Süddeutsche Zeitung

Mitten in Moosach:Wenn der Zeiger auf Odl-Sepp steht

Die Betreiber der Schlossgaststätte Falkenberg haben in der Corona-Panik ihren Humor nicht verloren

Kolumne von Franziska Langhammer

Würde Xiong Yiliao im Hier und Jetzt leben, hätte er wahrscheinlich auf seinem Instagram-Account mehrere Hunderttausend Follower. Der chinesische Kämpfer gilt als der älteste mit Namen bekannte Jongleur der Menschheit. Mit seinen Wurfeinlagen soll er sogar im Jahr 603 vor unserer Zeitrechnung eine Schlacht entschieden haben: Xiong Yiliao stellte sich angeblich vor die Truppen und jonglierte mit neun Bällen. Die Gegner sollen derart außer sich gewesen sein, dass sie sich umdrehten und flohen. Beeindruckt hat sie wohl seine Routine - so nennt man im Jonglierjargon die feste Abfolge von Jongliertricks. Routine kann also auch durchaus etwas Beängstigendes haben.

Kommen wir in das Jahr 2020. Hier ist der gefühlte Dauerpanik-Zustand der ersten Corona-Wochen nun einer Routine gewichen, die vieles bisher Gewesene auf erschreckende Weise umdreht. Die alte Frau beim Optiker etwa wagt es, der fachkundigen Brillenanpasserin die Hand zum Abschied zu geben - Zuck. Der Mann an der Supermarktschlange vor einem hat keinen Mundschutz an - Zuck. Da teilen sich zwei Jugendliche eine Eiskugel - Zuck Zuck Zuck.

Doch zum Glück gibt es einen mächtigen Gegner, der sich dem Gezucke wirkungsvoll entgegen stellt: der Humor. Diesen nicht verloren haben etwa die Betreiber der Schlossgaststätte Falkenberg bei Moosach. "Unsere neuen Mitarbeiter Odl-Traud und Odl-Sepp" stellen die Wirtsleute auf einem einlaminierten Stück Papier vor, der Speisekarte beigelegt. Auf dem Weg zum stillen Örtchen begegnen sie einem dann in Echt: ein Dirndl und ein Lederhosen-Männchen ohne Körper, jedoch in Lebensgröße. Statt Kopf und Beinen weisen sie einen Zeiger aus Holz auf, den man nach rechts (frei) oder links (besetzt) schieben kann. Die Toilette betreten darf man nur, wenn der Zeiger auch auf Grün steht. So helfen die Odl-Traud und ihr Odl-Sepp den Gästen, dass man auf dem stillen Örtchen auch wirklich mal seine Ruhe hat. Und dass über allmählich nervende Maßnahmen auch mal geschmunzelt werden kann.

Wem selbst das zu blöd ist, weil ihm die Corona-Routine schon zum Hals raushängt (beziehungsweise würde, wenn es denn der Mundschutz erlauben würde), der kann sich an eine weitere Corona-Maßnahme halten, welche die Schlossgaststätte an die Gäste weitergibt: "Keine Lust über Corona zu reden? Safeword: Seegurke". Diese sollte man sich dann am besten schnappen und fröhlich durch die Luft jonglieren. So beängstigend einfach kann es manchmal sein.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2020
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