Süddeutsche Zeitung

Mitten in Moosach:Weisheiten von der Liegewiese

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Wer im Freibad dem Smalltalk der Nachbarn entgehen will, muss schon sehr lange die Luft anhalten können

Von Karin Kampwerth

Der SZ-Magazin-Kolumnist Dr.Dr. Rainer Erlinger widmete sich einst in einem seiner Texte der berechtigten Frage, ob es denn in Ordnung sei, wenn man beim telefonierenden S-Bahn-Mitfahrer nachfragt, falls man Wesentliches des lautstark geführten Gespräches nicht mitbekommen hat. Man stelle sich nur mal vor, an seinem Ziel anzukommen und den Rest des Tages mit der Grübelei darüber zu verbringen, ob nun X mit Y wegen Z Schluss gemacht hat oder ob es ein Happy End gab. Auch immer wieder spannend sind Berichte über Vorstellungsgespräche - und dann erfährt man nicht, ob der Gesprächspartner des Sitznachbarn nun den Job bekommen hat. Nicht zuletzt hätte man das Beziehungsdrama vielleicht mit einem guten Rat vermeiden und dem Arbeitssuchenden Bewerbungstipps geben können. Um die Antwort des SZ-Kolumnisten vorneweg zu nehmen: Erlinger fände eine Unterbrechung lautstarker Handy-Konversation zwar sympathisch, aber in der Art und Weise leider nicht angemessen.

Im Sommer freilich kann man sich auch andernorts kaum als Mithörer allerlei Plaudereien nicht entziehen. Zum Beispiel am Steinsee, wo sich am Sonntag die Sonnenhungrigen Handtuch an Handtuch drängten. Dem Smalltalk der Liegewiesennachbarn konnte man sich nur durch Tiefschlaf oder Tauchgang im See retten. Weil beides nicht dauerhaft möglich ist, wurde man nun Zeuge eines Gespräches über eine halbe Sau, die am kommenden Wochenende über einem Grill zur fleischhaltigen Salatbeilage verarbeitet werden soll. Dazu empfiehlt sich natürlich eine Freifläche, bestenfalls ein Garten. Natürlich wünscht sich der Grillmeister, dabei wenigstens auch Schwein mit dem Wetter zu haben, seiner Schwiegermutter indes versuchte dem jungen Mann die Sorgen zu nehmen und bot im schlimmsten Fall ihr Wohnzimmer an. Das wiederum lehnte der junge Mann ab, schließlich habe er acht (!) verschiedene Online-Wetterdienste bemüht und alle sagten Sonnenschein und Hitze voraus. Nicht zuletzt aber wehrte er einen neuerlich Versuch der Schwiegermutter, das Fest doch in ihre Stube und vielleicht damit auch in ihre Zuständigkeit zu verlegen, mit einer waschechten Weisheit ab, wie sie Erlinger nicht schöner hätte formulieren können: "Ach lass mal, eine Gartenparty ist doch immer dann am schönsten, wenn sie im Garten stattfindet."

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Quelle:
SZ vom 01.08.2017
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