Moosach:Geister im Mondschein

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Der Geist des Kriegers: Der japanische Nô-Meister Akira Matsui mit Maske. (Foto: privat)

Der Nô-Meister Akira Matsui aus Japan leitet im Meta Theater Moosach einen mehrtägigen Theater-Workshop und veranstaltet dazu einen Solotanzabend

Von Rita Baedeker, Moosach

Wer eine Aufführung des japanischen Nô-Theaters erlebt, hat das Gefühl, in eine Art Wachtraum zu fallen. Die Zeit will nicht vergehen, das in prunkvolle Gewänder gehüllte, hinter einer Maske aus Zypressenholz verborgene Wesen auf der Bühne scheint aus einer anderen Sphäre zu stammen. Und doch gehen die fließenden Bewegungen, die sparsamen Gesten des Spielers unter die Haut. Anfang September können an japanischer Bühnenkunst Interessierte im Meta Theater Moosach an einem Nô-Workshop mit dem großen Meister Akira Matsui teilnehmen und tiefer in die Geheimnisse dieser fernöstlichen Tradition eindringen.

Matsui, 1946 geboren, trägt in Japan den Ehrentitel "Living National Treasure". Er gehört als "Shite" (Begriff für Hauptdarsteller) der berühmten Kita Nô Schule an und ist regelmäßig in deren Aufführungen in Tokio, im Stadtteil Meguru, zu sehen. Schon als siebenjähriger Knabe hat er begonnen, "Nô" zu studieren. Heute ist er nicht nur ein Meisterdarsteller, er adaptiert und inszeniert auch Stücke westlicher Autoren. So etwa Shakespeare und Beckett. "Ich versuche, den Stil des Nô unversehrt zu lassen, doch ich will Nô in einer anderen Form aufführen, so wie es noch nie zuvor gemacht wurde", sagt er.

Nô-Theater ist ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Musik und Tanz und trägt Züge eines Zeremoniells. Die Stücke dauern fast einen Tag lang, das Publikum versorgt sich in den Pausen mit Tee und Sushi in handlichen Schachteln. Die Bewegungen des Spielers sind auf ein Minimum an Aktion, auf bestimmte Muster ("kata"), reduziert. So gleitet der Schauspieler auf den Fersen dahin, parallel zum Boden, geschmeidig wie ein Geist, wie eine Puppe. Einige sind verständlich, wie etwa das "kata", das Weinen bedeutet, wenn der Spieler eine oder beide Hände vor das Gesicht hebt. Es gibt auch Gebärden, die den Mondschein, das Fallen der Kirschblüten und anderes mehr andeuten.

Wie in der 600 Jahre währenden Tradition des Nô-Theaters üblich, wählt der Spieler minimale dramaturgische Mittel. Nicht einmal seine Mimik steht ihm zur Verfügung, denn er trägt eine Maske, die, je nach Charakter der darzustellenden Person, ausdrucksstark gestaltet ist. Es gibt das Antlitz des glücklichen Alten, des Kriegers, des zornigen Bergdämons, der anmutigen jungen Frau.

Auf der leeren Bühne zählt allein die Präsenz des Schauspielers. Matsui gleitet über den Boden, fließend und langsam. Die physische Energie wird nicht, wie sonst im Theater oder beim Tanz nach westlichem Stil, nach außen geleitet, sondern sie wirkt nach innen. Eine winzige Geste versinnbildlicht ein großes Drama.

Nô ist daher viel mehr als Theater. Es spiegelt Philosophie, Lebenshaltung, Ästhetik und Kultur Japans, es ist eine Art Lehrstück, in dem ein Mensch durch Schuld, Unglück, durch das unheilvolle Wirken der Dämonen geprüft wird. Anders als im Westen, werden die Geschehnisse aber nicht dramatisch zugespitzt, Gefühle nicht ausagiert. In den Geschichten geht es um Götter, Krieger, Frauen, Geister und Dämonen. Die Stoffe haben ihren Ursprung in Buddhismus und Shintoismus, den Religionen, die Japan geprägt haben.

Nô besitzt eine lange Tradition. Von Seami, einem Meister im 14. Jahrhundert, ist überliefert, dass er als erster Anweisungen für die Schauspieler schriftlich fixiert hat. Bis dahin wurde die höfische Kunst mündlich weitergegeben. Seami aber hatte keine Nachkommen. Damit seine Regeln nicht in die falschen Hände gerieten, vergrub er sie. Erst im 19. Jahrhundert seien sie entdeckt worden, berichtete Axel Tangerding, Leiter des Meta Theaters Moosach, anlässlich eines Workshops von Akira Matsui.

Zu einem Nô-Ensemble gehören neben dem "Shite" und anderen Personen auch noch Drachen, Dämonen und Tiere wie Fuchs, Affe, Löwe und Tiger. Es ist für den Nicht-Eingeweihten nicht leicht, den alten Geschichten zu folgen. Akira Matsui gibt dazu folgenden Rat: "Vergiss das Theater und sieh auf das Nô, vergiss das Nô und sieh auf den Spieler, vergiss den Spieler und sieh auf das Herz, vergiss das Herz, und du wirst Nô verstehen."

Der nächste Nô-Workshop mit Akira Matsui findet am 3. und 4. sowie von 6. bis 8. September, jeweils 18 bis 21 Uhr im Meta Theater Moosach, Osteranger 8, statt. Am Samstag, 5. September, 20 Uhr, zeigt Akira Matsui einen Solotanzabend, bei dem er sich auf die Frauenfiguren des Nô konzentriert und auch einen Einakter von Beckett ("Rockaby") zeigt, den dieser dem Nô-Theater gewidmet hat. Der Eintritt kostet 18, ermäßigt 14 Euro. Zwei Tage Workshop kosten 70, ermäßigt 50 Euro, fünf Tage 130, ermäßigt 90 Euro. Anmeldung unter Telefon (08091) 35 14 oder unter info@meta-theater.com

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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