Prozess am Landgericht:"Ich interessiere mich für eine Kastration mit Zange"

Landgericht I und II in München

Ein 67-Jähriger steht vor dem Münchner Landgericht II, weil er bei acht Männern Kastrationen und andere operative Eingriffe im Genital- und Analbereich vorgenommen haben soll.

(Foto: dpa)

Ein Mann aus dem Landkreis Ebersberg soll mehrere Männer kastriert haben, einer von ihnen ist gestorben. Am achten Verhandlungstag kommen einige Lügen und Ungereimtheiten ans Licht.

Von Johanna Feckl

Die Wahrheit ist ein rares Gut. Auf die Gerichtsverhandlung vor dem Münchner Landgericht II um den Fall eines 67-jährigen Mannes aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg könnte dieses Sprichwort wohl kaum besser passen: Bei acht Männern soll der Elektriker Kastrationen und andere operative Eingriffe im Genital- und Analbereich vorgenommen haben, einer der Männer ist im Nachgang an eine solche OP in der Obhut des Angeklagten gestorben. Die Anklage lautet auf schwere und gefährliche Körperverletzung sowie auf Mord durch Unterlassen. Nicht nur sind im Laufe des Prozesses schon einige Lügen des Angeklagten ans Licht gekommen, auch ein Zeuge hat es bei seiner ersten Aussage vor Gericht nicht ganz so genau genommen mit der Wahrheit. Am Dienstag, den mittlerweile achten Verhandlungstag, saß er ein zweites Mal vor dem Vorsitzenden Richter Thomas Bott.

Der Zeuge, ein Mann Mitte 60, ist laut Anklageschrift der siebte Kunde des Beschuldigten gewesen - und somit der letzte der betroffenen Männer, bei dem die vorgenommenen Eingriffe mehr oder weniger glimpflich ausgegangen waren. Er behauptete zunächst, sich wegen eines entzündeten Intim-Piercings telefonisch an den Angeklagten gewendet zu haben, der Kontakt kam über einschlägige Google-Foren zusammen. Im Telefonat hätte man sodann vereinbart, die Hoden des Zeugen zu entfernen - und zwar auf Ansinnen des Angeklagten. Wie der Zeuge am Dienstag mehrfach betonte, habe er ursprünglich lediglich die Entzündung seines Piercings in den Griff bekommen wollen.

Mails entlasten den Angeklagten

"Sie haben aber davor auch gemailt", sagte Richter Bott und konfrontierte den Zeugen mit den Auswertungen elektronischer Daten. Die zuständige Sachverständige las daraufhin eine Nachricht vor, in der es unter anderem heißt: "Ich interessiere mich für eine Kastration mit Zange." So genau wisse er das nicht mehr, antwortete der Zeuge. Daraufhin wurde noch eine Nachricht vorgelesen, aus der eindeutig hervorging, dass der Zeuge eine Kastration wünschte - und diese Nachricht verschickte er bereits zwei Tage vor dem Eingriff. "Ja", sagte der Zeuge schließlich. "Ich gebe zu, dass ich mir von Anfang an die Hoden entfernen lassen wollte." Aus Scham habe er diesen Umstand bislang verheimlicht. Dem Angeklagten kommt dieses Wendung positiv zugute, wie Richter Bott später erklärte. Denn zuvor stand im Raum, dass er den Zeugen zu einer Kastration überredet haben könnte.

Die Frage, auf wen die ursprüngliche Idee der Kastration zurück geht, war aber nicht die einzige, die das Gericht den Zeugen ein zweites Mal laden ließ. Es ging auch um ein Zehner-Pack Insulin: Im Kühlschrank des Angeklagten wurde eine solche angebrochene Packung aufgefunden. Der 67-Jährige behauptete zu Beginn des Prozesses, das Insulin stamme von einem nahen Angehörigen mit einer Diabetes-Erkrankung, der mittlerweile gestorben ist. Das Insulin hätte er in den Abfluss gespritzt, um dünne Spritzen für seine elektronischen Basteleien zu haben.

Nun: In der Wohnung des Angeklagten wurde ein Foto gefunden, das zeigt, wie jemand in einen Penis Insulin spritzt und zwar mit Insulin aus einer dieser Packungen. Das Rezept dafür war auf den Namen des Zeugen ausgestellt. Hat dieser das Insulin dem Angeklagten verkauft und dafür weniger für seine Kastration zahlen müssen - schließlich kostet ein solches Zehnerpack knapp 130 Euro? Dieser Schluss lag für das Gericht nahe.

Der Zeuge bestritt dies. Vielleicht habe er die Packung beim Beschuldigten nach der OP vergessen oder dieser habe sie ihm aus der Reisetasche geklaut, aber wissentlich habe er sie ihm nicht überlassen. "Sie können uns heute also genau sagen, wie viel Insulin-Packungen in Ihrem Kühlschrank sind", so der Vertreter der Nebenklage. Zuvor benannte der Zeuge diese Zahl auf sechs. "Und dann wollen Sie nicht gemerkt haben, dass Ihnen auf einmal eine ganze Packung fehlt?" Unvereidigt wurde der Zeuge schließlich entlassen. Er blieb bei seiner Version. Im Dezember wird ein Urteil in dem Fall erwartet.

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