Mitten in Kirchseeon:Schneller geht's nicht

Ausgerechnet am Spannleitenberg, wo es mit der Raserei seit Jahrzehnten Probleme gibt, wird derzeit jeder Autofahrer zum unfreiwilligen Verkehrssünder. Zumindest wenn man dem an der Ortseinfahrt stehenden "elektronischen Zeigefinger" Glauben schenkt

Kolumne von Wieland Bögel

Im Gegensatz zu dem Rasen, der sich nach wie vor bei den meisten Menschen und gerade in den Sommermonaten großer Beliebtheit erfreut, hat das Rasen ein gewisses Imageproblem. Es gibt nicht mehr viele Leute, die sich offen zur Raserei - auch hier ist zu differenzieren zwischen der motorisierten und der psychischen Ausnahmesituation, im Folgenden ist aber ersteres gemeint - bekennen. Einer der wenigen, bei denen das Zu-schnell-unterwegs-sein noch ein Zuhause hat, ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Der hat vor ein paar Wochen gefordert eine Novelle der Straßenverkehrsordnung teilweise wieder zurückzunehmen. Seitdem können Raser schneller den Führerschein verlieren, das ging dem Minister dann aber zu flott. Denn, so führte es Scheuer aus, manchmal könne man einfach nichts fürs Rasen, fahre quasi aus Versehen zu schnell. Eine Argumentation, über die seitdem viel gelacht wurde - dass der Minister trotzdem recht hat, zeigt sich dieser Tage in Kirchseeon.

Ausgerechnet am Spannleitenberg, wo es mit der Raserei - immer noch ist die motorisierte gemeint - seit Jahrzehnten Probleme gibt, wird derzeit jeder Autofahrer zum unfreiwilligen Verkehrssünder. Zumindest wenn man dem seit einiger Zeit an der Ortseinfahrt stehenden "elektronischen Zeigefinger" Glauben schenkt. Das Gerät wurde dort aufgestellt, damit Autofahrer ihre Geschwindigkeit an das geltende Tempolimit anpassen können, falls möglicherweise der Tacho nicht richtig funktioniert. Was interessanterweise ein Argument ist, das Scheuer - zumindest bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe - noch nicht gegen die neuen Straßenverkehrsordnung ins Spiel gebracht hat. In Kirchseeon zumindest scheint der eigene Tacho regelmäßig den Geist aufzugeben, denn der Zeigefinger zeigt jedes Mal die eindrucksvolle Geschwindigkeit von 188 Kilometern pro Stunde an.

Und das ausnahmslos immer und bei allen, was das Scheuer-Theorem vom versehentlichen Rasen eindeutig belegt: manchmal und mancherorts kann man einfach nicht anders als schnell unterwegs sein. Diese Erkenntnis sollte unbedingt und schleunigst in eine weitere Novelle der Straßenverkehrsordnung einfließen: Wer inner- oder außerorts brav die 188 Kilometer pro Stunde einhält - plus der üblichen Toleranz von 25 versteht sich - kann den Führerschein auf jeden Fall behalten. In Kirchseeon haben sie übrigens kürzlich beschlossen, künftig Tempo 70 am Spannleitenberg einzuführen - da war man wohl etwas zu schnell ..

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