Süddeutsche Zeitung

München/Ebersberg:Junggesellenabschied artet in Massenschlägerei aus

Lesezeit: 3 min

15 bis 20 Jungs aus dem Landkreis Ebersberg fahren zum Feiern nach München. Ein Jahr später sind fünf von ihnen angeklagt.

Von Jan Schwenkenbecher, München / Ebersberg

Es gibt diese Folge der TV-Serie "Café Meineid", da muss sich der Herr Assinger vor Gericht wegen Körperverletzung verantworten. Der Herr Assinger kommt vom Land und weiß nicht, wie Münchner Parkautomaten funktionieren, was letztlich zu einer handfesten Auseinandersetzung mit einem genervten Snob führt. Der Herr vom Land, der mit der Großstadt nicht umzugehen weiß: Ganz ähnliche Probleme erlebten fünf junge Männer, vier davon aus dem südlichen Landkreis, die in die Stadt fuhren, um einen Junggesellenabschied zu feiern. Und sich schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank des Münchner Amtsgerichts wiederfanden.

Die fünf, alle zwischen 20 und 30 Jahre alt, zogen an einem Montag vor Weihnachten 2015 mit etwa 15 bis 20 Mann gen München, alle in Lederhosen, der angehende Ehemann im Dirndl. Sie tranken, je nach Angabe, zwischen zwei und fünf Mass und, je nach Angabe, zwischen null und fünf Kurze, bis sie schließlich gegen 17.30 Uhr in einem Brauhaus nahe des Marienplatzes landeten.

Was dann passierte, blieb auch nach sechs Stunden Verhandlung weitestgehend unklar. Die Staatsanwaltschaft warf einem der fünf, dem heute Verheirateten, vor, eine Kellnerin in den Schwitzkasten genommen und sie geschlagen zu haben. Die anderen vier hätten ebenfalls Kellner geschlagen und geschubst, einen sogar über die Motorhaube eines geparkten Autos auf die Straße geworfen. Die Anklage war auf eine Befragung vom vergangenen April gestützt, als Ermittler mehreren Beteiligten Fotos von der Kameraaufzeichnung aus dem Eingangsbereich des Lokals vorgelegt hatten.

Die fünf Angeklagten konnten sich kaum noch an den Vorfall erinnern, was vermutlich an der seither vergangenen Zeit, aber auch an der damaligen Blutalkoholkonzentration lag. Etwas erhellender waren die Aussagen der beteiligten Kellner. "Die waren gut angetrunken und haben randaliert, haben eine Zuckerdose, ein Reserviert-Schild und Bierdeckel durch den Laden geschmissen", sagte einer. "Ich habe noch gesehen, wie sie versuchten, den Tisch umzuwerfen", sagte ein anderer. Irgendwann war, obwohl die Biere erst halb leer waren, das Maß voll. Die Gruppe flog raus.

Vor dem Lokal ging es dann erst richtig los

Und dort ging es erst richtig los. Ein Kellner sagte, dass vor dem Lokal zusätzlich zu den 15 bis 20 Jungs noch eine weitere größere Menschenmenge stand, es habe Geschiebe und Gedränge gegeben, alles sei sehr unübersichtlich gewesen. Die Kamera filmte dort nicht, die Bediensteten erinnerten sich nur noch vage. Die Kellnerin gab an, sie sei dazwischen gegangen, als ein anderer Kellner am Hals gepackt worden sei, als er ein paar der Gruppe daran hindern wollte, wieder den Laden zu betreten.

"Ich dachte, einer Frau werden sie schon nichts machen", sagte sie während der Verhandlung, "aber da habe ich mich getäuscht." Der damalige Restaurantleiter sagte aus, er habe nur noch gesehen, wie die Kellnerin plötzlich im Schwitzkasten des Dirndlträgers gewesen sei, da sei er dazwischen gegangen. Ein paar der Jungs seien direkt auf ihn los, hätten ihn vorm Restaurant so geschubst, dass er hingefallen sei. Er sei dann aufgestanden und einfach weggegangen, "ich bin 40 Jahre alt, habe zwei Kinder, ich muss mich echt nicht mehr prügeln".

Plötzlich habe ihn aber jemand von hinten gepackt und über ein Auto hinweg auf die Straße geworfen, dabei habe er sich das Knie blutig aufgeschürft. Die Kellnerin erlitt laut ärztlichem Attest einen etwa zwölf Zentimeter langen Kratzer oberhalb des Dekolletés sowie mehrere Prellungen und Blessuren an Armen und Beinen. Sie sagte zudem, der Herr im Dirndl habe ihr "das tut jetzt gar nicht weh" ins Ohr geflüstert, später habe ihr Gesicht gebrannt. Davon träume sie heute noch. Ob er sie tatsächlich geschlagen habe, das konnte sie nicht mehr genau sagen.

"Da drinnen ist so was fast Alltagsgeschäft", sagte die 41-Jährige, "es ist nicht der erste Junggesellenabschied, der so eskaliert ist." Mittlerweile habe sie aufgehört, abends zu kellnern, bediene stattdessen künftig tagsüber in einem Café, verdiene so etwa 1000 Euro weniger im Monat. Die Richterin vertagte schließlich die Sitzung und lud noch sieben weitere Zeugen, die beim nächsten Termin aussagen sollen.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2017
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