines Dizzy Gillespie und eines Charly Parker pflanzte. Er wurde in New York ermordet, weil er nach Meinung der lateinamerikanischen Sekte afrikanischen Ursprungs, der er angehörte, deren geheime Rhythmen preisgegeben hatte. Unter den weiteren Nummern: "Marieta" und das balladenhafte "Silencio".

Die begleitenden Musiker der Nueva Vista sind ausnahmslos beredte Profis dieser Musik: Der Leader Harald Kuhn an der Trompete würzte den lateinamerikanischen Sound brillant mit bebop-nahen Phrasen, Bassist Manolo Diaz phrasierte perfekt, Matthias Preissinger am Piano sorgte virtuos für Auflockerung und die zwei Drummer Roman Seehon am Schlagzeug und vor allem der großartige Percussionist Charly Böck breiteten das große Arsenal südamerikanischer Rhythmen gekonnt im Jazzturm aus.

Besonders interessant aber wurde der Abend durch die Gegenüberstellung der tänzerischen Seele der lateinamerikanischen Musik mit der so ganz anderen, die melodische Linie improvisatorisch entfaltenden Subjektivität des Jazz. Denn bei der Session nach der Pause - bereichert durch die Einsteiger Joachim Jann am Altsaxofon, Christian Doll am Piano, und vor allem Martin Wessalowski mit seinem virtuos gestalteten Gitarrenspiel, ferner um die zwei Mongolen Temka (Saxofon) und Husleen (Drums) und Frank Haschler als Botschafter südamerikanischer Percussion - ereignete sich ein Full-Power-Einstieg mit dem Bebop-Klassiker "Night in Tunisia". Und da konnte auch Isabel Casas ihre andere Seite zur Geltung bringen, den Jazzgesang, und bewies dabei sogar eine noch viel ausdrucksreichere Stimme. Der volle Saal war mehr als zufrieden: Das Publikum der Grafinger Jazzinitiative hatte an diesem Abend zwei Musikkulturen in ihrem Kontrast und ihrem je eigenen Reichtum erlebt.

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