Moosach:Berührende Suche nach Heimat

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An allen Pulten perfekt: Worte, Gesang und Musik bietet die "Jiddische Weihnacht" von Nirit Sommerfeld im Moosacher Meta Theater. (Foto: Hinz-Rosin)

"Jiddische Weihnacht" im Meta-Theater Moosach

Von Claus Regnault, Moosach

Was ist Heimat? Für die deutschen Juden war es Deutschland, vor allem als sie staatsrechtlich durch die Verfassung von 1871 vollständig rechtlich gleichgestellt wurden. Diese "deutsche" Zeit der Juden endete nach nur 60 Jahren mit Beginn des Dritten Reichs 1933. Bereits vorher hatten sie unter wachsendem deutsch-nationalistisch geprägtem Antisemitismus zu leiden. Aber hier beheimatet fühlten sie sich als Deutsche, kämpften als zum Teil hochdekorierte Soldaten im Ersten Weltkrieg für ihr Land.

Die Sängerin Nirit Sommerfeld, in Israel geboren, aber seit langem in Grafing beheimatet, macht diese Problematik in der von ihr gestalteten theatralischen Multi-Media-Schau "Jiddische Weihnacht" erfahrbar, wenn sie das christliche Weihnachtsfest mit dem wenige Tage später gefeierten hebräischen Chanukka-Fest in eine Art Zusammenhang zu bringen versucht. Zuletzt geschehen im Moosacher Meta Theater.

Tatsächlich haben die deutschen Juden und ein Teil der Ostjuden beide Feste gefeiert, obwohl sie inhaltlich völlig voneinander verschieden sind: Weihnachten feiert die Geburt Jesu Christi mit dem Christbaum, Chanukka die Wiedereinweihung des zweiten Jerusalemer Tempels (164 vor Christus), bei welchem die "Menora", der siebenarmige Leuchter, um eine achte Kerze erweitert wurde, weil das vorhandene kleine Kännchen Öl wunderbarerweise für die acht Tage bis zur Neugewinnung von Öl reichte. Letztlich feiern also beide Feste das Licht.

Die Aufführung durch Nirit Sommerfeld als Klezmer-Sängerin, unterstützt durch die Lesungen von Martin Umbach, einem der wichtigsten deutschen Sprecher der Gegenwart, und der mitreißenden Begleitband Klezmorim, war tief berührend. Vor der Pause bot das Programm zum Teil unter die Haut gehenden Geschichtsunterricht, danach befreite es sich und wechselte auf die fröhliche Seite, zum Jubel, der das andere Gesicht des Klezmer ist.

Sommerfeld ist nicht nur als nahezu alttestamentarisch wirkende Schönheit eine Schau, sie bringt auch darstellerisch, insbesondere durch mimische Gestaltung, Sinn und Inhalt der von ihr gebrachten Lieder zu hörbarer Ansehung. Umbach ist in der Lage, mit eindringlicher Gestaltung die Traurigkeit, Dramatik und, wenn sie stattfindet, Fröhlichkeit der Texte mit seiner sehr wandlungsfähigen Stimme zu verwirklichen. Die Band, Günter Basmann (Drums), Georg Karger (Bass), Robert Probst (Piano), Pit Holzapfel (Gitarre und Posaune) und allen voran der sagenhafte, in die Musiksprache des Klezmer tief eingedrungene Andi Arnold an der Klarinette war an allen Pulten perfekt.

Das Publikum, den Zuhörerraum des Meta-Theaters ausfüllend, war spürbar von den Stimmungswechseln des Abends - von Betroffenheit bis zu geradezu funkiger Beschwingtheit - emotional mitgerissen. Man hatte das Gefühl, dass Nirit Sommerfeld mit dieser von ihr betexteten und besungenen Show auf der Suche nach ihrer Heimat ist.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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