Süddeutsche Zeitung

Moosach:2116 Menschen wollen Lucas helfen

Der 18-jährige Moosacher ist an Leukämie erkrankt und braucht einen Stammzellenspender. Der Andrang bei der Typisierungsaktion der Freiwilligen Feuerwehr übertrifft alle Erwartungen

Von Sandra Langmann, Moosach

Es könnte sich genauso gut um die Anreise zu einem Festival oder einem Volksfest handeln. Schon von weitem sind Autos zu sehen, die an den Straßenrändern parken. Traut man sich aber doch ein Stück weiter, wartet bereits ein Feuermann mit Kelle, um einen freien Parkplatz zuzuweisen. Doch in Moosach gibt es an diesem Sonntag weder ein Konzert noch ein Zeltfest. Hier geht es darum zu helfen.

Seit Ende 2016 leidet der 18-jährige Lucas aus Moosach an Leukämie. Um den Krebs besiegen zu können, benötigt er einen Stammzellenspender. Die Freiwillige Feuerwehr Moosach setzte nun alle Hebel in Bewegung, um ihrem Kameraden zu helfen. Zusammen mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) organisierten sie eine Registrierungsaktion, um den geeigneten Spender für Lucas zu finden. Und das mit größerem Erfolg, als anfangs erwartet. "Wir benötigten schon allein 30 Helfer für die Blutabnahme", so Herbert Weidlich, Kommandant der Feuerwehr Moosach, und das machte ihm anfangs Kopfzerbrechen.

Schon am Morgen bildet sich eine lange Warteschlange

Doch viele Freiwillige fragten, aufmerksam geworden durch Nachbarn, Bekannte und Medien, teilweise selbst nach. 110 Helfer waren allein in der Rudolf-Obermayr-Halle im Einsatz, um Kontaktdaten aufzunehmen, Blut abzunehmen und die Daten immer wieder zu kontrollieren. Weitere 30 waren im Außenbereich tätig und verkauften Lose, um zusätzlich Spenden zu sammeln. Bereits um 10.15 Uhr waren die ersten Registrierwilligen angereist und bildeten eine 70 bis 90 Meter lange Schlange. "Zwischen elf und zwölf Uhr waren schon 450 Menschen registriert", so Weidlich.

Bereits am Eingang der Halle wird man nicht nur von einem Dutzend roter Luftballons empfangen, sondern auch von kleinen Kindern mit Körben in der Hand. "Wollen Sie für einen Euro ein Los für die Tombola kaufen?" heißt es da. Nicht etwa fragend, sondern schon eher fordernd. Da fällt es sichtlich schwer, nein zu sagen. Der vordere Bereich der Halle ist mit zahlreichen Biertischen, die bis zum letzten Platz besetzt sind, gut besucht. Leberkassemmeln, Butterbrezen, Bier, Kuchen und viele weitere Speisen und Getränke sollen die fleißigen Besucher nach ihrer Typisierung wieder zu Kräften kommen lassen.

Bei der ersten Station werden nicht nur die Daten für die Registrierung erfasst, sondern hier findet auch die Beratung statt. Vor allem wird darüber aufgeklärt, wie die Stammzellenspende im Falle einer Übereinstimmung ablaufen kann. Heute habe er schon einige beraten, erklärt ein netter junger Helfer mit DKMS-Aufkleber auf dem T-Shirt und drückt einem die unterschriebene Registrierungsbestätigung und ein Röhrchen für die Blutabnahme in die Hand.

Auch Spenden sind nötig, eine Typisierung kostet schließlich 40 Euro

Nach einer Zwischenkontrolle geht es weiter zur Blutabnahme - so gut wie alle sind Plätze besetzt, und ein freier Helfer winkt schon von weitem. In der Stunde nimmt der 21-jährige Medizinstudent Luis Hinterwaldner zehn bis 15 Leuten jeweils fünf Milliliter Blut ab. Er ist ein Nachbar von Lucas und hat sich heute bereits registrieren lassen. Genauso wie seine Freunde, die beraten und Essen ausgeben. Vorsichtig ertastet er die blaue Ader an der Innenseite des Armes, ein kurzer Pieks, ein Pflaster als Andenken und das war es auch schon.

Dann wird das Röhrchen abermals kontrolliert und abgegeben. Bei der letzten Station braucht es eine Unterschrift und ein rosarotes Blatt Papier gilt vorübergehend als Spendenausweis. Da eine Typisierung 40 Euro kostet, ist hier auch eine Spendenbox aufgebaut. Jeder kann aber so viel geben, wie er kann. Nach zirka fünf Minuten ist alles erledigt.

Auch die Kinder wollten helfen

Beim Weg nach draußen laufen einem wieder die Grundschüler mit Losen über den Weg und fordern zum Kauf auf. Dahinter steckt Andrea Dentinger. Ihre Tochter besucht die vierte Klasse der Grundschule Moosach, und als sie von Lucas' Krankheit gehört hatte, wollte sie helfen. "Die Kinder können sich noch nicht typisieren lassen, weil sie zu jung sind", erklärt Dentinger. Also habe sie sich etwas einfallen lassen und eine Tombola organisiert, die am Sonntag im Moosacher Pfarrheim aufgebaut wurde.

Jedes Kind der vierten Klasse wurde aufgefordert, zwei Geschenke für die Tombola mitzubringen. Es wurde auch bei Firmen angefragt und im Endeffekt waren es viel mehr, so Dentinger. Würden alle Lose verkauft werden, könnten sich 75 Personen typisieren lassen, so Dentinger.

Alle sind gekommen und helfen zusammen, um den passenden Spender zu finden. Insgesamt waren es 2116, erklärt Herbert Weidlich. Mit so einer hohen Beteiligung hatte man definitiv nicht gerechnet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3385538
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.02.2017/moo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.