Moosacher Eisenbahnwaggon:Wieder Leben im Denkmal

Aus dem ausrangierten Eisenbahnwaggon am alten Bahnhof ist ein Jugendzentrum geworden.

Von Michael Haas

Der Eisenbahnwaggon am alten Moosacher Bahnhof sieht aus, als hätte er seine besten Zeiten hinter sich. Seit Jahren verwahrlost er auf dem letzten verbliebenen Gleisstück der Bahnstrecke nach Glonn, die vor mehr als 40 Jahren stillgelegt wurde. Das ehemals weiße Dach schimmert nur mehr dreckig braun, die blauen Außenwände haben ihre Farbe längst verloren, Graffiti überziehen Wände und Fenster. Doch seit kurzem ist Leben eingekehrt in das alte Denkmal. Nach langen Diskussionen haben sich der Gemeinderat und fünf Jugendliche auf einen Nutzungsvertrag geeinigt - und aus dem Waggon wurde ein Jugendzentrum. Nun dringen fröhliches Stimmengewirr und Musik heraus, die Fenster und Türen sind beinahe täglich geöffnet.

So mancher Spaziergänger dürfte sich derzeit also wundern, wenn er am alten Bahnhof vorbeikommt und die Inneneinrichtung des neuen Jugendzentrums sieht. Denn größer könnte der Unterschied zum Äußeren des Waggons nicht sein: Die Innenwände leuchten in grellem Orange, neben dem Eingang steht ein Ofen, an der Stirnseite eine große Theke mit einer Stereoanlage. Töpfe, Gläser und Besteck liegen bereit, auf einer ausklappbaren Holztafel ist eine Dartscheibe befestigt, weiter vorne steht ein Air-Hockey-Tisch. Von der Decke baumelt eine kleine Disco-Kugel.

"Wir wollten schon immer einen Platz haben, an dem wir uns treffen können", sagt Kira Dreßel. "Jetzt hat es endlich geklappt." Die 18-Jährige ist die Vorsitzende der Jugend Initiative Moosach und hat sich gemeinsam mit vier Freunden beim Gemeinderat für das Jugendzentrum eingesetzt. Inzwischen haben sie ihre gemeinsame Freizeit größtenteils in den ausrangierten Waggon verlegt. "Früher mussten wir uns immer draußen oder bei jemandem Zuhause treffen", sagt Miriam Haseneder. Da habe man dann oft einfach vor dem Fernseher gesessen, ergänzt Lucas Weidlich.

Ganz anders im Jugendzentrum: Einen Fernseher gibt es nicht, stattdessen wird gemeinsam gekocht oder gespielt, an anderen Tagen grillen die Jugendlichen, reden oder entspannen einfach. "Außerdem halten wir dort auch Mitgliederversammlungen ab", sagt die 16-jährige Nina Berger.

15 Mitglieder hat der Verein bereits, doch der Waggon soll ein Treffpunkt für alle Moosacher Jugendlichen werden. "Wir haben schon ein bisschen Werbung gemacht und auch eine eigene Facebook-Seite", sagt Haseneder. Verschiedene Dienste wie Abspülen oder Putzen sollen dafür sorgen, dass es trotz vieler Jugendlicher gemütlich bleibt. Bald soll zudem das Äußere des Waggons neu gestrichen und verschönert werden, erste Entwürfe hängen an der Bar. Schon jetzt legt sich Lucas Weidlich fest: "Wir haben das originellste Jugendzentrum im Landkreis."

Geöffnet ist der Waggon jeden Nachmittag von 14 Uhr an - vorausgesetzt, ein Vorstandsmitglied ist anwesend. Künftig sollen zudem auch größere Veranstaltungen stattfinden. So wird die Jugend Initiative bei der Sonnwendfeier am 28. Juni Cocktails ausschenken, kürzlich wurde gemeinsam mit Jugendlichen aus den Nachbargemeinden gegrillt. Auch Geburtstagsfeiern und kleinere Partys mit Alkoholausschank im Rahmen des Jugendschutzgesetzes sollen bald möglich sein, dafür hat der Vereinsvorstand gekämpft.

Sie traten damit in die Fußstapfen der Generation, die sich bereits vor fünf Jahren für einen Treffpunkt im ausrangierten Waggon stark gemacht hat. Die Gemeinde hatte sie dabei zunächst finanziell unterstützt, ehe die Jugendlichen nach einem Streit über die Nutzungsbedingungen mit Bürgermeister und Gemeinderat die Lust an dem Projekt verloren - die Öffnungszeiten waren ihnen zu strikt geregelt, Alkohol damals gänzlich verboten. Die Renovierung des Waggons war zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten, beispielsweise waren die Wände bereits orange gestrichen. "Die Generation vor uns hat sehr viel gemacht und uns sehr geholfen", sagt Dreßel. Sie und ihre Freunde haben aus den Erfahrungen der Vorgänger gelernt: Zwei Jugendbeauftragte sollen künftig zwischen den Jugendlichen und dem Gemeinderat vermitteln, wenn es hakt.

Drei Sitzungen hätten sie besuchen müssen, um ihr Anliegen zum Erfolg zu führen, erzählen die fünf befreundeten Schüler und Auszubildenden. "Am Anfang war es sehr schwer", erinnert sich Miriam Haseneder. Nina Berger und sie hätten bereits ein Jahr zuvor versucht, eine Nutzungserlaubnis für den Waggon zu bekommen - vergebens. Der erneute Versuch erfolgte dann zu fünft: "Wir haben einfach gesagt: Wir nehmen das jetzt in die Hand", erzählt die 16-Jährige.

Am Anfang habe zwar beim Gemeinderat noch ein wenig das Vertrauen in die Jugendlichen gefehlt, erinnert sich Nina Berger. Inzwischen habe sich das aber aufgebaut. Das Verhältnis zum Gemeinderat und Bürgermeister Eugen Gillhuber (CSU) sei sehr gut, erzählt der Vorstand der Jugend Initiative. Gillhuber hat dem Verein jüngst sogar eine Spende überwiesen. "Wir haben da viel Lobbyismus betrieben", berichtet Dreßel. Das ist den Jugendlichen anzumerken, die Argumente für das Jugendzentrum sprudeln geradezu aus ihnen heraus: Die Gemeinschaft der Jugendlichen und ihre Verwurzelung in Moosach werden gestärkt. Außerdem müssten die Eltern nicht mehr quer durch den Landkreis fahren und wüssten immer, wo das Kind gerade sei.

Ein weiterer Grund für die Zustimmung im Gemeinderat dürfte aber auch der Zeitpunkt gewesen sein, zu dem die Jugendlichen mit ihrer Initiative an die Öffentlichkeit gingen. "Das war ganz geschickt von uns", sagt Haseneder schelmisch - die Kommunalwahl stand unmittelbar bevor.

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