Moosach:Charmante Selbstdarstellung

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Zehn bildende Künstler der Atelierdiagonale inszenieren sich und ihre Arbeit im Moosacher Meta Theater

Von Peter Kees, Moosach

Ein Mann betritt die Bühne. Er zieht sich eine Arbeitshose über, schlüpft in eine Arbeitsjacke, zieht Sicherheitsschuhe an, setzt einen Helm auf, eine Sicherheitsbrille, Ohren- und Mundschutz. Er legt eine Plane aus und holt Werkzeuge hervor, Maschinen, mit denen er Steine bearbeiten kann. Große Bohrer, Schleifgeräte, allerlei Gerätschaften, die der Zuschauer vielleicht gar nicht kennt. Die einzelnen Maschinen verbindet der Mann mit Wasserschläuchen. Er schaltet sie an, es spritzt. "Egal, was ich mache, es wird immer ein Spritzbrunnen", sagt er, nachdem er seine Brille, den Helm, den Mund- und Ohrenschutz wieder abgenommen hat.

Wer das am Samstag im Meta-Theater so wunderbar vorührt, ist der Moosacher Steinbildhauer Hubert Maier. Seine Arbeit staubt, ist dreckig und laut. Wasser nutzt er, um den beim Arbeiten entstehenden Staub zu minimieren. Es spritzt also immer, wenn er tätig ist. Bildhauer sei zwar ein toller Beruf, aber die Arbeit hart. Trotzdem: Es gebe immer wieder auch hochpoetische Momente dabei.

Selbstdarstellung ist das Thema dieses Abends in Axel Tangerdings Meta-Theater, an dem sich die zehn Künstler, die an der diesjährigen Atelierdiagonale beteiligt waren, in performativen Inszenierungen vorstellen. Der Abend beginnt mit Musik. Der Künstler Andreas Mitterer mutiert zum DJ und legt Elektro auf. Damit spinnt er gewissermaßen einen roten Faden um die unterschiedlichsten Formen der Selbstinszenierung.

Die litauische Künstlerin Patricija Gilyte verzaubert die Zuschauer mit einer Installation aus zarten Lichtern. (Foto: Hinz-Rosin)

Die Zornedinger Malerin Ingrid Köhler etwa lässt einen kleinen Film über sich und ihre Arbeit laufen - hat den Ton des Videos aber ausgeschaltet. Sie selbst steht real und unmittelbar vor der Projektion und kommentiert das, was sonst der Filmton erzählt. Man erlebt sie also doppelt, im Grunde dreifach, denn zu sehen ist sie im Film sowie persönlich auf der Bühne, zudem wirft der Beamer ihren Schatten auf die Projektionsfläche. Durch den Eingriff, diesen Imagefilm mit ihrer realen Anwesenheit zu kombinieren, entsteht ein herrlicher Dialog zwischen Realität und Virtualität, der nicht ohne Ironie vor Augen führt, wie komplex und heikel die Thematik Selbstdarstellung grundsätzlich ist. Und doch ist sie etwas, das notwendig scheint, denn auch Künstler brauchen wohl ein Branding. Oder schafft das das Werk?

Dem Grafinger Bildhauer Franz Wörle gelingt es mit großem Augenzwinkern, die scheinbar immer größere Notwendigkeit zur Selbstdarstellung mit einem Fragezeichen zu versehen. Zunächst lässt er zwei Nummerngirls über die Bühne laufen. Sie halten handschriftlich gemalte Schilder hoch: "Kunst fürs Volk", "Kunstkaramellen" und "Volxkunst". Dann kommt Wörle selbst, gefolgt von seinen beiden Damen, und wirft Karamellbonbons ins Publikum.

Aber es geht natürlich auch konventioneller und direkter, übrigens ohne, dass dabei die Sache an sich schlechter wird. Gisela Heide, Malerin aus Moosach, lässt auf großer Leinwand eine Diashow mit einer Auswahl ihrer zarten, meist pastellfarbigen Papierarbeiten ablaufen. Dazu erklingt Barockmusik. Ähnlich geht auch ihr Mann Stefan Heide vor, der seine Bilder mit Fotos aus Filmen und von unterwegs kombiniert. Auch dazu Musik.

Mit schweren Maschinen präsentiert Steinbildhauer Hubert Maier im Moosacher Meta-Theater sich und seine Arbeit. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Johannes Gottwalds Selbstdarstellung ist ein kleines Theaterstück: Der Glonner Bildhauer begibt sich in eine Rolle, seine eigene Rolle, spielt also Theater und spielt doch nur sich selbst. Dabei reflektiert er originell über die wirtschaftliche Situation des Künstlerdaseins an sich, stellt eine lebensgroße Baumrinde auf - er selbst fülle diese im künstlerischen Prozess wieder -, philosophiert dahinter über Selbstbilder, Vermarktung, und bittet schließlich das Publikum, in Holz zu investieren, ganz so, wie es im richtigen Wirtschaftsleben auch sei, Holz brächte immerhin zwölf Prozent Rendite. Viel Ironie, fast kabarettistische Züge und doch bitterernst.

Die Moosacher Malerin Maya Ott vertauscht den Beamer mit einen Tageslichtprojektor, analog statt digital, und lässt Folien, die mit ihrer typischen Ornamentik versehen sind, über die Lichtfläche gleiten. Drei Ebenen bewegen sich im Wechselspiel und bilden immer neue spannende Muster. Fast, als ob sie ihren Bildern Leben einhaucht.

Und dann ist da noch ein Gast, die litauische Künstlerin Patricija Gilyte, die lange in Ebersberg lebte. Sie verzaubert das Meta-Theater mit einer Installation: Auf einem Tisch, einer "Künstlertafel" inmitten der Bühne werden Hunderte von Teelichter angezündet. An der Wand ist dazu ein Video-Screening zu sehen, das Video "TRI-GALAXIAN L4116": Lichtpunkte von 4116 Teelichtern, senkrecht von oben gefilmt, wandern dabei in komponierten Rhythmen in 98 Reihen und 42 Zeilen hin und her. Wunderbar poetisch, wie übrigens der gesamte Abend.

Der Charme des Improvisierten, des Unfertigen und Unperfekten ist eben doch ein wesentlicher und ganz relevanter Gegenentwurf zum Glanz der schnöden Werbewelt - es lebe die Kunst, ohne die es keine anderen, doch so notwendigen Blickwinkel gäbe.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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