Süddeutsche Zeitung

Moosach:Kleinkrieg mit Folgen

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In Moosach ist ein Mietstreit derart eskaliert, dass mittlerweile die Kommunalaufsicht eingeschaltet ist. Ihr liegen mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Bürgermeister Eugen Gillhuber und einen Abfallberater vor

Von Anja Blum, Moosach

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Heißt es. Doch manchmal ärgert sich der Dritte auch eher. Das ist derzeit in Moosach der Fall. Dort nämlich tobt ein Kleinkrieg, mit dem mittlerweile nicht nur diverse Rechtsanwälte und das Ebersberger Amtsgericht beschäftigt sind, sondern auch die Gemeinde Moosach, die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Glonn und das Ebersberger Landratsamt.

Die Vorwürfe, um die es dabei geht, wiegen schwer: Bei der Kommunalaufsicht wurden Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht, wegen Amtsmissbrauchs, Verstoßes gegen den Datenschutz, Verschwendung von Steuergeldern und Amtswillkür. Die Beschuldigten: Moosachs Bürgermeister Eugen Gillhuber (CSU) und der Abfallberater der VG Glonn, Franz Sporer. Die Kommunalaufsicht im Landratsamt konnte bei letzterem indes keine Verstöße feststellen, im Falle Gillhubers ermittelt sie noch. Der Moosacher Bürgermeister möchte sich zu den Vorwürfen jedoch nicht äußern.

Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Mietstreit, in diesem Fall zwischen einem Moosacher Ehepaar und den Gillhubers. Laut den Mietern haben diese eine Räumungsklage eingereicht, die seit mehr als zwei Jahren unentschieden beim Amtsgericht liege. Allerdings ist dabei schon strittig, wer tatsächlich der Vermieter ist: Der Mietvertrag von 2011 nennt als solchen eine Wohnungseigentümergemeinschaft "WEG Steinerhof", vertreten durch Eugen Gillhuber, der auch der Unterzeichner ist. Allerdings reklamiert seine Frau Amalie Gillhuber, nun alleinige Eigentümerin des Hauses und somit Vermieterin zu sein.

Der Ebersberger SZ wurde zu dem ganzen Vorgang ein Stapel Unterlagen zugespielt - anonym. Doch beide Seiten bestreiten, dies veranlasst zu haben, und da der Kreis der Beteiligten mittlerweile ziemlich groß ist, kann der Absender tatsächlich nicht nachvollzogen werden.

Die Mieter wohnen in einem Moosacher Mehrparteienhaus, in dem auch das Versicherungsbüro von Eugen Gillhuber untergebracht ist. Sie sprechen von "allerhand Schikanen" durch denselben in seiner Funktion als "Hausmeister". Diese reichten von einer zugemauerten Tür in der Garage über Schneeberge vor dem Mülltonnenhäuschen bis hin zu einem Elektrozaun quer durch den Garten.

Große Kreise zieht der Streit seit Anfang Februar: Abfallberater Franz Sporer von der VG Glonn schreibt das Ehepaar im Namen der Gemeinde Moosach an, ruft es zu einer ordnungsgemäßen Müllentsorgung auf. Man sei bei einer Kontrolle nämlich auf Missstände gestoßen: Einige Säcke des Ehepaars seien vor und auf dem Tonnenhäuschen gelegen. Dem folgt der Hinweis, dass die Gemeinde berechtigt sei, ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro zu verhängen und den Abtransport so lange zu verzögern, bis der Müll richtig entsorgt sei. Im Anhang: Beweisfotos.

Bei den Eheleuten läuten daraufhin die Alarmglocken. Ihr Verdacht: Dass der Abfallberater vom Bürgermeister instruiert worden sein könnte. Also stellen sie allerhand Fragen. Wann genau wurde die Kontrolle durchgeführt? Und auf wessen Veranlassung? Woher hatte Sporer bei einem Mehrparteienhaus überhaupt ihren Namen - zumal der Vertrag über die Mülltonnen zwischen Gemeinde und Vermieter abgeschlossen sei.

Die Antwort der VG Glonn: Sporer habe eine Kontrollrunde durch Moosach gedreht - eine Routineaufgabe, die die VG für die Gemeinde Moosach übernommen hat. Und bei Verstößen stehe es dem Abfallberater frei, sich nicht an den Vermieter, sondern an den Verursacher direkt zu wenden und dessen Namen zu ermitteln. Von der Beziehung der Gillhubers zum beanstandeten Haus habe Sporer gar nichts gewusst, so der geschäftsführende Beamte der VG, Alois Huber. Die Bürgermeister hätten mit dieser Art Anschreiben auch nichts zu tun, erklärt er. Allerdings würden die Rathauschefs der VG im Nachhinein stets informiert - um auf etwaige Nachfragen seitens der Bürger vorbereitet zu sein.

Was das Ehepaar nach wie vor stutzig macht: Die Überprüfung fand laut Sporer am 6. Februar um etwa 6.30 Uhr morgens statt, ein Zeitpunkt, zu dem üblicherweise die Sonne noch nicht aufgegangen ist. Auf den Beweisfotos ist allerdings blauer Himmel zu sehen. Auch sei ihres Wissens der Müll um diese Uhrzeit bereits abgeholt gewesen. Könnten die Aufnahmen also wann anders gemacht worden sein - vielleicht sogar von jemand anderem? Die Mieter fragen sich jedenfalls, ob der Bürgermeister die Verwaltung der VG für persönliche Zwecke instrumentalisiert hat. Der Charakter des sogenannten Infoschreibens ähnele ja auch eher einer "Belehrung - samt erheblichen Androhungen", durch die man sich "diskriminiert" fühle.

Hinzu kommt, dass Sporers Brief nun von den Gillhubers beim Amtsgericht eingereicht wurde - als Beweisstück im Zivilverfahren. "Man will uns dort einfach nur schlecht machen", sagt die Gegenpartei - und fragt: Wie ist die WEG Steinerhof als Vermieterin überhaupt an dieses Schreiben gelangt?

Ebenfalls bei Gericht eingereicht haben Gillhubers einen Antrag, den ihre Mieter an den Moosacher Gemeinderat gestellt hatten. Darin baten die Moosacher Eheleute um "eine politisch unabhängige und neutrale Prüfung des Sachverhalts" rund um Sporers Schreiben. Auch hier wundert sich das Ehepaar, dass eine an den Gemeinderat - nicht an die Vermieter - gerichtete Mail plötzlich in einem privatrechtlichen Gerichtsverfahren auftaucht.

Moosachs Zweiter Bürgermeister Willi Mirus reagierte auf den Antrag mit einem Gesprächsangebot an die Eheleute, doch dieser Versuch sei gescheitert, erzählt er. "Für eine sachliche Auseinandersetzung war es bereits viel zu spät." Daher habe der Gemeinderat in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossen, sich mit der Sache nicht weiter zu befassen. "Das alles ist ja jetzt eh schon viel höher aufgehängt", sagt Mirus mit Blick auf die Kommunalaufsicht.

Ein weiterer Mailverkehr, der der SZ vorliegt, belegt eine Anfrage von Eugen Gillhuber an Johannes Dirscherl, beim Landratsamt zuständig für Abfallwirtschaft. Gillhuber erkundigt sich darin, wie die Rechtslage sei, wenn ein Mieter seinen Müll nicht richtig entsorge. Gesendet wurde die Mail Mitte Februar von Gillhubers Gemeindeadresse aus, unterschrieben ist sie samt Amtsbezeichnung. Dass es sich bei der betroffenen "Vermieterin" offenbar um seine Frau handelt, erwähnt der Bürgermeister nicht. Dirscherl legt in seiner Antwort dar, dass die Gemeinde bei Verstößen durchaus die Möglichkeit habe, gegen den Mieter im Sinne einer Ordnungswidrigkeit vorzugehen. Für einen Vermieter jedoch gestalte sich dies "umständlich" und sei "fast nur finanziell zu regeln (Ersatzleistung, Kosten in der Mietabrechnung)". Im Anhang: Auszüge aus der entsprechenden Satzung und Verordnung. Gillhuber leitete diese Antwort umgehend an die WEG Steinerhof, alias seine Frau, weiter.

Dass sich Gillhuber beim Landratsamt über die Rechtslage informiert hat, ist laut Kommunalaufsicht jedoch kein Vergehen: "Einem Privatmenschen hätte der Zuständige vielleicht nicht direkt geantwortet, aber grundsätzlich geben wir hier jedem umfassend Auskunft", sagt Andreas Wenzel. Das sei Maßgabe des Landrats im Sinne der Bürgerfreundlichkeit. Und seine Amtsbezeichnung dürfe ein Bürgermeister auch bei privater Kommunikation führen.

"Gillhubers Verhalten mag unglücklich gewesen sein", sagt Wenzel, doch die meisten Beschwerden des Moosacher Ehepaars habe die Kommunalaufsicht bereits zu den Akten gelegt, da man keine Verstöße habe feststellen können. Ein Punkt aber ist nach wie vor kritisch, nämlich die Weiterleitung des Schreibens von Sporer an das Ebersberger Amtsgericht. "Da prüfen wir noch, ob er das durfte oder nicht", sagt Wenzel mit Blick auf den Bürgermeister. Möglicherweise werde die Behörde hier von Amts wegen ein Verfahren einleiten - das mit dem privaten Rechtsstreit rein gar nichts zu tun habe. Klar sei jedoch bereits, dass es sich hier um eine hoch komplexe Materie handle: "Da geht es ums Beamtenrecht, um die Abfallsatzung und Datenschutz."

"Er sollte einfach mehr auf die Trennung von Privatem und Geschäftlichem achten, sonst macht er sich angreifbar", sagt der Zweite Bürgermeister Willi Mirus über Gillhuber. Dass dieser es damit nicht unbedingt immer genau nimmt, ist nämlich keine Neuigkeit: Bereits vor drei Jahren geriet der Moosacher Bürgermeister in die Kritik, weil er Informationen aus dem Rathaus - darunter angeblich auch sensible Daten - über den Server des Versicherungskonzerns, für die er arbeitet, verschickt hatte. Die Auswirkungen dessen wurden allerdings nur in einer nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung diskutiert. Wenig später bezichtigte Gillhuber seine damalige Sekretärin und seinen Herausforderer im Bürgermeisterwahlkampf, Robert Bauer, der Rathausspionage - allerdings zu Unrecht, wie sich herausstellte.

Mit großem Erstaunen hat das Moosacher Ehepaar auch eine Nebenkostenabrechnung der VG Glonn zu den Mülltonnen entgegengenommen. Die Abrechnung, die der SZ in Kopie vorliegt, ist an die "Grundstücksgemeinschaft Eugen und Amalie Gillhuber" gerichtet - und wurde auf Briefpapier der Versicherung ausgedruckt, für die der Bürgermeister arbeitet. Allerdings verkehrt herum, sodass das Logo des Konzerns nur am unteren Rand des Blattes und auf dem Kopf zu sehen ist. "So ein Schriftstück stammt mit Sicherheit nicht von uns", sagt Huber von der VG dazu.

Fest steht: Das Moosacher Ehepaar denkt nicht ans Aufgeben: "Wir wollen das alles geklärt haben", sagt der Mann, notfalls werde man sich an die Regierung von Oberbayern, also die nächst höhere Instanz, wenden.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2017
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