Mitten in Vaterstetten:Wer bin ich?

Im Bauausschuss sind sich die Mitglieder plötzlich nicht mehr sicher: Spricht da der, der spricht? Oder spricht aus ihm ein ganz anderer?

Von Wieland Bögel

Im Auftrag. Wer diese zwei Worte - gerne auch einfach in Form der Abkürzung i. A. - neben seine Unterschrift setzt, macht klar: Ich bin nicht schuld. Der eigentlich Zuständige ist nur gerade nicht greifbar, und irgendwer muss den Schmarrn ja unterschreiben, eventuelle Beschwerden bitte nicht an mich. Dass dies nicht nur in schriftlicher, sondern auch in mündlicher Form möglich ist, war nun im Vaterstettener Bauausschuss zu beobachten - beziehungsweise zu hören.

Dort vertritt für gewöhnlich Herbert Uhl die Interessen der Freien Wähler, und das nicht selten mit großer Leidenschaft. Wenn sich Uhl zu einer Sache zu Wort meldet, mit der er nicht einverstanden ist, kann man sich als Zuhörer oder gar Adressat schon mal auf eine gewisse Schärfe gefasst machen. So auch in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses, hier gab es einige Punkte, zu denen Herbert Uhl eine sehr vom Verwaltungsvorschlag abweichende Meinung vertrat. Und obwohl er am Sitzungsabend verhindert war, vorgetragen wurden die Einwände dennoch - und zwar von Uhls Stellvertreter im Ausschuss, von Wolfgang Schermann. Der ist in seinen Beiträgen zwar meist deutlich gelassener als Uhl, musste dieses Mal aber, dank Redemanuskript, die Uhl'sche Polemik wiedergeben, etwa dass man in der Großgemeinde jedes Bauvorhaben genehmige, aber bei Gewerbe zu restriktiv sei und um jeden Quadratmeter herumstreite.

Offenbar gelang Schermann eine so hervorragende Imitation seines Parteifreundes, dass es manchem Ausschussmitglied unheimlich wurde. "Sind sie jetzt Schermann oder Uhl", konnte sich etwa Christl Mitterer (CSU) beim zweiten Manuskriptvortrag den Zwischenruf nicht verkneifen. Der mit einem souveränen "Heute Uhl, denn ich bin als Stellvertreter da", beantwortet wurde.

Was eine interessante Aussage ist, die - gerade in der anbrechenden Faschingszeit - ganz neue Perspektiven eröffnet. Vielleicht könnte man die nächste Sitzungswoche im Februar unter das Motto stellen "Wer bin ich?" Dazu darf sich jedes Mitglied des Gemeinderats als ein anderer Gemeinderat verkleiden. Oder man macht es wie beim Wichteln und teilt jedem eine neue Persönlichkeit zu - sonst sitzen am Ende 30 Bürgermeister im Sitzungssaal. Auch die Tagesordnung könnte man entsprechend anpassen, am besten setzt man für die Sitzung besonders umstrittene Themen an. Denn egal wie die Abstimmung auch ausgeht, die verkleideten Gemeinderäte wären fein raus, sie hätten ja nur "Im Auftrag" abgestimmt, und wenn sich einer beschwert, könnte man sagen: "Ich war einfach nicht ich selbst."

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