Mitten in Tulling:Burschenverein wirbt mit Nacktfoto für "Maiglöckerl Party"

Burschenverein

Eine Einladung an die Glöckner der Region? Unsere Autorin findet solche Sprüche mehr als verzichtbar.

(Foto: Theresa Parstorfer)

Das zweideutige Werbeplakat hängt in Tulling und zeigt eine entblößte Frau. Unsere Kolumnistin hat dazu eine eindeutige Meinung.

Kolumne von Theresa Parstorfer

Dass Tulling ab vom Schuss liegt, ist kein Geheimnis. Das mag auch in Ordnung sein bei gerade mal 500 Einwohnern und vermutlich fünfmal so vielen Kühen. Immerhin gibt es schon seit 1903 ein Bahngleis, auf dem mittlerweile sogar stündlich ein Zug Richtung München verkehrt, und auf dem noch dazu der MVV-Tarif gilt. Wenn das nicht große weite Welt bedeutet. Obendrein dürfte Tulling damit als Musterbeispiel für Infrastrukturausbau und Erschließung des ländlichen Raumes gelten.

So mag zumindest die Einstellung der eifrigen Münchenfahrerin sein, die regelmäßig an ebenjenem Bahngleis auf ebenjenen traditionsreichen "Filzenexpress" wartet. Einem Schlag ins Gesicht des emanzipierten, aufgeklärten Landmenschen kommt in einem solchen Moment das Plakat gleich, das der Burschenverein Sankt Christoph kürzlich im Bahnhäuschen neben dem Fahrkartenautomaten aufgehängt hat.

Zur "Maiglöckerlparty" wird eingeladen. Soweit so gut. Aber weil das alleine wohl noch nicht vielversprechend genug ist, prangt der Schriftzug in vermutlich traditionell bayerisch wirken wollenden Lettern auf den überdimensional großen, formvollendeten Brüsten einer nackten Frau. Weder Gesicht noch Kleidung gibt es auf dem Plakat zu sehen. Stattdessen lädt es ein zu einem "griabigen Maifeuer mit Barbetrieb" am Freitag und der "Maiglöckerl Party" mit Cocktailbar und Happy Hour einen Tag später.

Schreiend drängt sich da eine essayistische Abhandlung oder auch eine kritische Enthüllungsreportage im MeToo-Format auf. Eine Hinterfragung des Frauenbildes im ländlichen Raum, eine Entlarvung festgefahrener Strukturen und sexistischer Objektivierungen. Eine Kampagne gegen Körperkult und Pornografie.

Aber schiere Fassungslosigkeit ist an dieser Stelle möglicherweise sogar das stärkere Stilmittel: Warum, um alles in der Welt, glaubt ein Burschenverein (überhaupt: ein BURSCHENVEREIN?!) im April 2018, dass es in Ordnung ist, ein Plakat drucken zu lassen, auf dem ein nackter, weiblicher Körper möglichst viele Gäste auf eine Party locken soll, bei der es ganz offensichtlich um billigen Alkohol und ebenso billige wie große "Glocken" geht?

Und wieso scheint sich niemand über eine Werbeaktion zu empören, die so sexistisch ist, dass sie schon den Zeitgenossen übel aufgestoßen wäre, die vor über 100 Jahren die Gleise nach München verlegten? Weder besonders belesen noch besonders emanzipiert oder feministisch muss man sein, um intuitiv sagen zu können, dass eine solch platte Abwertung des weiblichen Körpers nirgends, nicht in München und auch nicht in Tulling, in Ordnung sein darf.

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