Süddeutsche Zeitung

Mitten in Neufarn:Feiern, aber richtig

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Die Neufarner Feuerwehr lädt bereits jetzt zur Sonnwendfeier im nächsten Jahr. Zwar beweist sie damit Weitblick, vertut aber gleich eine ganze Reihe an Chancen

Kolumne von Wieland Bögel

Nun sind es nur noch wenige Wochen bis zum Höhepunkt der staden Zeit, bald ist wieder Heiligabend. Dass dieses Fest dann stattfindet, wann es eben stattfindet, hat bekanntermaßen weniger damit zu tun, dass Jesus wirklich am 24. Dezember Geburtstag hatte - das Datum ist nämlich in keinem der biblischen Texte überliefert - sondern mit einem anderen Ereignis: der Wintersonnwende. Also dem Tag, von dem an die Tage wieder länger werden, und der fiel nach dem Julianischen Kalender, welcher zur Zeit der Entstehung des Christentums gebräuchlich war, eben auf den später zu Jesu Geburtstag bestimmten 24. Dezember. Der darum bereits für andere Religionen ein wichtiger Tag war, weil damit erkennbar ein neues Jahr beginnt. Der Sonnenwende-Aspekt ist indes in den vergangenen Jahrhunderten etwas aus dem Blick geraten, gut, dass es die Neufarner Feuerwehr gibt. Denn die hat nun zu einem Sonnwendfest am Neufarner Berg eingeladen. Leider, so wird nach einem zweiten Blick auf die Einladung offenbar, ist damit nicht die bevorstehende Winter- sondern die Sommersonnwende gemeint, was einerseits wegen der vorausschauenden Planung zu loben, aus vielerlei anderen Gründen aber sehr schade ist.

Zum einen natürlich aus den bereits genannten historischen, gerade in Bayern, wo man stets so stolz auf jedwede Tradition ist, würde eine ebensolche, die mindestens seit der Jungsteinzeit überliefert ist, doch hervorragend passen. Außerdem ist die Wintersonnwende was Sonnwenden angeht doch eigentlich die sympathischere. Schließlich ist ihre sommerliche Schwester genau genommen ja ein Symbol der Vergänglichkeit und des Niedergangs, ihr Motto könnte lauten: "Von hier an geht es bergab." Denn danach werden die Tage wieder kürzer, der Sommer, welcher offiziell an jenem Tag beginnt, ist da eigentlich schon wieder am Vergehen, streng genommen beginnt es Ende Juni schon zu herbsteln.

Ganz anders die Wintersonnwende, die alleine schon deshalb zu feiern ist, weil die dunkle Hälfte des Jahres da bereits zur Hälfte vorbei ist. Und nicht nur das, es beginnt auch die optimistischere Hälfte des Winterhalbjahres mit täglich etwas mehr Tageslicht - von den durch meteorologische Phänomene verursachte Störungen des Wohlbefindens einmal abgesehen. Zu guter Letzt spräche auch die Tradition, zur Sonnwende ein großes Feuer zu entzünden, für eine Verlegung des entsprechenden Festes auf die winterliche der beiden. Schließlich ist es im Juni meistens auch ohne Feuer vergleichsweise erträglich, was für Ende Dezember nur in absoluten Ausnahmefällen gilt. Darum also ein Appell an alle Sonnwendfeuerveranstalter, den schon die Erfinder des Weihnachtsfestes im Munde führten: "Kehre um" - und feiere die Sonnwende im Dezember.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2019
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