Ebersberger Tattoo-Studio:Der Tod als zweites Standbein

Tierurnen - Eva Franke

Um sich auch während des Lockdowns künstlerisch auszuleben, hat Tätowiererin Eva Franke aus Ebersberg damit begonnen, Tier-Urnen zu gestalten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wegen Corona konnte die Ebersberger Tätowiererin Eva Franke lange nicht arbeiten. Also überlegte sie sich etwas Neues: Individuell bemalte Tier-Urnen.

Von Karin Pill

Ein Tattoo-Studio, an dessen Eingang man von einem schwarz gekleideten Skelett mit Corona-Schutzmaske empfangen wird. Fotos von Tattoo-Conventions oder gepiercten Menschen. So oder so ähnlich könnte jedes Tattoo-Studio in Deutschland aussehen. Doch im "Soul-Ink" von Eva Franke in Ebersberg gibt es nicht nur Kunst für die Haut zu erwerben. In einer Vitrine stehen von der Tätowiererin selbst bemalte Tier-Urnen. Seit vergangenem November sind sie das zweite Standbein der 36-Jährigen. Denn als Franke damals ihr Studio Corona-bedingt schließen musste, fiel ihr zunächst einfach nur die Decke auf den Kopf. Dann kam auch noch der Tod ihrer geliebten Katze hinzu.

Sie begann zu recherchieren, wo sie ihre Katze einmal begraben würde. Ein Grab im eigenen Garten? Ein Tierfriedhof? Das kam für die gelernte Krankenschwester nicht in Frage. "Der nächste Tierfriedhof ist in München, das war mir zu weit weg. Außerdem weiß man ja nie, ob man nicht auch nochmal umzieht", so Franke. Schließlich entschied sie sich für eine Tier-Urne, die sie auch zu Hause aufbewahren darf. Nach all den schönen, langen Jahren, die sie mit ihrer Katze verbracht hatte, wollte die Künstlerin der Urne auch noch etwas Individuelles verleihen und bemalte diese kunstvoll.

Schnell war eine Idee geboren, die Franke einerseits ihrer toten Katze nah sein lässt und die zugleich eine Beschäftigungsalternative zum geschlossenen Tattoo-Studio darstellte. So konnte sie im vergangenen Dezember die neu gewonnene Zeit nutzen, um zu experimentieren. "Dann ging alles recht schnell. Bereits Ende Dezember habe ich die ersten Fotos von Tier-Urnen online gestellt", sagt Franke. In ihrem Bekanntenkreis habe das so großen Anklang gefunden, dass sie immer mehr Tier-Urnen bemalte.

Inzwischen sind einige Monate vergangen und seit Mitte Mai dürfen die Tattoo-Studios in Bayern wieder öffnen. Darüber ist Franke sehr froh, denn seitdem können Interessenten die bemalten Urnen auch einmal in echt bestaunen, die verschiedenen Lasierungen und Farben inspizieren und fühlen, wie schwer so ein Gefäß eigentlich ist. Die getöpferten Prototypen, die Franke nur mit einer Grundierung von einem Bekannten erhält, bieten Platz für Tiere von circa 20 Kilo Lebendgewicht. "Das entspricht in etwa Katzen, Vögeln oder kleinen Hunden", so Franke. Aber auf Anfrage könne sie natürlich auch größere Urnen bemalen. Je nach Aufwand beginnt der Preis dann bei 150 Euro.

Franke nutzt immer wieder die Gelegenheit, mit ihrer Kundschaft im Studio über den Tod des Haustieres ins Gespräch zu kommen. Denn einen solchen Gedanken beiseite zu schieben, findet die Künstlerin gar nicht gut. "Ich selbst brauche für die Anfertigung einer Tier-Urne circa zwei bis drei Wochen. Wenn das Tier verstirbt, bevor die Urne fertig ist, können die Tierbesitzer keine bemalte Urne mit ins Tierkrematorium nehmen, sondern bekommen unter Umständen lediglich eine Tüte mit der Asche des Tieres überreicht", so Franke. Es gehe zwar auch, dass man die Asche dann umfülle und Franke anschließend die Urne mit dem eingeäscherten Tier darin bemalt, "aber wenn die Leute sich vorher schon Gedanken machen und zu mir kommen, ist es mir lieber", sagt sie. Darüber hinaus bedarf es schließlich ja auch etwas Zeit, sich für ein Motiv oder eine Hintergrundfarbe für die Urne zu entscheiden.

Franke ist zufrieden, dass sie mit der individuellen Tier-Urnen-Gestaltung eine Ergänzung zu den gängigen Arbeiten in ihrem Tattoo-Studio hat. Und auch hier kann die leidenschaftliche Zeichnerin ihren Gestaltungssinn frei entfalten. "Eigentlich wollte ich schon nach dem Abi Kunst studieren, aber damals fehlten die finanziellen Mittel dazu. Deshalb machte ich erst einmal eine Ausbildung." Doch trotzdem sei sie immer der Kunst verschrieben geblieben, sagt Franke. Schließlich wurde sie vor zehn Jahren Tätowiererin. "Ohne Ausbildung, denn die gibt's in Deutschland nicht." Stattdessen übte sie anfangs noch an Bananen- oder Orangenschalen und sammelte dann in einem professionellen Tattoo-Studio am Chiemsee praktische Erfahrungen an echten Menschen. 2017 eröffnete sie ihr erstes eigenes Studio in Eglharting, bevor sie damit schließlich vergangenen Herbst nach Ebersberg umzog.

Seit Frankes Studio nun wieder geöffnet hat, ist der Bedarf an Tattoos und Piercings groß. "Die Leute hatten ja jetzt sieben Monate Zeit, über Motive nachzudenken", sagt Franke. Aktuell machen die Tier-Urnen noch einen sehr kleinen Teil des Umsatzes aus, so Franke, aber sie glaubt fest, dass der Bedarf an Tier-Urnen da ist. "Haustiere sind nicht einfach mehr Tiere, sondern gehören schon richtig zur Familie", so Franke. Deshalb investieren die Leute immer mehr in ihr Tier und Franke ist überzeugt, dass die Idee von individuell bemalten Tier-Urnen auch über die Pandemie hinaus wachsen könne. Wenn die Nachfrage nach ihren handbemalten Gefäßen mal größer wird, würde die Tätowiererin sich gerne einen eigenen Brennofen anschaffen, damit sie die Urnen auch selbst töpfern kann und nicht immer einen Bekannten beauftragen muss. Doch diese Investition ist gerade noch Zukunftsmusik, so Franke.

Während die Leute aktuell für Tätowierungen, Piercings oder zur Abgabe von Paketen in ihr Studio kommen, können sie sich schon einmal von den ausgestellten Urnen inspirieren lassen. Und für Eva Franke hat die Vielfältigkeit ihres Studios einen weiteren Vorteil: So kann sie auch gleich mit den Vorurteilen gegen Tätowierte aufräumen. "In den Köpfen vieler Menschen sind Tätowierte immer noch Asoziale. Deshalb muss man sich was einfallen lassen, um die Menschen vom Gegenteil zu überzeugen." Beratungen über Tier-Urnen sind hier schon einmal ein guter Anfang.

Zur SZ-Startseite
Tatto

SZ PlusSelbstbild
:Vielleicht wollte ich auch nur etwas fühlen

Unsere Autorin ließ sich spontan ein Omega-Symbol auf ihren Oberarm tätowieren - und bereute es einen ganzen Sommer. Über Fehler, die keine sind, das Streben nach Perfektion und die schmerzhafte Suche nach sich selbst.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: