Ebersberger Museums-Chef:"Zum Fremdeln hatten wir gar keine Zeit"

Vor 16 Monaten hat Hannes Müller seine Stelle als Leiter des Museums für Wald und Umwelt in Ebersberg angetreten. Kurz darauf brannte es, dann kam Corona. Im Gespräch mit der SZ erzählt er über seine ersten Monate im neuen Amt.

Interview von Franziska Langhammer, Ebersberg

Waldmuseum Sanierungsfortschritt

Eigentlich wollte er den Bereich Umweltbildung im Museum ausbauen. Statt dessen muss sich Hannes Müller als neuer Museumsleiter jetzt intensiv mit der Sanierung des historischen Gebäudes befassen - hier bei einem Baustellenbesuch im September 2020.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als er im Dezember 2019 die Leitung des Museums für Wald und Umwelt in Ebersberg übernahm, wollte Hannes Müller sich vor allem auf den Schwerpunkt Umweltbildung fokussieren. Der 36-jährige Geoökologe konnte nicht ahnen, welche Aufgaben auf ihn warteten.

SZ: An einem Ihrer ersten Arbeitstage ging das Museum in Flammen auf, danach folgte Corona. Jetzt, nach etwa 16 Monaten im Amt: Wie läuft's?

Hannes Müller: Die Pandemie ist nach wie vor eine große Belastung. Das nimmt auch zu, je länger das Ganze läuft. Unsere Veranstaltungen werden immer weniger nachgefragt, die Leute sind sehr verunsichert. Wir sind viel im Home-Office, das Team hat weniger Kontakt untereinander. Nach dem Brand haben wir alle zusammen angepackt. Man hat eng zusammen gearbeitet, wir hatten viel Hilfe und diesen Spirit. Diese große Unterstützung war auch unglaublich motivierend. Jetzt bei Corona ist es genau andersherum: Die Distanz macht es viel schwieriger, Probleme zu lösen. Im Vergleich zum Brand hat Corona mich als Teamleiter doch härter getroffen.

Wie haben Sie Ihren Arbeitsstart erlebt?

Ich wurde nachts angerufen, da war der Brand schon gelöscht. Es hieß, dass niemand verletzt wurde und alles unter Kontrolle ist. Am nächsten Morgen um sieben war ich dann am Rathaus beim Bürgermeister. Wir haben uns auch die Brandstelle angeschaut, gemeinsam mit Ines Linke, meiner Vorgängerin. Ich habe gleich gemerkt, dass das Rathaus und das Bauamt gut aufeinander eingespielt sind. Anfangs musste ich gar nicht viel koordinieren, dazu wäre ich auch gar nicht in der Lage gewesen, als frisch dazu gekommener Quereinsteiger.

Waren Sie über das Ausmaß des Brands erschrocken?

Im Gegensatz zu anderen Beteiligten hatte ich noch nicht so eine starke Beziehung zu dem Gebäude. Daher konnte ich diesen Umbruch relativ schnell akzeptieren. Ich war heilfroh, dass keine Exponate und keines der Holzbücher von Candid Huber zu Schaden gekommen waren. Alle anderen aber, die schon viel länger mit dem Museum zu tun hatten und wussten, wie viel Arbeit darin steckte, waren fassungslos und niedergeschlagen. Vielleicht auch, weil sie schon wussten, wie viel Zeit und Aufwand es kosten würde, das Museum wieder aufzubauen. Das war mir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht so klar. Ich habe geguckt, was die nächsten Schritte sind, und war froh, Leute zu haben, die schon organisatorische Erfahrung hatten. Später, nach drei, vier Wochen, habe ich erst realisiert, was der Brand bedeutet. Alles, was ich vorher geplant hatte, musste ich neu bedenken.

Mit welchen Plänen waren Sie eigentlich gestartet?

Ich habe meinen Job begonnen mit dem Vorhaben, einen Schwerpunkt auf die Umweltbildung zu legen, Programme weiterzuentwickeln und mich auf Netzwerkarbeit zu konzentrieren. Stattdessen war ich vor allem mit Versicherungen und Bauvorhaben beschäftigt. Richtig arbeitsintensiv wurde es, als eine Sanierungsfirma alles Stück für Stück rausgerissen hat. Ich musste Tausende Entscheidungen treffen: Was bleibt drin? Wie können wir die Schäden dokumentieren? Wohin mit den unzähligen Exponaten? Das war mit die anstrengendste Zeit. Danach war ich fix und fertig. Auch meine Mitarbeiter haben plötzlich alle ganz neue Aufgabenbereiche bekommen. Eine wilde Zeit.

Gab es auch eine positive Seite dieses Starts?

Mit dem Förderkreis des Museums hatte ich dadurch gleich eine engere Bindung, das Team ist stärker zusammen gewachsen. Zum Fremdeln hatten wir gar keine Zeit.

Die Brandursache ist bis heute nicht geklärt. Bereitet Ihnen das schlaflose Nächte?

Darüber denke ich gar nicht nach. Das ändert nichts für uns, wir müssen sowieso alles neu denken. Die Gutachter meinten, es kann eigentlich nur Brandstiftung sein - der Brand war draußen am Gebäude, dort gab es keine elektrischen Geräte. Zum Zeitpunkt des Brands war es finster, schon zwei Stunden dunkel, und relativ kalt. Da war keine Menschenseele am Museum. Also ideale Bedingungen für jemanden, der zündeln möchte. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen gegen Unbekannt eingestellt, Brandbeschleuniger konnte auch nicht eindeutig gefunden werden. Das ist aber oft so, dass man den nicht mehr nachweisen kann. Die Feuerwehr hat aber auch vermutet, dass mit Brandbeschleuniger gearbeitet worden ist.

Inwieweit schränkt die Pandemie Ihre Arbeit derzeit ein?

Was uns viel beschäftigt, ist die Raumplanung. Bei schlechtem Wetter müssen viele Veranstaltungen dann doch nach drinnen verlegt werden, aber uns fehlen nach dem Brand die Räume. Da müssen wir ständig improvisieren. Wir haben auch sehr viele Änderungen unseres Programmhefts, über die wir alle Interessenten informieren müssen - für allem für unsere Verwaltungsangestellten ein Wahnsinn. Für uns wäre es eine unheimliche Hilfe, wenn sich die Interessenten ein paar Tage früher anmelden würden zu den Kursen, und nicht auf den letzten Drücker. Auch die Kassenkräfte sind immer mal wieder in der Schwebe; wenn das Museum zu hat, stehen sie ohne Arbeit da. Genau so geht es den 15 freien Mitarbeitern, die bei uns die Umweltbildungsprogramme anbieten. Das sind normalerweise um die 400 Veranstaltungen im Jahr, 2020 waren es unter 100 Veranstaltungen. In Sachen Hygieneschutzkonzept für das Museum haben wir uns seit Beginn der Pandemie schon zwölf verschiedene Verordnungen überlegt.

Die Sanierung des Museums soll dieses Jahr noch abgeschlossen werden.

Das hat sich noch mal geändert. Aus Sicht des Architekten wollten wir natürlich möglichst schnell fertig werden. Das hätte jedoch bedeutet, dass das Museum den ganzen Sommer über geschlossen ist. Das wollte ich vermeiden, zumindest ein Raum sollte für Veranstaltungen genutzt werden können. Dadurch verzögert sich der Ablauf jetzt um zwei Monate, und wir sind dann frühestens im Februar 2022 fertig. Durch Corona kommt es aber auch zu Lieferengpässen an allen Stellen. Deswegen rechne ich eigentlich mit weiteren Verzögerungen. Dank des angepassten Bauablaufs bleibt das Museum aber teilweise nutzbar. Das ist ein Riesenvorteil.

Sie bieten Kurse in Sachen Achtsamkeit an. Hilft Ihnen das auch selbst gegen den Stress?

Ich persönlich mache für mich immer wieder Achtsamkeitsübungen, bin auch privat viel draußen in der Natur. Ich habe mir das schon länger zur Routine gemacht, einfach mal barfuß zu laufen, mich hinzusetzen und die Geräusche wahrzunehmen. Wenn ich Stress in der Arbeit hatte, nehme ich mir immer wieder Zeit für mich. Und eigentlich merkt man das immer erst einen Tag später: Man kommt viel frischer wieder zurück in die Arbeit. Wenn man andere Reize für eine Zeit lang mal ausblendet, funktioniert die Regeneration meistens über Nacht. Oft fühlt man sich getrieben, auch wenn man es gar nicht sein müsste. Das muss man immer mal wieder zu brechen. Dabei helfen Achtsamkeitsübungen sehr gut. Wegen Corona haben die Kurse dazu leider noch nicht stattgefunden.

1,2 Millionen Euro

kostet die Sanierung des Gebäudes aktuellen Schätzungen zufolge. Dieser Schaden ist zu einem großen Teil von der Gebäudeversicherung gedeckt. Die neue Dauerausstellung ist in der Kalkulation noch nicht mit inbegriffen, hier arbeiten Stadt und Museumsteam noch an einem Konzept und können daher noch keine Zahlen nennen. Das bisherige Ausstellungskonzept ist 15 Jahre alt; bis zur Umsetzung des neuen Konzepts soll es noch etwa drei Jahre dauern.

Die Dauerausstellung, die seit 2004 im Museum zu sehen war, soll neu konzipiert werden. Welche Pläne gibt es da?

Schwerpunkt wird der Zugang zum Wald über das Lebewesen Baum. Darüber kann man die Verknüpfung zu Candid Huber machen, der sich im 18. Jahrhundert auch schon über das Zusammenleben von Schädlingen und Nützlingen Gedanken gemacht hat. Wie abhängig sind wir von Bäumen? Oder mit Blick auf die Zukunft: Wie wollen wir eigentlich leben? Auch das soll thematisiert werden. Da können wir jetzt ganz neu rangehen und auch die Umweltstation in das Konzept mit einbinden.

Was ist der Zeitplan für die Dauerausstellung?

Wir sind am Anfang der Konzeption und wollen sie in den nächsten drei Jahren fertig stellen.

Bevor Sie nach Vaterstetten, Ihrem jetzigen Wohnort, gezogen sind, waren Sie viel unterwegs: In Frankfurt an der Oder geboren, Studium in Bayreuth, Promotion in Berlin, dann Karlsruhe. Wie geht es Ihnen jetzt in Bayern?

In meiner Freizeit gehe ich gerne Klettern und Wandern, von daher ist das eine tolle Ecke. Nachdem ich in Berlin gelebt habe, habe ich mich immer mehr verkleinert, was die Städte angeht. In Karlsruhe war das schon ganz schön, da war ich viel draußen, auf der Schwäbischen Alb oder im Nationalpark Schwarzwald, unterwegs. Und das ist jetzt, in Vaterstetten, noch viel einfacher.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 16 Monaten im Amt?

Ich fände es toll, wenn wir weiterhin als Team so gut zusammen arbeiten, und wünsche mir, dass wir gestärkt aus diesem ganzen Coronastress herauskommen. Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, im Team wieder mehr Sachen zu machen, zum Beispiel gemeinsam zu grillen. Wir haben tolle Projekte, die weiterlaufen, neue Sonderausstellungen, die wir für 2022 geplant haben. Ich hoffe, dass wir alle bald wieder ein bisschen durchschnaufen und in unsere Strukturen finden können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: