Moosach:Kreative Galaxie

Zehn Künstler und Künstlerinnen öffnen ihre Werkstätten bei der Atelier-Diagonale an diesem Wochenende. Zusätzlich setzen sich die Teilnehmer im Meta Theater Moosach zum Thema Selbstdarstellung in Szene

Von Rita Baedeker, Moosach

Mittlerweile ist aus der Atelier-Diagonale eine kleine Galaxie mit Kraftzentrum und mehreren Armen geworden. Der Mittelpunkt ist Moosach im südlichen Landkreis. Mehrere Teilnehmer schlüpfen an diesem Wochenende in der Werkstatt von Maja Ott und Hubert Maier unter. Erstmals dabei ist die Zornedinger Malerin und Kunstpädagogin Ingrid Köhler mit Schülerinnen des Gymnasiums Kirchseeon, wieder dabei sind der Bühnenbildner Andreas Schroll und der Bildhauer Franz Wörle. Nebenan, im Meta Theater in Moosach wird sich Patricija Gilyte mit einem Video-Screening präsentieren. Ihr Werk kann man in Lichtquanten messen - die Arbeit besteht aus mehr als viertausend Teelichtern, die sich zu Ketten zusammenfügen. "Tri-Galaxian L4116" lautet der Titel der kosmischen Leuchtschrift. Und dort, im Meta Theater, haben dann alle zusammen einen "Auftritt", über dessen Details noch nachgedacht wird, wie einige der Künstler beim Morgenkaffee im Garten von Maja Ott und Hubert Maier versichern. Ingrid Köhler zeigt in der Werkstatt von Maier und Ott Ölgemälde, Landschaftsimpressionen, die den Blick weiten. Auch ein historisches Wohnhaus, wie es typisch war für die Gegend, das nach der Renovierung einen Preis bekam, hat die Zornedingerin verewigt. Wie ein Traumgebilde schwebt es in einem Meer aus Gelb.

Köhler verweist aber nicht nur auf ihre Arbeiten. Im Nebenraum sind Objekte aus dem "Additum"-Kurs einer 11. Klasse am Gymnasium Kirchseeon zu sehen. Franz Wörle hat die Jugendlichen beraten. "Ich wollte ihnen das Querdenken vermitteln", sagt er, offenbar ist ihm das gelungen. Die Schülerinnen durften ihr Material frei wählen - Holz, Draht, Papier, Styropor, alte Lampen, Noppenfolie, Pappmaché - egal. Herausgekommen sind surreale Objekte: ein fliegender Elefant, ein riesiges Huhn, die Büste des Minotaurus, ein Blumenstrauß, dessen Blüten die Form von Kinderköpfen haben, eine Hand mit bizarr gespreizten Fingern, ein Bär, der mit einer Schlange kämpft. "Was man hier sieht, ist Work in Progress", sagt Köhler. "Die Schülerinnen werden am Wochenende auch hier im Atelier arbeiten." Im selben Raum hat Franz Wörle ein paar seiner Bronze-Stelen aufgestellt, kubistische Objekte, die ihn, wie er sagt, an Irland erinnern, an die dort entdeckten Rundtürme.

Während sich Wörle mit Architekturformen auseinandersetzt, bleibt Maja Ott auch dieses Mal bei ihren unglaublich schönen Hinterglasbildern und ihrem derzeitigen Lieblingsmotiv, den Zellstrukturen. Die findet man in allen Variationen und Farben, von üppigen Blüten und Blasen bis zu korallenartigen Bäumen, Algengespinsten, Samensträngen, Kapseln, Knospen, die in einer weißen "Ursuppe" zu schwimmen scheinen. Auch geheimnisvolle Phantasiewesen der Tiefsee, die in der Finsternis leuchten, glaubt man zu entdecken. Ott arbeitet zum Teil mit Nachtleuchtfarben, um solche Effekte zu erzielen, dann wieder spielt sie mit steinzeitlichen Felsritzungen, die sie in ihrem Sommerquartier in Schweden entdeckt und in die Malerei integriert hat. Es sind Musterbücher organischen Lebens, kombiniert mit archaischen Ornamenten, die Maja Ott mit akribischer Leidenschaft fertigt. Wer darin lesen will, muss sich Zeit nehmen, die Motive sind ein Fest für die Phantasie. Den Besuchern der Galerie wird sie am Wochenende zeigen, wie ein Hinterglasbild entsteht, bei dem man alle Arbeitsschritte, etwa Zeichnung, Umrisse und Farbauftrag, umgekehrt denken muss.

Zellstrukturen, in diesem Fall im Makrobereich, beschäftigen auch den Steinbildhauer Hubert Maier. Es gehe, sagt Maier, um die Auseinandersetzung mit körperlichen Schwächen, die auch ein Künstler habe. Bei ihm ist es das Kreuz. Wie könnte es bei einem Mann, der andauernd schwere Brocken stemmt, auch anders sein. "Ich hab Kreuzweh" hat er seine Skulptur aus rotem Granit genannt. Das Objekt, gut mannshoch, zeigt eine Wirbelsäule. Den großen Steinblock hat er in zehn Teile gespalten, die Einzelteile zu Wirbelkörpern bearbeitet und zusammengesetzt. Das Objekt wird von Mitte Juni an auch Teil des neuen Grafinger Skulpturenwegs sein.

Das Rückenweh ist nicht das einzige Leiden, das Maier gelegentlich plagt. Weitere Arbeiten tragen Titel wie "Ich hab eine dünne Haut", ein Schädel mit Kerbe steht fürs Kopfweh und ein steinerner hohler Zylinder mit mehreren "Beulen" im Inneren versinnbildlicht, wie sich Maier fühlt, wenn der Hals geschwollen ist. Erstaunlich, dass es die Schmerzen lindert, wenn er sie in Stein meißelt. "Das ist wie bei einem Fetisch", sagt er. "Das Bildnis des Leidens wirkt wie eine Therapie".

Den Blick sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet hat dieses Mal der Maler Stefan Heide in Pullenhofen, keine Lichtsekunde von Moosach entfernt. Beim Blick in die Außenwelt entstünden Bilder eines verlorenen Paradieses, sagt Heide. Etwa das von einem Mann, der einsam in einem Boot auf einem See rudert, im Hintergrund ein Bergmassiv, eine Schlucht. Symbol für die Innenschau sind dagegen Heides Papierarbeiten, Bücher, deren Seiten er beidhändig synchron bemalt. Es entwickle sich ein unbewusster Pool an Bildern von Menschen, Köpfen, Tieren, Wesen und Formen, ohne Absicht, ohne nachzudenken. "Diese meditative Arbeitsweise gibt mir ein größtmögliches Potenzial an Handlungsfreiheit", sagt Heide.

Gisela Heides Sujet sind textile Fasern und Formen. Dieses Mal hat sie neben größeren Bildern auch kleinformatiges Papier bemalt. "Ich stecke gerade in einer neuen Phase", sagt Heide. "Das Zeichnen verändert die Malerei." Hat sie sich bisher dem Binnen-Geschehen eines Textils mit seinen Falten und Mustern gewidmet, so sind jetzt Linie und Umriss wichtig. Durch ein spezielles Abdruckverfahren sind Strukturen entstanden, aus denen man Muster herauslesen kann. Das Prinzip hat sie auch auf ein paar Leinwandbilder übertragen.

Unter dem Label "Wokensky Art" zeigt der Holzbildhauer Johannes Gottwald in Hermannsdorf Gebrauchskunst. Auch einige seiner mächtigen, zu rhythmischen Mustern geschnittenen Stelen und Skulpturen, unter anderem die Arbeit vom Ebersberger Schlossplatz, sind dort ausgestellt. In Ebersberg zeigt schließlich Andreas Mitterer einen Ausschnitt seines Schaffens. Wer für Schallplatten etwas übrig hat, wird sich im Café artesano über etwa 70 von Mitterer übermalte und überarbeitete Plattencover freuen. "Manche sind leicht erkennbar", sagt Mitterer, "manche entpuppen sich erst bei genauem Hinsehen als ehemals geliebte Schätze aus der Vinyl-Plattensammlung."

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